Den überraschenden Sturz von Syriens Machthaber Baschar al-Assad feiern Syrerinnen und Syrer auch in Tübingen. Freude und Erleichterung sind groß. Viele wünschen sich, in ihr Heimatland zurückzukehren. Gleichzeitig wächst die Sorge über die Zukunft ihres Landes. Wie es weitergeht, ist noch unklar.
Oula Mahfouz ist mit ihren fünf Kindern vor zehn Jahren aus Syrien geflohen. Seit 2018 leben sie in Tübingen. Am Sonntag nach der Machtübernahme haben sie in Stuttgart gefeiert. Trotz ihrer Sorgen, wie es in Syrien weitergeht, ist Oula Mahfouz optimistisch.
Die Arabisch-Lehrerin arbeitet für das Online Magazin "tünews INTERNATIONAL". Die meisten Mitarbeitenden haben Migrationshintergrund. Neben Syrern arbeiten auch einige Ukrainerinnen für das Portal. Sie wollen mit ihrer Berichterstattung Menschen aus verschiedenen Kulturen erreichen und ihnen sachliche Informationen geben. Dieses Mal geht es in der Redaktionssitzung um Möglichkeiten einer Rückkehr nach Syrien. Eine Rückkehrberaterin klärt über die Bedingungen auf.
Hohes Risiko: Altes Leben aufgeben und Neuanfang in Syrien
Die Rückkehrberatung vom Landratsamt Tübingen richtet sich an geflüchtete Menschen, die freiwillig in ihr Herkunftsland zurückgehen möchten. Seit der Machtübernahme in Syrien haben sich drei alleinstehende Männer bei der Beratungsstelle gemeldet. Sie wollen zurückkehren. Die Beraterin warnt allerdings vor einer überstürzten Entscheidung.
Zurückgehen ist nicht leicht, sagt die Beraterin. Hohe Kosten, bürokratischer Aufwand und ein möglicher Kulturschock erwartet die Heimkehrer. Das neu aufgebaute Leben in Deutschland müsste aufgegeben werden, und das für einen Neustart in einem Land, in dem alles kaputt gemacht wurde.
"Wer dringend gehen will, kann das ab Januar mit unseren Förderprogrammen tun, aber ich finde, wir sollten uns Zeit lassen und abwarten, bis wir mehr über Stabilität und Sicherheit wissen", so die Rückkehrberaterin. Die Förderungen gibt es nur für Syrerinnen und Syrer ohne deutschen Pass. Über die Bedingungen einer Rückkehr möchte "tünews INTERNATIONAL" berichten.
Im stabilen Umfeld bleiben oder Syrien aufbauen?
Die syrischen Redakteure von tünews haben gemischte Gefühle, was die Rückkehr betrifft. Sie sind alle gut intergriert: sprechen gutes Deutsch, haben einen Job, ihre Kinder gehen hier zur Schule und haben Freunde.
Trotzdem denkt Youssef Kanjou darüber nach, nach Syrien zu gehen. Er ist Archäologe und weiß, dass seine Erfahrung und sein Wissen beim Aufbau von Syrien helfen können. Reem, eine weitere Mitarbeiterin, ist hin- und hergerissen. Sie würde von Herzen gerne zurück in ihre Heimat, hat aber ein kleines Kind und möchte verantwortungsvoll handeln.
Roula Al Sagheer studiert in Tübingen. Die 22-Jährige hat zwei Bücher geschrieben, die das Thema Flucht behandeln. Sie ist dankbar für alles, was Deutschland ihr ermöglicht hat, aber fühlt sich auch verantwortlich für ihre erste Heimat Syrien. Nach ihrem Studienabschluss will sie helfen, das Land wiederaufzubauen.
Schwester in Syrien wünscht sich Rückkehr
Oula Mahfouz telefoniert oft mit ihrer Schwester. Sie ist in Syriens Hauptstadt Damaskus geblieben und wünscht sich, dass ihre Familie in Deutschland wieder zurückkommt. Sie schwärmt davon, dass das Essen günstiger geworden ist und man keine Angst mehr vor Assad haben muss. Oula Mahfouz vermisst ihre Schwester sehr, aber ihre Kinder gehen hier zur Schule. Zurückkehren ist für sie vorerst keine Option.