Wegen Abstimmung mit AfD zu Migrationspolitik

Rottenburger CDU-Oberbürgermeister zweifelt an Kanzlerfähigkeit von Merz

Stand
Autor/in
Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik
Onlinefassung
Ingemar Koerner
Ingemar Koerner ist Reporter für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen.

Friedrich Merz (CDU) will der nächste Kanzler werden. Der Oberbürgermeister von Rottenburg am Neckar, Stephan Neher (CDU), bezweifelt aber, dass Merz der richtige ist.

Der Oberbürgermeister von Rottenburg am Neckar (Kreis Tübingen), Stephan Neher (CDU), hat Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz in der Debatte um den Migrationskurs heftig kritisiert. "Es ist schon an seiner Fähigkeit als Kanzler zu zweifeln", sagte Neher dem Südwestrundfunk (SWR) am Freitag. "Das ist nicht mehr die CDU, die ich kannte unter Helmut Kohl und Angela Merkel."

OB: Merz macht AfD salonfähig

Wer Bundeskanzler werden wolle, der müsse verlässlich sein und könne nicht einfach Grundsätze über Bord werfen. Mitte November habe Merz im Bundestag versprochen, keine gemeinsame Sache mit der AfD machen zu wollen. "Gut zwei Monate später erinnert er sich nicht mehr daran", kritisierte Neher. "Merz hat damit die Extremen salonfähig gemacht und sie in die Mitte geholt."

Neher traut Merz sogar CDU-AfD-Koalition zu

Neher traut dem CDU-Chef sogar zu, nach einem Wahlsieg eine Koalition mit der AfD einzugehen. "Das halte ich auch für möglich", erklärte der OB. "Das ist eine Gefahr für unseren Staat." Merz versicherte mehrfach, es werde keine Zusammenarbeit oder Koalition mit der AfD geben.

Neher meint, der Kanzlerkandidat habe nicht mehr das Land und die Menschen im Blick. Stattdessen sehe er nur noch seine eigene Karriere. "Mit allen Mitteln muss er Kanzler werden." Das sei immer eine "schlechte Antriebsfeder."

CDU-Mann ist Merkel "sehr dankbar" für ihre Kritik

Der Rottenburger Rathauschef sagte weiter, er sei Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) "sehr dankbar", dass sie die Stimme gegen Merz erhoben habe. "Der Bogen ist überspannt." Was Merz in der Asylpolitik vorschlage, widerspreche Europarecht und ziele auf eine "Totalabschottung" Deutschlands.

Merkel kritisierte das Vorgehen der Union. Die hatte ihren Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik mit Stimmen der AfD durchgesetzt. Am Mittwoch hatte der Bundestag einen von Merz vorgelegten Fünf-Punkte-Plan für eine schärfere Migrationspolitik knapp mit Stimmen von CDU/CSU, AfD, FDP und fraktionslosen Abgeordneten beschlossen. Erstmals beschaffte die AfD dabei im Bundestag eine Mehrheit.

Neher wirft Merz "Parteitaktik" vor

Er könne nicht verstehen, warum Merz mit SPD und Grünen keinen Kompromiss gefunden hat. "Wenn es um die Sache gegangen wäre statt um Parteitaktik, dann hätte man eine Mehrheit gefunden", sagte Neher. Es sei aber klar, dass SPD und Grüne nicht zustimmen könnten, wenn die Union die Abweisung aller Asylsuchenden fordere. Richtig wäre gewesen, sich auf die Abschiebung von Gefährdern und Straftätern zu konzentrieren.

Austritt aus CDU nicht mehr ausgeschlossen

Neher schließt für sich einen Austritt aus der CDU nicht mehr aus. "Wenn der Bogen noch mehrmals überspannt wird, wird es schwierig, dass ich noch bleiben kann." Der 51-jährige Christdemokrat ist seit 2008 OB der Stadt Rottenburg am Neckar mit ihren 44.000 Einwohnern. Seine Stadt nahm während der Migrationskrise 2015/2016 besonders viele Geflüchtete auf. Neher hatte Merkels Kurs immer unterstützt.

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