Dreiland Aktuell

Im Schwarzwald und in den Vogesen: Wie Naturschützer das Auerhuhn retten wollen

Stand
Autor/in
Elisabeth Marx
Henning Winter
Onlinefassung
Louise Schöneshöfer
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Hunderte Freiwillige haben im Südschwarzwald mit angepackt, um den Lebensraum des Auerhuhns zu erhalten. In den Vogesen setzen sich Naturschützer ein, den Vogel wieder anzusiedeln.

Das Auerhuhn ist sowohl in Baden-Württemberg als auch im Elsass vom Aussterben bedroht. Zum Habitatpflegetag waren am vergangenen Samstag mehr als 200 Menschen im Südschwarzwald unterwegs. An fünf verschiedenen Orten haben sie einen Vormittag lang Bäume abgesägt und Gestrüpp gerupft. Mit der Aktion soll der Lebensraum des Auerhuhns geschützt und bewahrt werden. Organisiert wurde der Tag von Mitgliedern des Vereins "Auerhuhn im Schwarzwald" und des Schwarzwaldvereins.

Auch in den Vogesen ist das Auerhuhn vom Aussterben bedroht. Davon berichtete auch SWR-Reporter Henning Winter in Dreiland Aktuell in der Sendung SWR Aktuell vom 19.10.2024:

Wiederansiedlung des Auerhuhns in den Vogesen

Bis vor kurzem gab es im Osten Frankreichs fast keine Auerhühner mehr. Vor circa fünf Monaten ist dann in den Vogesen das Projekt "Grand Tétras" gestartet. Dafür sind neun Auerhühner in Norwegen gefangen und an einem unbekannten Ort in den Vogesen freigelassen worden. Da sie mit einem Sender versehen worden sind, können die Projektleiter nun das Verhalten der Vögel analysieren. So finden sie etwa heraus, dass sich die Auerhühner großflächig bewegen und bereits Nester bauen.

In den vergangenen Wochen sind aber auch zwei Auerhühner gestorben. "Eine gewisse Mortalität ist bei der Spezies normal", sagt Projektleiter Fabien Diehl vom "Parc naturel régional des Ballons des Vosges". Bei anderen europäischen Projekten dieser Art seien nach einem Jahr Überlebensraten von 40 - 70 Prozent erreicht worden, vergleicht er.

Kritik an der Wiederansiedlung

Dominique Humpert, Präsident der Organisation "SOS Massif des Vosges" kritisiert das Projekt der Wiederansiedlung: Die Auerhühner würden in einem derart vom Menschen genutzten Gebiet verhungern und fliehen. Das sagt auch Waldbiologe Joy Coppes, der an der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) mit Sitz in Freiburg seit Jahren die Auerhuhn-Population im Schwarzwald beobachtet.

Ihm zufolge sei es wichtig, dass sich die Waldwirtschaft den Bedürfnissen des Auerhuhns anpasst. Die Verbesserung des Lebensraums sei im "Maßnahmenplan zum Aktionsplan Auerhuhn" ein zentraler Pfeiler , so Joy Coppes. Und sobald auf einer Fläche zu viele Menschen sind, etwa beim Wandern, Mountainbiking oder Skifahren, werden Lebensräume für Tiere weniger nutzbar.

"Auerhuhn im Schwarzwald" macht auf den Lebensraum aufmerksam

Am Fuße des Trubelsmattkopfes bei Muggenbrunn (Kreis Lörrach) hat am Samstag eine bunt gemischte Gruppe an sogenannten Auerhuhnschützern bei der Rettung des größten Hühnervogels selbst Hand angelegt. Das Tier benötigt einen lichten Wald, der auch Nahrung und Versteckmöglichkeiten bietet. Mit der Aktion will der Verein "Auerhuhn im Schwarzwald" den Lebensraum des Vogels schützen und auf die prekäre Lage aufmerksam machen.

"Drei Dinge machen dem Auerhuhn zu schaffen: der dichtere Wald, mehr natürliche Fressfeinde und Störungen durch den Menschen selbst", sagt Jakob Huber. Er ist der Geschäftsführer des Vereins und hat die Aktion mitorganisiert. Rudi Suchant hat bis Januar 2024 noch das FVA Wildtierinstitut geleitet. Heute ist er Pensionär, aber nach wie vor am liebsten im Wald. Seit seiner Kindheit beschäftigt er sich mit dem Auerhuhn, selbstverständlich ist er am Habitatpflegetag auch dabei.

Wildtierexperte Rudi Sachant erklärt, was die Auerhühner brauchen:

Auerhühner lieben Heidelbeeren

Verteilt auf ein Dutzend Autos geht es für die Freiwilligen los. Etwa zehn Minuten fahren die Autos in Kolonne über Stock und Stein in den Wald hinein. Auf einer kleinen Lichtung steigen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus, schlüpfen in ihre Handschuhe und stapfen mit Astschere und Säge in der Hand auf den Hang.

Vorher erklärt Wolfgang Gutmann, Leiter des zuständigen Reviers Münstertal, worauf es ankommt: "Wir müssen den Boden von Sträuchern befreien, damit die Heidelbeere wachsen kann." Die Heidelbeere gehört zu den wichtigsten und beliebtesten Nahrungsquellen des Auerhuhns. Damit die Tiere außerdem Unterschlupf finden, sägen die Teilnehmenden kleine Bäume ab und stapeln sie zusammen mit etwas Grünzeug auf einem großen Haufen.

Diese Fläche haben die Freiwilligen schon freigeräumt.
Diese Fläche haben die Freiwilligen schon freigeräumt. Bild in Detailansicht öffnen
Unter diesem Baumstapel findet das Auerhuhn einen Unterschlupf.
Unter diesem Baumstapel findet das Auerhuhn einen Unterschlupf. Bild in Detailansicht öffnen

Aus dem Klassenzimmer in den Wald

Mit dabei sind auch 16 Schülerinnen und Schüler der Gewerbeschule Lörrach. Die Jugendlichen aus der 10. Klasse sind an diesem Samstag bereits um 6 Uhr aufgestanden. Leon Nakonieczny freut sich über die Abwechslung zum normalem Unterricht im Klassenzimmer. Förster oder Waldarbeiter möchte er trotzdem nicht werden.

Schüler Leon Nakonieczny trägt Äste aus dem Wald zur Sammelstelle.
Schüler Leon Nakonieczny trägt Äste aus dem Wald zur Sammelstelle.

Lehrer Michael Bruder merkt, dass seine Schülerinnen und Schüler wenig Lust auf die Arbeit im Wald haben. Dennoch glaubt er an das Biotop-Projekt. Im Unterricht beschäftigen sich die Jugendlichen mit dem Thema Nachhaltigkeit. "Hier können sie Nachhaltigkeit praktisch ausüben und sehen, was sie am Ende vom Tag gemacht haben", will Bruder die Schülerinnen und Schüler ermutigen. Außerdem können sie sich mit anderen austauschen.

Alle haben Naturschutz gemeinsam - alle packen an

Von groß bis klein: Schüler, Kinder, Hobbyjägerinnen und Auerhuhnenthusiasten - alle sind dabei. Und viele freuen sich, gemeinsam etwas Gutes zu tun. Mit dabei sind auch die Geschwister Leya, Linus und Lenni aus Wehr im Kreis Waldshut. "Ich habe sogar Bäume gefällt und weggeräumt", erzählt Linus mit leuchtenden Augen.

Lenni, Linus und Leya sitzen auf einem Holzstamm. Sie dürfen nach harter Arbeit auch eine Pause genießen.
Der 5-Jährige Lenni, Linus, 8 Jahre alt, und die große Schwester Leya, 10 Jahre alt, dürfen nach harter Arbeit auch eine Pause genießen.

Heike und Christoph Schmeding sind mit dem Bus aus Kirchzarten (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) angereist. Normalerweise sind sie beim Naturschutzbund (NABU) aktiv. In dem Zusammenhang haben sie schon in kleineren Gruppen den Lebensraum von Amphibien im Dreisamtal gepflegt. Doch in ihrer Freizeit sind sie viel im Schwarzwald unterwegs - dieses Mal aber nicht als Wanderin und Wanderer, sondern als Helferin und Helfer.

Christoph und Heike Schmeding aus Kirchzarten tragen die gefällten Bäume aus dem Wald.
Christoph und Heike Schmeding aus Kirchzarten tragen die gefällten Bäume aus dem Wald.

Auch einige Jägerinnen und Jäger helfen mit. Eine von ihnen ist Sandra Mentzel. Sie ist Jungjägerin im zweiten Jahr und möchte lernen, wie man den Wald auerhuhntauglich gestalten kann. In ihrem Revier spielt das vom Aussterben bedrohte Tier keine Rolle. Aber hauptberuflich arbeitet sie beim Deutschen Alpenverein (DAV). Dort merkt sie, wie der Tourismus immer wieder den Lebensraum von Wildtieren wie dem Auerhuhn zerstört.

Landesregierung setzt sich mit "Maßnahmenplan Auerhuhn" für das Tier ein

Die Landesregierung in Stuttgart will sich ebenfalls der Rettung des Auerhuhns annehmen. Im Jahr 2023 veröffentlichte das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz den "Maßnahmenplan Auerhuhn".

Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Breisgau, Reinhold Pix (Bündnis 90/ Die Grünen) kämpft eigenen Angaben zufolge schon seit 2006 für das Auerhuhn. Der Forstwirt ist fest davon überzeugt, dass man dem Auerhuhn noch helfen könne: "Ich habe mich vor allem finanzpolitisch engagiert, damit der "Maßnahmenplan Auerhuhn" ausfinanziert wird. Jetzt möchte ich die Früchte meiner Arbeit sehen", freut er sich und krempelt am Habitatpflegetag in Muggenbrunn die Ärmel hoch.

Habitatpflegetage scheinen zu wirken

"Letztes Jahr konnten die Tiere erstmals auf den Flächen nachgewiesen werden, wo wir aktiv waren", erzählt Gerhard Feich. Er ist extra aus Gengenbach im Ortenaukreis angereist. Als Mitarbeiter der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt liegt ihm das Auerhuhn ganz besonders am Herzen.

Gerhard Feich der FVA erzählt, was das Auerhuhn für ihn besonders macht:

Zum Schutz des Auerhuhns: Wandern abseits der Waldwege meiden

Nachdem die Auerhuhn-Population im Schwarzwald jahrelang geschrumpft ist, konnte der Negativtrend gestoppt werden. Das bestätigt auch der Verein "Auerhuhn im Schwarzwald". Die Zahl der Auerhühner, die nun zur Welt kommt, ist laut Geschäftsführer Jakob Huber inzwischen größer als die, die stirbt. Doch damit das so bleibt, müsse sich jede Person, die sich im Wald aufhält, an Regeln halten, so Huber. Zu viele Menschen abseits der Wege bedeuten für die Tiere Stress.

Jakob Huber appelliert an alle Waldbesucher: "Bleiben Sie auf dem Wegen, auch beim Pilzesammeln! Leinen Sie ihre Hunde an und meiden Sie die sensiblen Nacht- und Dämmerungszeiten!" Sonst würde der Mensch vom Auerhuhn als Fressfeind wahrgenommen werden, die Tiere würden dann fliehen, mehr Energie aufwenden und für Beutegreifer sichtbarer werden, erklärt es Jakob Huber.

Weitere Themen in der Sendung Dreiland Aktuell vom 19.10.2024:

Die vor etwa einem Jahr im Elsass verschwundene 15-jährige Lina ist tot. Die Polizei hat ihre Leiche in einem Waldgebiet in Zentralfrankreich gefunden. Auf der Suche nach Lina hatten Beamte auch in Südbaden ermittelt, da in einem in Freiburg gestohlenen Auto ihre DNA-Spuren, ihre Handyhülle, Kopfhörer und Schminksachen gefunden wurden.

Einkaufen in Deutschland ist für viele Schweizerinnen und Schweizer wegen der niedrigen Preise attraktiv. Der Einkaufstourismus ist dem Schweizer Einzelhandel aber ein Dorn im Auge. Jetzt handelt die Regierung in Bern und halbiert den Wert von Einkäufen für den Privatgebrauch, die steuerfrei eingeführt werden dürfen. Das heißt: Schweizer Einkaufstouristen dürfen ab nächstem Jahr nur noch Waren im Wert von 150 Franken (rund 160 Euro) steuerfrei aus dem Ausland in die Schweiz einführen.

Außerdem gibt es im Dreiländereck Neues in Sachen Klima- und Umweltschutz: Bis 2037 muss der Kanton Basel-Stadt klimaneutral werden. Die Regierung hat nun also einen Plan zur Umsetzung der Maßnahmen vorgestellt. Die Luftqualität in Straßburg hat sich verbessert. Und: Beim ersten öffentlichen Treffen zur Zukunft des ehemaligen Atomkraftwerks Fessenheim kommt es zu Protesten.

Weitere Themen in Dreiland Aktuell vom 19.10.2024

Vermisste Jugendliche aus dem Elsass tot aufgefunden

Vor einem Jahr war die 15-jährige Lina auf dem Weg nach Straßburg verschwunden. Die Polizei hat nun die Leiche der Jugendlichen gefunden. Der mutmaßliche Täter ist tot.

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Klimaschutz im Elsass und in der Schweiz? Neues aus dem Dreiländereck

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