Ab März können auch Kleinigkeiten teuer werden

Naturzerstörung in BW: Hohe Bußgelder aber keine Kontrollen?

Stand
Autor/in
Matthias Roman Schneider
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Eine Hecke kleingeschnitten, einen Baum im März gefällt - nicht schlimm, oder? Doch - denn Vögel benötigen Nistmöglichkeiten und Tiere Rückzugsorte, beklagen Naturschützer.

Niststellen, Kobeln und Nester sollen im Frühling vor den Eingriffen von Menschen geschützt werden. Denn Wildbienen, Eichhörnchen, Vögel und auch andere Tiere brauchen ihre Lebensräume. Das alles ist in Baden-Württemberg und bundesweit durch die Naturschutzgesetze geregelt. Wenn etwa auf einem Vereinsgelände 100 statt der geplanten 15 Bäume gefällt werden, ist das nicht nur schlecht für die Natur, sondern eventuell auch genehmigungspflichtig. Dieser Fall aus dem Alb-Donau-Kreis beschäftigt nun die zuständigen Behörden - und wirft Fragen auf.

Wann handelt es bei einem Eingriff in die Natur um strafbare Naturzerstörung, welche Bußgelder drohen und wer kontrolliert das?

Wichtiges zum Naturschutz im Überblick

Auf dem eigenen Grundstück dürfen beispielsweise zwischen März und September keine Hecken zurückgeschnitten oder Bäume gefällt werden. Nur kleinere Schönheitskorrekturen sind noch erlaubt, wie zum Beispiel einen Busch etwas zu stutzen. Viel Grünschnitt sollte dabei jedoch nicht anfallen, sonst kann es teuer werden. Denn für größere Eingriffe müssen eigentlich Genehmigungen eingeholt werden.

Hohe Bußgelder für Naturzerstörung möglich

Der Bußgeldkatalog des baden-württembergischen Umweltministeriums sieht bei "Abschneiden oder auf den Stock setzen von Bäumen, Hecken, lebenden Zäunen, Gebüschen oder anderen Gehölzen" in der Zeit vom 1. März bis 30. September eine Strafe von 50 bis 7.000 Euro vor. Entscheidend für die Höhe der Geldbußen sind mehrere Faktoren. Unter anderem das Ausmaß der Zerstörung und das Verhalten der Täterinnen und Täter. Außerdem spielt der Ort der Zerstörung eine Rolle.

Andere Verstöße gegen das Naturschutzrecht können in bestimmten Fällen sogar mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Das teilt das Bundesamt für Naturschutz auf SWR-Anfrage mit. Geringfügige Verstöße werden demnach aber in der Regel mit Geldbußen im zwei- bis dreistelligen Bereich geahndet.

Besonders geschützt sind Lebensräume bestimmter Tierarten wie etwa Biber: Für die Zerstörung ihres Lebensraums kann etwa ein Bußgeld von bis zu 15.000 Euro fällig werden. BUND und NABU BW weisen darauf hin, dass rechtlich auch härter durchgegriffen werden kann, "wenn vorsätzlich und gewohnheitsmäßig- oder gewerbsmäßig" Biber gejagt würden. Dann droht neben einer Geldstrafe auch eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Baumfällungen und Missachtung des Artenschutzes

In Baden-Württemberg wurden im Jahr 2020 genau 65 Umweltdelikte nach Straftaten nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) bekannt, davon wurden 49 aufgeklärt. Das entspricht einer Aufklärungsquote von 75,4 Prozent. Besonders häufig landen beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Baden-Württemberg laut Naturschutzreferentin Lilith Stelzner Meldungen von illegalen Baumfällungen, von Gehölzschnitt und Fälle von Missachtung des Artenschutzes. Auch Eingriffe in Biotope und Schutzgebiete kämen vor sowie das illegale Anlegen von sogenannten Schottergärten. Immer wieder liege es dann an den Naturschützerinnen und Naturschützern vor Ort, "die Behörden auf diese Ordnungswidrigkeiten aufmerksam zu machen, da die Kontrollen vor Ort schlichtweg fehlen", so Stelzner.

Lilith Stelzner, Naturschutzreferentin BUND Baden-Württemberg
Mit strafbarem Verhalten im Straßenverkehr werde anders umgegangen als in der Natur, sagt Lilith Stelzner, Naturschutzreferentin beim BUND Baden-Württemberg.

Kavaliersdelikt Naturzerstörung?

Mit der Bezeichnung "Kavaliersdelikt" treffe man den Umgang mit Naturzerstörungen leider genau ins Schwarze, sagt BUND-Naturschutzreferentin Stelzner. "Immer wieder erleben wir in Baden-Württemberg, dass die Polizei selbst bei offensichtlichen Eingriffen in Naturschutzgebiete zu vermitteln versucht und Naturschützer:innen um Nachsicht bittet, anstatt vorhandene Möglichkeiten zur Strafe zu nutzen", so Stelzner. Mit strafbarem Verhalten im Straßenverkehr werde anders umgegangen als in der Natur.

Der Wert der Natur wird zu häufig nicht gesehen. Ganz anders ist zum Beispiel der Umgang mit Strafen im Straßenverkehr.

So sei der Umgang mit Naturzerstörungen laut BUND von Ort zu Ort unterschiedlich. "Es kommt wie so oft auf den Einzelfall an", so Stelzner. Auch der Naturschutzbund (NABU) stellt fest: "Zum Teil gibt es ein Kontroll- und Vollzugsdefizit." Die Gesetze seien zwar da, es gebe aber kein Personal, das auch "fachlich versiert ist und Zeit zur Kontrolle hat", so eine Sprecherin des NABU-Landesverbands Baden-Württemberg. Deshalb liefen Gesetze häufig ins Leere. "Die allermeisten Ordnungswidrigkeiten werden aufgrund mangelnder Kontrolle gar nicht oder zu spät bemerkt", sagt auch BUND-Naturschutzreferentin Stelzner.

Auf Nachfrage teilte das Bundesamt für Naturschutz mit: "Die zuständigen Behörden treffen nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen, um deren Einhaltung sicherzustellen."

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Hohe Strafen, aber keiner kontrolliert den Naturschutz?

Ob Fälle von Naturzerstörung entdeckt und geahndet werden, ist laut Naturschützerinnen und Naturschützern also häufig vom Zufall abhängig. Etwa wenn jemand im Nachbargarten einen Fall beobachtet und meldet, Vergehen wegen ihres Ausmaßes Schlagzeilen machen oder zuständige Behörden mittels Stichprobenkontrollen fündig werden.

Deutlich werde das auch auf kommunaler Ebene, wenn städtische Verbote wie zum Beispiel eine Leinenpflicht für Hunde zur Brutzeit von Vögeln gelten. Diese würden jedoch nur eingehalten, wenn sie von Behörden auch kontrolliert werden. Dabei sind sich Expertinnen und Experten einig, was die Bedeutung von funktionierendem Naturschutz für die Artenvielfalt angeht. Er bewahrt im besten Fall Lebensräume von Tieren und erhält die Biodiversität, die für die Leistungsfähigkeit der Ökosysteme sorgt. Auf diese wiederum sind auch wir Menschen angewiesen.

"Je höher die Strafe, desto größer die Abschreckung", betont Lilith Stelzner vom BUND. Doch hohe Strafen allein seien nicht die Lösung: "Naturzerstörung sollte idealerweise präventiv durch Bildung, Sensibilisierung und Beratung verhindert werden." Umwelt- und Naturschutzverbände legten deshalb großen Wert darauf, Verständnis für den Artenschutz zu schaffen. Das sei effektiver als das Androhen einer möglicherweise hohen Geldstrafe.

Was im März im Garten beim Schnitt erlaubt ist

Wenn man in der Zeit von März bis Ende September seine Hecken, Sträucher und Bäume im Garten leicht bearbeiten möchte, sollte man laut Experten in jedem Fall genügend Abstand beispielsweise zu Vogelnestern berücksichtigen. Es kann aber durchaus auch für das Wachstum von Bäumen oder Hecken sinnvoll sein, einzelne Triebe zurückzuschneiden, damit beispielsweise Sommerpflanzen dicht nachwachsen.

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Naturschutz-Verstöße können gemeldet werden

Der BUND rät im Fall eines Vergehens, das man eventuell bei der Nachbarin oder beim Nachbarn oder im Wald bemerkt, zunächst die Person freundlich darauf hinzuweisen und zu erklären, warum es strafbar ist. Wenn man nicht in die direkte Konfrontation gehen möchte oder die Person keine Einsicht zeigt, kann man eine Umweltschadensmeldung bei der zuständigen Behörde erwägen. Dabei ist es laut Naturschützerinnen und -schützern unerheblich, ob man diese bei der Polizei oder der Naturschutzbehörde beziehungsweise der Gemeindeverwaltung abgibt. Das Umweltministerium Baden-Württemberg gibt außerdem die Smartphone-App "Meine Umwelt" heraus, über die Verstöße gemeldet werden können.

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