Lucille Malafosse sucht eine neue Gynäkologin. Die Liste der Frauenärzte in Tübingen und Umgebung, die ihr das Handy ausspuckt, ist lang. Geduldig wählt die Mutter zweier Kinder ein paar Nummern. Doch in vielen Praxen ist das Telefon dauerbelegt oder der Anrufbeantworter geht dran. Einen Termin auszumachen, ist schwierig.
Schließlich hat die Tübingerin Glück. Eine Arzthelferin nimmt ab, doch die muss Lucille Malafosse gleich wieder enttäuschen: "Aufnahmestopp". Neue Patienten und Patientinnen werden gebeten, es bei anderen Praxen zu versuchen. "Sie müssen sich durchtelefonieren."
Suche nach Gynäkologin in Tübingen erfordert Geduld
Die Tübingerin braucht eine neue Frauenärztin, weil ihre in Reutlingen vergangenes Jahr in den Ruhestand ging. Da es keine Nachfolgerin oder Nachfolger gibt, müssen die Frauen nun schauen, wo sie unterkommen. Kein Einzelfall: So wie Malafosse geht es vielen.
Auch andere Fachärzte haben volle Praxen
Gesucht werden nicht nur Gynäkologen. Es trifft so gut wie alle Fachärzte. Die Situation ist teils dramatisch, sagt der Tübinger Lungenfacharzt Martin Langer. Die Patienten hätten es nicht leicht. Denn er ist im Kreis Tübingen der einzige Lungenarzt. Und die Nachbarkreise, der Zollernalbkreis und der Kreis Freudenstadt, muss Langer mitversorgen, weil es dort überhaupt keinen Spezialisten für Lungenerkrankungen gibt.
Dabei gehört Freudenstadt gar nicht zu seinem Zulassungsgebiet. Mehr Patienten aufnehmen ist aber schwierig, denn Praxen sind budgetiert. Die Budgetierung regelt, wie viel ein Arzt behandeln darf und welche Leistungen er dafür abrechnen kann.
Die langen Wartezeiten für Termine bei Fachäztinnen und Fachärzten können aber auch verkürzt werden. Dafür haben wir auf Instagram drei Möglichkeiten zusammengefasst, wie es schneller mit Terminen klappen kann:
Langer dürfte zwar mehr Patienten aufnehmen, bekäme aber nicht die volle Leistung bezahlt. Er und auch andere Kollegen und Kolleginnen würden trotzdem mehr arbeiten und die Abzüge in Kauf nehmen. Das gehe aber auch nur bis zu einem gewissen Punkt, so der Tübinger Lungenarzt.
Mehr Geld für Gesundheitsversorgung nötig
Dass die Lage angespannt ist, liegt also auch am Geld. Die Krankenkassen stellen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) aufgrund gesetzlicher Regelungen eine begrenzte Summe zur Verfügung, mit denen ärztliche Leistungen bezahlt werden müssen.
Karsten Braun, Vorstand der KV Baden-Württemberg, fordert eine Reform des Honorarsystems. Aber auch die Bedarfsplanung, die regelt, wie viele Ärzte es in einer Region gibt, sei in die Jahre gekommen und müsse geändert werden, so Braun. "Zum einen brauchen wir mehr Facharztsitze in vielen Fachdisziplinen, zum Beispiel für kinderärztliche Versorgung. Das bringt aber natürlich mit sich, dass man auch die Geldmittel bereitstellen muss, um dieses Mehr an Ärzten zu bezahlen."
Fachärzte fordern: Weg mit den starren Regelungen
Mediziner und Medizinerinnen fordern von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die Budgetierung aufzuheben. Insgesamt sei das System veraltet und viele Regelungen seien zu starr, meint Lungenarzt Martin Langer aus Tübingen und nennt ein Beispiel:
"Bei den internistischen Fachärzten werden alle in einen Topf geschmissen. Das heißt, es kann in einem Kreis zum Beispiel keinen Rheumatologen geben, aber fünf Gastroenterologen und andere Ärzte. Und dann sind genug Fachärzte da, obwohl es keinen einzigen Rheumatologen gibt." Das sei völlig überholt, vorsintflutlich und ein großes Hindernis.
Der SWR hat am 15. März über Hausärzte berichtet, die über die Budgetierung klagen:
Kassenärztliche Vereinigung kürzt Honorare Mehr Patienten, weniger Geld: Mediziner in BW sehen Versorgung gefährdet
Es fehlen nicht nur viele Hausärzte in BW - sie bekommen neuerdings auch weniger Geld pro Patient. Mediziner sehen die Versorgung gefährdet und fordern eine Reform.
Termin bei der Frauenärztin in vier Monaten
Zurück zu Lucille Malafosse. Die zweifache Mutter hat viele Telefonnummern gewählt und hing in einigen Warteschleifen. Schließlich bekommt sie in einer Frauenarztpraxis außerhalb von Tübingen einen Termin. Allerdings erst im Juli. Die 25 Minuten Autofahrt nimmt sie in Kauf.