Wegen Rechtslücke für Autofahrer günstiger

Tübingen: Nur McDrive-Kunden zahlen keine Verpackungssteuer

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Autor/in
Gerd Hagge
Gerd Hagge ist Reporter für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen

Der Fast-Food-Konzern McDonald's scheitert mit seiner Klage gegen die Stadt Tübingen und führt die Verpackungssteuer ein. Kurios: Nur Autofahrer im McDrive bleiben verschont.

Noch im Januar bezeichnete Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) in einem SWR-Interview den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, wonach Tübingen eine Verpackungssteuer verlangen darf, als einen Sieg für den Umweltschutz, für kommunale Selbstverwaltung und für Sauberkeit in der Stadt. Nun wird bekannt: Eine Rechtslücke gibt McDrive-Kunden bei McDonald's einen Freifahrtschein zur Mitnahme von Cola, Burgern und Pommes - und zwar ohne dass die Verpackungssteuer fällig wird.

Dass gerade Autofahrerinnen und Autofahrer mit laufendem Motor in der McDrive-Schlange nun davon profitieren, will Oberbürgermeister Palmer aber möglicherweise mittelfristig verhindern. Man habe das zunächst ausgeklammert, um den Erfolg im Rechtsstreit nicht zu verhindern, sagte Palmer auf SWR-Nachfrage am Wochenende.

Verpackungssteuer: Fast-Food-Kette McDonald's unterliegt erneut vor Gericht

McDonald's hat gerade erst damit angefangen, die Verpackungssteuer an seine Kundinnen und Kunden weiterzugeben. Mitte Januar hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Tübinger Verpackungssteuer gebilligt. Das Gericht wies damit die Beschwerde eines Tübinger McDonald's-Restaurants zurück. Die erhobene Abgabe auf Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck für Mitnahme-Lebensmittel sei als "örtliche Verbrauchsteuer" zulässig.

Die Verpackungssteuer wird in Tübingen seit Anfang 2022 auf Einwegverpackungen für Lebensmittel zum Mitnehmen erhoben - also etwa auf Kaffeebecher, Pommesschalen oder Plastikbesteck. Jetzt also auch vom Fast Food-Restaurant an der B28.

Verpackungssteuer bei McDonald's: War es das mit dem "Spar"-Menü?

Zunächst hatte McDonald's seinen Kundinnen und Kunden in Tübingen die zusätzliche Abgabe erlassen und es der Stadt aus eigenen Taschen bezahlt. Dies sei laut Konzern aus "wirtschaftlichen Gründen" jetzt aber nicht mehr möglich. Auch Fans des Fast-Food-Riesen müssen also seit Kurzem in Tübingen auf ihr Sparmenü zum Mitnehmen Verpackungssteuer zahlen. Und da es keine Pauschale auf das ganze Menü gibt, kann das richtig ins Geld gehen.

So kostet beispielsweise aktuell das günstige "McSmart-Menü" 4,99 Euro. Auf den Burger und die Pommes kommen dann jeweils 54 Cent dazu und für den Einwegbecher 60 Cent. Alleine für das Sparmenü zahlt man dann bereits 1,68 Euro Verpackungssteuer, inklusive Mehrwertsteuer.

Warum nutzt McDonald's nicht mehr Mehrweg?

Auf SWR-Anfrage bedauerte der Konzern, dass mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in wirtschaftlich fragilen Zeiten weitere Planungsunsicherheit in der gesamten Gastronomie-Branche verursacht werde. Zwar bemühe sich das Unternehmen mit einem firmenübergreifenden Konzept stetig um mehr Nachhaltigkeit, "Insellösungen" wie die Verpackungssteuer in Tübingen seien für landesweite Unternehmen allerdings nicht umsetzbar. Warum dann also nicht, wie in Tübingen durchaus üblich, noch mehr Mehrweg-Systeme?

Zur Begründung nennt die Pressestelle des Unternehmens die fehlende Nachfrage nach Alternativen in ganz Deutschland. Kunden können wohl schon länger auch in Tübingen Mehrweglösungen für Getränke und Eis auf Nachfrage bekommen, aber kaum jemand wolle sie. Ob sich der Konzern hier mit Nachdruck für Verpackungsalternativen engagiert oder sich doch eher an der direkten Gesetzeslage (§33 VerpackV) orientiert, die im übrigen Gastronomen dazu verpflichtet, Alternativen zu Einwegverpackungen anzubieten, bleibt offen.

Wie es geht, zeigt Frankreich: Dort setzt man bei McDonalds schon lange auf Mehrweg-Lösungen. Das französische "Gesetz zur Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung und für eine Kreislaufwirtschaft" verbietet Einweggeschirr bei Restaurants und Fast Food-Läden komplett, die dortigen Designer-Verpackungen kommen bei den Menschen richtig gut an. Sogar der französische Präsident Emmanuel Macron warb 2023 auf "X" (ehemals Twitter) für mehr Mehrweg und teilte ein Bild mit den wiederverwendbaren McDonald's-Verpackungen aus Hartplastik. Zwar arbeite man in Deutschland auch an der Entwicklung neuer Optionen, doch warum das französische Konzept nicht auch etwas für Deutschland wäre, bleibt unbegründet.

Grauzone McDrive: Wieso hier keine Verpackungssteuer fällig wird

Und so bleibt den Kundinnen und Kunden nichts anderes übrig, als die Verpackungssteuer zu bezahlen oder vor Ort im Restaurant zu essen. Oder aber man fährt in den McDrive und spart sich die Verpackungssteuer, dank einer Rechtslücke. Denn laut der Stadt Tübingen sind bei der Auslegung für die Verpackungssteuer alle mitgenommenen Speisen gemeint, die "sofort und an Ort und Stelle verzehrt" werden. Fahren Kundinnen und Kunden aber mit ihrem Auto in den McDrive, ist naheliegend, dass sie die Speisen auch außerhalb der Stadt zu sich nehmen könnten. Zum Beispiel in Reutlingen, wo die Steuer nicht gilt. Um rechtlich nicht angreifbar zu sein, hat sich die Stadt dazu entschieden, hier zunächst eine Ausnahme zu machen.

Denn was laut Oberbürgermeister Palmer erschwerend bei der Gesetzesauslegung hinzukommt: Anders als in Konstanz, wo die Verpackungssteuer nach Tübinger Vorbild eingeführt wurde, liegt das McDonald's-Restaurant in Tübingen direkt am Ortsausgang. Die Stadt prüfe jetzt die Rechtslage. Bis dahin wird die Autoschlange vor dem McDrive-Schalter wohl nicht kürzer werden.

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