Polizeibeamte hatten vor knapp zwei Wochen einen Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Ulrich (Zollernalbkreis) unterbrochen, weil der Priester eine Anwohnerin zugeparkt hatte, die auf seinem Parkplatz stand. Während der Predigt liefen die Beamten bis zum Altar. Seitdem ist der Ort in den Schlagzeilen.
"Das war ein Aufruhr, als die reinmarschiert sind", sagt Roswitha Nauthe. Die 83-jährige Katholikin hat einen Stammplatz ganz hinten in der Kirche. Jeden Morgen schließt sie die Kirche auf und abends wieder zu. Niemand habe begriffen, was vor sich geht. Verständnis für die Störung hat sie nicht. Die Beamten hätten hinten herum in die Sakristei gehen können, um dort mit dem Mesmer zu sprechen, sagt sie.
So haben Kirchgänger und Anwohner den Gottesdienst erlebt:
Viele Kirchgänger in Thanheim fühlten sich gestört
Auch Marie Holder, Leiterin des Kirchenchors, hat sich gestört gefühlt. "Wir waren zutiefst irritiert, ein Raunen ging durch die Kirche", sagt sie. Ihr Chor hatte sich lange auf den wichtigen Feiertag vorbereitet. Ihre erste Assoziation: Der Pfarrer muss etwas Schlimmes getan haben. Der aber schien ganz entspannt und winkte mit dem Schlüsselbund, so Holder. Kurz darauf fuhr ein Kirchengänger das Auto weg.
Für viele Menschen sei der Gottesdienst ein wichtiges Event gewesen, auf das sie sich gefreut hatten, sagt Marie Holder. Die bewaffneten Beamten hätten viele als totale Störung empfunden. "Wir haben dann noch gesungen, aber die Stimmung war schräg."
Schon länger Ärger um Parkplatz von Pfarrer
Mehrere Anwohner aus Bisingen-Thanheim erzählen dem SWR, dass es schon länger Ärger um den Parkplatz des Pfarrers gegeben habe. Dieser sei extra für ihn reserviert, werde jedoch häufig von jemand anderem benutzt.
Am Ende des Gottesdienstes habe der Pfarrer eine Mail vorgelesen, in der er die Gemeinde bereits auf die schwierige Parksituation aufmerksam gemacht hatte. Um die Situation zu verbessern, soll jetzt das selbstgebastelte Parkschild durch ein amtliches ersetzt werden.
Kirchenrechtler: "Eingriff in die Religionsfreiheit"
Christian Hillgruber ist Professor für Kirchenrecht an der Universität Bonn. Er sieht in der Störung des Gottesdienstes einen Eingriff in die Religionsfreiheit. Das Einschreiten der Polizei wäre nur dann in Ordnung gewesen, wenn in der Situation die Grundrechte anderer Personen noch wichtiger gewesen wären, zum Beispiel die Berufsfreiheit. Das sei hier aber nicht so gewesen. Auch wenn die Frau zur Arbeit wollte: Die Berufsfreiheit garantiert nämlich nicht, dass das mit dem Auto gehen muss.
Die Maßnahme der Polizei in der Kirche hält der Experte für unverhältnismäßig: "Die Ermittlung des Falschparkers war mit einer Störung der Religionsausübung verbunden, die nicht nur den Priester, sondern auch die Gläubigen betraf." Deshalb hätte die Polizei das Auto auf einen anderen Parkplatz schleppen oder der Anwohnerin sagen müssen, dass sie ein Taxi nehmen soll – ein milderes Mittel als die Störung des Gottesdienstes. Die Kosten für beides hätte im Nachhinein der Priester übernehmen müssen.
Verstoß gegen das Grundgesetz? Erzdiözese Freiburg kritisiert Polizeieinsatz bei Gottesdienst in Bisingen-Thanheim
Weil ein Pfarrer falsch geparkt hat, haben Beamte einen Gottesdienst unterbrochen. Die Erzdiözese Freiburg kritisiert den Einsatz. Rechtliche Schritte will sie aber nicht einleiten.
Thanheimer Bürger: Aufmerksamkeit zu groß
Mit strafrechtlichen Konsequenzen müssen die Beamten wohl nicht rechnen. Die Staatsanwaltschaft Hechingen habe keine Tatbestandsmerkmale für eine Störung der Religionsausübung (Paragraf 167 des Strafgesetzbuches) festgestellt, so das Reutlinger Polizeipräsidium.
Die Aufregung und der Medienrummel sind vielen Thanheimern mittlerweile zu groß. Der Fall hatte die Erzdiözese Freiburg auf den Plan gerufen, es gab sogar einen Runden Tisch zwischen Polizei und Kirche, der zu einer Aussprache geführt hat. Die Polizei bedauert den Einsatz.