"Wir wussten damals nicht, was auf uns zukommt", erzählt Martin Bommer. Er ist Ärztlicher Direktor und Chefarzt des Alb Fils Klinikums in Göppingen. Aber vor allem hat er auch den ersten Corona-Patienten überhaupt in Baden-Württemberg behandelt. Fünf Jahre ist das jetzt her. "Das war noch ein junger Mann, der aber tatsächlich nur eine leichte Corona-Erkrankung hatte." Der 25-Jährige aus dem Landkreis Göppingen hatte sich vermutlich während einer Italienreise angesteckt.

Corona: Sorge und Angst vor Virus war groß
Und genau am diesem 25.02.2020 war es dann also Gewissheit: Das Virus Covid-19 hatte auch Baden-Württemberg erreicht. Die Krise nimmt schnell Fahrt auf. Landesgesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) brach seinen Urlaub ab, um in einer Pressekonferenz zur Besonnenheit aufzurufen. In den örtlichen Apotheken waren innerhalb von Stunden Atemmasken und Desinfektionsmittel ausverkauft.

Der sogenannte Patient Null habe sich vorbildlich verhalten, hieß es damals von den Behörden. Er habe sich direkt beim Gesundheitsamt gemeldet, als er zu husten und zu fiebern anfing. Der behandelnde Arzt von damals sagt heute: "Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, das fühlt sich an, als ob es erst gestern gewesen wäre." Martin Bommer kannte schon die Bilder aus Italien und aus China mit den Notlazaretten. "Wir konnten uns das bei uns gar nicht vorstellen."
Über den ersten Corona-Patienten in Baden-Württemberg wurde in diesem Filmbeitrag in einem SWR Extra am 26.02.2020 berichtet:
Folgen von Corona: Täglich neue Anforderungen und schiere Erschöpfung
Anfang März wurde der Patient Null zwar wieder aus dem Krankenhaus entlassen. Doch die Corona-Welle war nicht mehr aufzuhalten. Bereits einen Tag nach dem ersten Fall, am 26.02.2020, wurden die nächsten zwei Corona-Fälle in Baden-Württemberg bekannt. Lockdowns und Hamsterkäufe waren die Folge. Der Landkreis Göppingen zählte seit dem Covid-Ausbruch 438 Menschen, die mit oder an Corona verstorben sind. "Bei uns am Klinikum waren es sogar mehr, die verstorben sind, weil wir viele Patienten aus den Nachbarlandkreisen aufgenommen hatten", sagt Martin Bommer. "Das macht einen schon nachdenklich, weil auch einige junge Menschen dabei waren."
Es waren auch junge Menschen, die einfach mitten aus dem Leben gerissen wurden.
Täglich neue Verordnungen, neue Anordnungen, Abläufe mussten immer wieder geändert werden. "Diese ganzen Umstrukturierungen immer wieder waren sehr herausfordernd", sagt Bommer. Bis heute sei vor allem eine Folge zu spüren: "Wir haben viele gute Mitarbeiter verloren in der Corona-Phase, die inzwischen außerhalb der Medizin arbeiten. Das war die schiere Erschöpfung."
Chefarzt: "Corona muss systematisch aufgearbeitet werden"
Dafür sind bei Covid-19 die Behandlungsmöglichkeiten besser geworden. Die Impfung hilft, es gebe laut Bommer inzwischen auch erste Medikamente. "Corona wird weiterhin jahreszeitenabhängig ein Thema sein, wie die Influenza." Aber Covid-19 sei im Vergleich zu anderen Krankheit nicht mehr besonders gefährlich.
Fünf Jahre Corona in Baden-Württemberg Heidelberger Virologe Kräusslich: "Wir sollten Corona als etwas Normales begreifen"
Am 25. Februar 2020 wurde die erste Corona-Infektion in Baden-Württemberg registriert. Damals war die Angst groß, aber inzwischen hat Covid seinen Schrecken verloren. Zu Recht?
Dennoch ist Martin Bommer überzeugt: Die nächste Pandemie wird kommen. Deswegen wünscht er sich vor allem eines: "Wir müssen diese Zeit ganz frei von Schuldzuweisungen aufarbeiten." Man brauche eine systematische Auseinandersetzung und Bewertung der Maßnahmen. Welche Entscheidungen und Maßnahmen waren aus welchen Gründen richtig oder falsch? "Wenn wir bei der nächsten Pandemie feststellen: Wir haben zu wenig aus Corona abgeleitet oder gelernt, dann fangen wir wieder von vorne an."
Covid: Ältere Menschen sollten sich weiter impfen
Die Situation hat sich entspannt. Das Virus hat seinen Schrecken etwas verloren. Keine Regelungen mehr mit Tests oder Impfnachweisen. "Ich finde es richtig, dass es keine Impfpflicht gibt, aber finde es auch richtig, dass es eine Impfempfehlung gibt", sagt Bommer. Gerade für ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen. Das rät auch die Ständige Impfkommission und empfiehlt diesen Menschen, ihre Corona-Impfung regelmäßig auffrischen zu lassen.