Auf einer kleinen Hochebene in Ammerbuch (Kreis Tübingen) werden immer mehr Überbleibsel aus der Jungsteinzeit gefunden. Schon seit 2017 läuft dort eine Grabung des Landesamts für Denkmalpflege und der Universität. Möglich ist die lange Suche nur, weil sich viele freiwillige Helfer für die Grabung gemeldet haben. Im Herbst werden die schönsten Funde im Tübinger Schloss der Öffentlichkeit präsentiert.
Vor 5.000 Jahren bis ins Mittelalter
Sie hatten denselben Blick hinein ins Gäu und rüber zur Schwäbischen Alb. Sie bauten dort – wie wir heute – Getreide an, sie hatten Familien und Tiere. Und dennoch war das Leben der Menschen in der Jungsteinzeit, also vor tausenden Jahren, völlig anders. Doch durch die Grabung erfährt man immer mehr darüber.
Seit 2017 buddeln, schaufeln und sieben sie dort im Ammerbucher Ortsteil Reusten, ganz in der Nähe des Sportplatzes und inmitten von Getreidefeldern. Grabungsleiterin Lea Valcov erzählt von den Erfolgen: zwei Bestattungen, menschliche Überreste, Gefäße, Getreidekörner, Samen. Auf einen Zeitraum zwischen 5.000 Jahren vor Christus bis ins Mittelalter lassen sich die Funde datieren, erzählt sie.
Es hat den Menschen auf der Anhöhe also sehr lange gut gefallen, oder besser: dort konnten sie gut (über-)leben. Mark Heise vom Landesamt für Denkmalpflege verweist auf die Vorteile die guten, fruchtbaren Lössböden und das Wasservorkommen. Zwei gute Gründe für die Siedler, sich niederzulassen.
Goldener Ring lag unter der Ackerkrume
Das Grabungsfeld in Reusten ist etwa 20 mal 60 Meter groß. darauf sieht man mehrere kleine Gruben und größere Flächen, die mit Planen bedeckt sind. Für die Grabung wurde es höchste Zeit, erklärt Lea Valcov. Weil die Flächen seit langem landwirtschaftlich genutzt werden, drohten die Überreste kaputt zu gehen, denn ein Pflug kann tief in die Erde eindringen und Schaden anrichten. Ein kleiner goldener Ring zum Beispiel lag grade mal ein paar Zentimeter unter der Ackerkrume, erzählt Marc Heise. Er stammt aus dem Grab einer jungen Frau. Der Ring gilt inzwischen als der älteste Goldfund in Südwestdeutschland.
Ausstellung ab September in Tübingen
Nach dem Gold wird dann auch die Ausstellung benannt, für die momentan, parallel zu den noch laufenden Grabungen, schon viel vorbereitet wird. Jörg Bofinger vom Landesamt für Denkmalpflege sagte dem SWR, die Sonderausstellung beginne im September im Universitätsmuseum auf Schloss Hohentübingen. Sie heißt "Gold im Ammertal - das Ende der Steinzeit im Raum Tübingen" und will die Grabungsstelle und was man dort gefunden hat, umfassend vorstellen.
Ehrenamtliche helfen
Ohne ehrenamtliche Hilfe wäre das alles gar nicht möglich. Mehr noch: Die Grabung wurde von vornherein als Ehrenamtsprojekt angelegt. Rotraut Hampele sitzt auf dem staubigen Boden, trägt schwere Sicherheitsschuhe, schaufelt und schwitzt. Abends, erzählt sie, schmerze der Rücken und müde sei sie auch. Trotzdem fährt sie immer wieder tageweise von Heidelberg hierher nach Ammerbuch, weil sie, frisch im Ruhestand, solche Grabungen interessant findet. Auch ihr Kollege Joachim kommt von weiter her, aus Kirchheim. Auch er spürt abends, was er geschafft hat. Doch ein Lachen verrät: Die Mühe macht ihm gar nichts aus. Im Gegenteil, er ist froh, hier zu sein.
Am Morgen hat Joachim schon die Reste eines kleinen Steinbeils gefunden. In einer Grube, die den Steinzeitmenschen offenbar als eine Art Abfallgrube gedient hat. Jetzt ist die Beilspitze verpackt und liegt in einer Kiste. Rotraut Hampele siebt derweil Erde. Eimerweise hebt sie das Material aus und schüttelt es durch ein Sieb. Vielleicht wird so ein kleines Fundstück sichtbar, wenn der reine Dreck nämlich nach unten fällt. Bisher hat sie noch nichts Spektakuläres gefunden. Das dürfe man auch nicht erwarten, weiß sie.
Viele Bewerbungen bei der Gesellschaft für Archäologie
Dennoch haben sich über die Gesellschaft für Archäologie Württemberg knapp 90 Privatpersonen für diese ehrenamtliche Tätigkeit beworben. Das Landesamt für Denkmalpflege ist froh darüber, denn länger angesetzte Grabungen wären sonst gar nicht finanzierbar. Und, betont Jörg Bofinger, die Freiwilligen lernen jedes Mal dazu. Bis sie schließlich nicht nur schaufeln und sieben dürfen, sondern auch mal selbstständig eine kleine Notgrabung vornehmen können. Ammerbuch ist also eine Art Trainingslager für spätere Einsätze, so Bofinger. Rotraut und Joachim sind schon mal startklar.