Weitere Windräder geplant

Klimaneutral bis 2035 - kann Freiburg das schaffen?

Stand

Von Autor/in David Lochmann, Jan Lehmann

Deutschland soll bis 2045 klimaneutral sein, Baden-Württemberg bis 2040. Freiburg will das schon bis 2035 schaffen. Ein sehr ambitioniertes Ziel - zu ehrgeizig?

Am Donnerstagvormittag ist auf dem Roßkopf oberhalb von Freiburg erneut ein Betonturm eines alten Windrads gesprengt worden. Anstelle der bisherigen vier Windräder werden dort zwei neue gebaut, die mehr als das Doppelte an Strom produzieren. Und weitere Windräder sind bereits in Planung.

Allen Unkenrufen zum Trotz: Deutschland kommt beim Klimaschutz schneller voran als gedacht. Das liegt vor allem am zügigen Ausbau der Solar- und Windenergie. Sichtbar wird das dieser Tage zum Beispiel auf den Höhen rund um Freiburg, wo neue, leistungsfähigere Windräder gerade die erste Rotoren-Generation ablösen. Die Stadt Freiburg, selbst ernannte "Green City", will schon bis 2035 klimaneutral werden - fünf Jahre früher als Baden-Württemberg und zehn Jahre früher als Deutschland insgesamt.

Windkraft spielt wichtige Rolle bei der Klimaneutralität

Stehen die beiden neuen Räder auf dem Roßkopf, werden die dann insgesamt fünf Anlagen auf Freiburger Gemarkung laut Betreiber mindestens 45 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr produzieren. Das bedeutet Strom für etwa 15.000 Haushalte. Doch für die ehrgeizigen Klimaziele der Stadt reicht das bei Weitem noch nicht. Und dabei spielt die Windkraft eine wichtige Rolle.

Bis 2030 will Freiburg im Rahmen seiner Windkraft-Offensive bis zu dreimal so viel Energie aus Wind erzeugen, nämlich 140 GWh pro Jahr. Aber ist das überhaupt realistisch? Wo sind weitere Windräder geplant? Und kann es Freiburg schaffen, in wenigen Jahren klimaneutral zu sein? Ein Überblick.

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Am Freiburger Roßkopf sind drei weitere Windräder geplant

Die Stadt hält an ihren Klimazielen weiter fest. Südlich des Roßkopfgipfels seien drei weitere Windräder geplant, teilt die Stadtverwaltung mit, eines davon sei bereits genehmigt. Für die beiden anderen rechnet der Betreiber, die Freiburger Ökostromgruppe, noch in diesem Jahr mit einer Genehmigung. Zukünftig sollen sich also insgesamt fünf Räder am Roßkopf drehen. Als weitere Standorte nehmen Stadt und Ökostromgruppe das Schauinslandgebiet in den Blick. Am Prangenkopf etwa sehe man "sehr gute Realisierungschancen" für drei weitere Rotoren, "Zeithorizont frühestens 2027", heißt es aus der Stadtverwaltung.

Auch der Ochsenberg unterhalb des Schauinslandgipfels sei "ein sehr windhöffiger und vergleichsweise gut erschließbarer Standort". Schließlich ist die Stadt mit ihren südlichen Nachbargemeinden Wittnau, Au und Merzhausen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) in Gesprächen über einen möglichen Standort auf dem Illenberg. Eines der dort möglichen Windräder würde auf der Gemarkung Freiburg stehen und mit einer Jahresleistung von etwa zehn GWh dabei helfen, die Ausbauziele zu erreichen.

Ein Bagger steht vor einem Windrad im Wald. Neben dem Windrad liegen Trümmerteile eines Windrads.
Auf dem Schauinsland in Freiburg wurden zwei Windräder gesprengt und durch ein neues ersetzt, das mehr als doppelt so viel Energie produziert als die beiden alten.

Stadt will zehn Prozent ihres Strombedarfs mit Windenergie decken

Geht man von mindestens sieben zusätzlichen Windrädern aus, könnte es tatsächlich klappen mit dem anvisierten Ausbauziel in Freiburg. Nach Angaben der Ökostromgruppe würden die zusätzlichen Windkraftanlagen die Jahresproduktion auf 145 GWh erhöhen. Und dass dies bereits bis 2030 klappt, halten die Windradbauer sogar für "sehr realistisch (...), denn wir befinden uns bereits mitten in der Umsetzung". In diesem Fall würde Freiburg nach Rechnung der Stadt dann zehn Prozent seines gesamten Strombedarfs aus lokal erzeugter Windkraft decken. 20 Prozent sollen bis 2030 aus Solarenergie kommen, so der Plan.

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Wie weit ist Freiburg auf dem Weg zur Klimaneutralität 2035?

Alle zwei Jahre lässt die Stadt eine Klimaschutzbilanz erstellen. Die jüngste wurde im Herbst 2024 vorgestellt, sie bezieht sich aber auf den Stand von 2022. Danach hat es die Stadt im Vergleich zu 1992 geschafft, die CO2-Emissionen pro Kopf insgesamt um knapp 43 Prozent zu senken. Um die Emissionen aber, wie geplant, bis 2030 um 60 Prozent zu senken, muss sich noch einiges tun. Das weiß auch die Stadtverwaltung. Freiburg habe zwar Fortschritte beim Klimaschutz gemacht, "das Ziel 'Klimaneutralität bis 2035' ist aber noch weit entfernt", heißt es in dem Bericht.

Diese positiven Trends (...) dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Tempo der Emissionsabsenkung nicht annähernd genügt, um auch nur in die Nähe des vom Gemeinderat beschlossenen Ziels für die Klimaneutralität in 2035 zu kommen.

Viele Autos und LKWs fahren durch die Schreiberstraße in Freiburg.
Die Verkehrsbelastung - und damit die Abgas-Emissionen - sind in Freiburg weiterhin hoch.

Verkehr ist für rund ein Drittel der Emissionen verantwortlich

Wie auch bundesweit, bremsen vor allem der Verkehr und das Heizen die Bemühungen beim Klimaschutz aus. Laut Stadtverwaltung war der Verkehr im Jahr 2022 für rund 30 Prozent der CO2-Emissionen in Freiburg verantwortlich. Die durch Fahrzeuge verursachten klimaschädlichen Abgase sind seit 1992 nur geringfügig zurückgegangen. Dies allerdings bei gestiegener Einwohnerzahl und Pkw-Dichte.

Immerhin: Das während Corona ausgedünnte Verkehrsaufkommen ist auch nach der Pandemie geringer geblieben als vorher. Sprich: Es wird weniger Auto gefahren in Freiburg. Und der Anteil an E-Autos steigt. Investitionen der Stadt in Radwege und den Öffentlichen Nahverkehr zahlen sich offenbar aus. Aber auch mehr Homeoffice bei den Beschäftigten dürfte als eine Ursache gelten.

Klimaneutralität: Ohne den Beitrag jedes Einzelnen geht es nicht

Aber hier stößt die Kommune mit ihrem Einfluss an Grenzen, wie der Freiburger Umweltmeteorologe Dirk Schindler erläutert: "Die Menschen müssen auch mitmachen", sagt Schindler. Schließlich könne die Stadt nicht vorschreiben, wie viel Auto gefahren wird. Gleiches gilt für den Bereich Wohnen und Heizen - ebenfalls ein großer CO2-Faktor. Hier könne die Stadt hauptsächlich eigene Gebäude und Neubauten klimafreundlich gestalten, so Schindler. Etwa durch Dämmung oder Anschluss an umweltfreundliche Fernwärme.

Demonstrierende beim Klimastreik in Freiburg am 14. Februar 2025
Mehrere Tausend Menschen demonstrierten im Februar in Freiburg für mehr Klimaschutz.

Im Rahmen des städtischen Masterplans Wärme 2030 bauen Stadt und der regionale Energieversorger Badenova derzeit das Fernwärmenetz massiv aus. Bis 2035 soll laut Badenova "die halbe Stadt Freiburg zur Fernwärmestadt" werden. Statt mit Öl und Gas soll über das neue Netz vor allem mit erneuerbaren Energieträgern geheizt werden.

BUND: Bauvorhaben in Freiburg schlecht fürs Klima

Dieses Vorhaben lobt auch die Ortsgruppe des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland). Gleichzeitig sehen die Umweltschützer aber auch "ein sehr großes Problem beim Bauen", denn das sei "extrem klimaschädlich". Insbesondere durch den neuen Stadtteil Dietenbach werde wertvoller Boden versiegelt und damit Natur zerstört. Der BUND kritisiert, dass der Fokus der Stadt zu sehr darauf liege, den CO2-Ausstoß zu verringern - der Abbau von CO2 durch Bäume, Wälder und intakte Böden sei aber auch wichtig fürs Klima.

Kann es Freiburg nun schaffen, in zehn Jahren klimaneutral zu sein? Da ist Umweltmeteorologe Dirk Schindler skeptisch: "Die Wahrscheinlichkeit, dieses Ziel zu erreichen, wird immer geringer." Der Schlüssel liegt für den Wissenschaftler der Uni Freiburg vor allem im Ausbau der erneuerbaren Energien. Immerhin - und das weist der letzte Klimabericht noch nicht aus - seien in Freiburg seit 2022 "enorme Mengen an Photovoltaik" zusätzlich installiert worden - nämlich rund 40 Prozent mehr. Schindler hält aber auch weitere Windräder für notwendig. Hier sei die Stadt auch auf die Zusammenarbeit mit den Nachbarlandkreisen angewiesen.

Politische Rahmenbedingungen ausschlaggebend für Klimaziele

Auch die Stadt selbst ist, wie erwähnt, vorsichtig mit der Prognose. Um die Klimawende zu schaffen, ist Freiburg auf Bund und Land angewiesen. Diese müssten, so die Stadt, "ambitionierte Maßnahmen beschließen und so die notwendigen Rahmenbedingungen für den Klimaschutz auf kommunaler Ebene setzen". Es kommt also nicht zuletzt darauf an, welchen Stellenwert die neue Bundesregierung dem Klimaschutz einräumt.

Hierzu schreibt die Stadtverwaltung: "Wir sind grundsätzlich auf einem guten Weg. Der Ausbau erneuerbarer Energien hat in Freiburg zuletzt stark an Fahrt aufgenommen. Um die Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen, müssen wir die jährliche CO2-Reduktion aber beschleunigen. Das geht nur, wenn uns die zukünftige Regierung tatkräftig unterstützt. Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass wir die Unterstützung der Bevölkerung nicht verlieren."

In der öffentlichen Wahrnehmung und in der Politik ist der Klimawandel zuletzt jedoch in den Hintergrund geraten. Hoffnung macht in Freiburg das jüngst in Berlin beschlossene 100-Milliarden-Paket für Klimaschutz. Möglicherweise könnte die Stadt von zusätzlichen Förderprogrammen profitieren.

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