Ein Kopf wie ein Pferd? Ein Körper wie ein Gorilla? So ein Tier gab es tatsächlich: das Krallentier. Tübinger Paläontologen haben Funde aus dem Grabungsort "Hammerschmiede" untersucht und festgestellt: Im Allgäu lebten zwei verschiedene Gruppen dieser Tiere in derselben Region.
Forscher der Uni Tübingen: So sahen Krallentiere aus
Kein Tier von heute sieht so aus wie Krallentiere, die vor 11,5 Millionen Jahren lebten. Sie hatten einen massigen Körper und einen pferdeähnlichen Kopf, schreibt die Universität Tübingen in einer Mitteilung. Ihre Arme waren wohl viel länger als ihre Beine. Statt Hufen hatten sie große Krallen. Verwandt seien sie mit heutigen Nashörnern, Pferden und Tapiren.
Im Allgäu lebten zwei verschiedene Krallentier-Gruppen
Bei Ausgrabungen in der Fundstelle "Hammerschmiede" in der Nähe von Kaufbeuren in Bayern fanden Forscher aus Tübingen unter anderem fossile Zähne, Fingerknochen und eine Kniescheibe der Krallentiere. Bei der Untersuchung dieser Funde fiel ihnen jetzt auf: Hier lebten zwei verschiedene Gruppen dieser Art, die sich wahrscheinlich nur selten in die Quere kamen.
Die Tiere der einen Gruppe namens Chalicotheriinae Anisodon waren Pflanzenfresser und haben mit ihren Krallen vermutlich Blätter und Äste von den Bäumen geholt. Wahrscheinlich sind sie auf allen Händen und Füßen gelaufen, ähnlich wie Menschenaffen. Sie haben eher dichte Wälder bevorzugt, wie es im Fachartikel der Forscher heißt.
Die anderen Tiere, die zur Gruppe der Schizotheriinae gehören, waren deutlich bessere Läufer und lebten wohl im offenen Gelände. Diese Tiere waren vermutlich nicht besonders schnell unterwegs, sagt die Tübinger Paläontologin, Professorin Madelaine Böhme: "Sie können die Tiere heute mit Tapiren vergleichen. Der Gang war eher gemächlich."
Lebten die Krallentier-Gruppen zeitgleich im Allgäu?
Beide Gruppen lebten in derselben Region, das steht laut den Forschern fest. Aber: Man habe sie in unterschiedlichen Fundschichten entdeckt. Ob sie also tatsächlich zur gleichen Zeit lebten, kann man nicht mit Sicherheit sagen, so Professorin Böhme: "Vielleicht haben wir sie einfach noch nicht gemeinsam gefunden."
Eine Nachbildung des Krallentiers steht im Naturhistorischen Museum Mainz:
Grabungen unter Beteiligung von Bürgern
Schon seit 2011 graben Paläontologen der Universität Tübingen in der Fundstelle "Hammerschmiede". Über 150 verschiedene Arten ausgestorbener Wirbeltiere hat man dort laut der Uni schon geborgen - zum Beispiel Säugetiere wie Hasen, Nashörner, Walpferde, Schweine, Säbelzahnkatzen und Pandas. Außerdem wurde dort eine neue Menschenaffenart entdeckt. Bei den Funden handele es sich vor allem um Knochen und Zähne. Teilweise finde man aber auch Skelette.
Seit 2017 unterstützen Studierende und andere Interessierte die Grabungen in der Hammerschmiede - unter wissenschaftlicher Anleitung. Mitmachen kann jeder und jede. Die Freiwilligen sind zwischen 8 und 80 Jahre alt. Während so einer "Bürgergrabung" habe man auch die Überreste der Krallentiere gefunden, sagte Madelaine Böhme dem SWR.