Lotte Paepkes Erzählung "Ein kleiner Händler, der mein Vater war"

Aufführung zum Nationalsozialismus: das Los des Freiburger Juden Max Mayer

Stand
Autor/in
Christoph Ebner
Christoph Ebner, Studioleiter SWR Freiburg

Das Leben des Freiburgers Max Mayer ist ein Beispiel für die Verfolgung der Juden in Südbaden durch das NS-Regime. Nun wird seine Geschichte in einer szenischen Lesung dargestellt.

Die Freiburger Senioren-Theatergruppe "die methusalems" bringt die Erzählung "Ein kleiner Händler, der mein Vater war" von Lotte Paepke (1910-2000) im SWR Studio Freiburg auf die Bühne. Lotte Paepke hat als Autorin und Journalistin gearbeitet.

Sie schildert in ihrem erstmals 1972 erschienen Roman "Ein kleiner Händler, der mein Vater war" die Lebensgeschichte ihres Vaters Max Mayer (1873-1962). Der Lederhändler lebte mit seiner jüdischen Familie in der Freiburger Schusterstraße und engagierte sich in der Weimarer Republik als Sozialdemokrat im Stadtrat. Am 9. November 1938 wurde Max Mayer verhaftet und kam erst Wochen später wieder aus dem Konzentrationslager Dachau frei. In der Nacht vor Kriegsbeginn gelang Max Mayer mit seiner Frau Olga die Flucht in die USA.

Uraufführung im SWR Studio Freiburg

Dieses Buch von Lotte Paepke dient der Freiburger Senioren-Theatergruppe "die methusalems" als Vorlage für eine szenische Lesung, die sie in den vergangenen Monaten erarbeitet haben. Sie wird am 1. April 2025 erstmals im SWR Studio Freiburg aufgeführt. Die szenische Lesung zeichnet die Lebensgeschichte Mayers nach und setzt sich damit auseinander, dass sich die überlebenden Jüdinnen und Juden wie Fremdkörper gefühlt haben im befreiten Deutschland. Regie und Textfassung: Ullo von Peinen. 

Die Journalistin Mechthild Blum engagiert sich seit Jahren bei den "methusalems". Der SWR hat sich im Vorfeld der Veranstaltung mit ihr unterhalten: 

Mechthild Blum von der Freiburger Senioren-Theatergruppe "methusalems"
Mechthild Blum von der Freiburger Senioren-Theatergruppe "methusalems"

Interview mit Mechthild Blum

SWR Aktuell: Wie ist die Idee entstanden, das Buch "Ein kleiner Händler, der mein Vater war" von Lotte Paepcke für eine szenische Lesung zu nutzten?

Mechthild Blum: Sie entstand in meinem Kopf. Ich hatte die Lotte Paepcke-Biographie von Gisela Hack-Molitor rezensiert. Und während der Buchvorstellung im SWR tauchte diese Idee in mir auf.

Was ist für sie das Besondere an diesem Buch, das in der Nachkriegszeit entstanden ist und sich mit der Geschichte von Max Mayer auseinandersetzt, der vor den Nationalsozialisten flüchten musste?

Blum: Lotte Paepcke gelingt es literarisch, das Schicksal ihres Vaters zugleich als Gleichnis für die Schrecken der Verfolgung und Ermordung jüdischer Menschen durch die deutschen Nationalsozialisten mit einem nahezu poetischen Text zu erzählen. 

Die Autorin Lotte Paepcke hat gesagt, sie habe dieses Buch geschrieben, um gegen das Vergessen anzukämpfen. Welche Inhalte haben Sie besonders gefesselt oder beeindruckt? 

Blum: Mich berührt und bedrückt die Schilderung von Max Mayers Rückkehr nach Freiburg sehr stark. Wie dieser kleine, alte Mann, allein, nachdem seine Frau im Exil in New York gestorben war, die Straßen seiner „Heimatstadt“ durchstreift. Und hier auf alte Bekannte trifft, die ihre Haltung und ihr Verhalten in der Nazizeit vergessen zu haben scheinen.

Was unterschiedet eine szenische Lesung zu einer Lesung im Sinne einer Buchvorstellung?

Blum: Unsere szenische Lesung lässt immer wieder Stimmungen und Situationen der Erzählung durch spielerische Bewegungselemente auf der Bühne erlebbar werden. 

Die "methusalems" haben sich in ihren Proben sehr intensiv mit dem Buch beschäftigt und damit mit Max Mayer, einem angesehenen Freiburger Bürger, der als Jude von den Nationalsozialisten und ihrer großen Anhängerschaft in Freiburg verfolgt wurde. Was hat die Auseinandersetzung mit dieser Lebensgeschichte mit den "methusalems" als Theatergruppe gemacht? 

Blum: Der Philosoph Hans-Georg Gadamer meint: „Einen Text verstehen, heißt die Frage verstehen, auf die der Text eine Antwort ist.“ Für uns stellt Lotte Paepckes Roman die Frage:  Werden wir uns in Zukunft entschlossen für den Schutz unserer Demokratie einsetzen? Wir antworten darauf mit dem politischen: „Nie wieder ist jetzt.“.  Und diese Lesung ist ein Beitrag dazu.

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