Fünf Straftäter aus Baden-Württemberg sind nach Angaben des Landesjustizministeriums am Freitagmorgen in ihr Heimatland Afghanistan abgeschoben worden. "Es ist gut, dass wir heute eine Chartermaßnahme nach Afghanistan erfolgreich durchgeführt haben", teilte das Ministerium mit. Das Flugzeug startete den Angaben zufolge von Leipzig aus.
Sächsisches Innenministerium: Handgeld für afghanische Straftäter
Laut dem sächsischen Innenministerium waren an Bord eines Charterjets von Qatar Airways 28 afghanische Straftäter. Der Flug startete in Leipzig. Den Angaben zufolge erhielt jeder Abgeschobene vor dem Flug 1.000 Euro Handgeld. Der Abschiebeflug am Freitag startete zwar nur eine Woche nach dem Messerattentat von Solingen, habe aber einen deutlich längeren Vorlauf, hieß es aus Behördenkreisen.
Kolja Schwartz aus der SWR Rechtsredaktion erläutert, warum die Abschiebungen jetzt möglich waren und was hinter dem Handgeld von 1.000 Euro steckt, das die Abgeschobenen bekommen haben.
Diese Männer wurden am Freitag nach Afghanistan abgeschoben
Zu den Abgeschobenen zählt den Angaben zufolge auch ein Mann, "der im Raum Ulm gemeinsam mit drei weiteren Tätern eine damals 14-Jährige über mehrere Stunden vergewaltigt hatte", so das Ministerium in einer Mitteilung. Bei dem Mann handelt es sich nach SWR-Informationen um einen verurteilten Straftäter, der 2019 mit drei weiteren Tätern in Illerkirchberg (Alb-Donau-Kreis) eine 14-Jährige unter Alkohol- und Drogeneinfluss gesetzt und stundenlang vergewaltigt hatte. Der Afghane kam nach Verbüßung seiner gut zweijährigen Haftstrafe zunächst in Abschiebehaft. Die Abschiebung scheiterte zum damaligen Zeitpunkt wegen der Machtübernahme der Taliban. Seither lebte der heute 31-Jährige wieder in Illerkirchberg.
Laut Medienberichten will der abgeschobene afghanische Straftäter allerdings nach Deutschland zurückkehren. Dies hatte sein Anwalt gegenüber der "Augsburger Allgemeinen" geäußert. Demnach werde der Afghane bald Vater, da seine Freundin in Deutschland ein Kind erwarte. Der Jurist habe angekündigt, sich für ein Visum stark zu machen, mit dem der Abgeschobene trotz Einreiseverbot zurückkehren könnte.
Anwalt will Afghanen zurück nach Deutschland holen Straftäter abgeschoben: Erleichterung in Illerkirchberg
Erleichterung nach der Abschiebung eines Straftäters aus Illerkirchberg: Bürger aus der Gemeinde und Politiker haben die Ausweisung eines Vergewaltigers nach Afghanistan begrüßt.
Täter aus Ravensburg, Bad Schussenried, Ludwigsburg und Stuttgart
Bei den weiteren abgeschobenen Personen aus Baden-Württemberg handelte es sich den Angaben zufolge um schwere Gewalttäter, die wegen versuchten Totschlags, versuchten Mordes und anderen versuchten Tötungsdelikten zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden waren.
Ein 25-Jähriger war zuvor in Ravensburg gemeldet gewesen, er saß bis zuletzt im örtlichen Gefängnis wegen eines versuchten Tötungsdelikts. Ein 34-Jähriger wohnte zuletzt in Bad Schussenried (Landkreis Biberach) und war im Gefängnis Rottenburg wegen versuchten Totschlags untergebracht. Einem sogenannten Mehrfach- und Intensivtäter wiesen die Behörden mehr als 160 Straftaten nach. Er war zuletzt in Ludwigsburg gemeldet und saß im Gefängnis Heimsheim (Enzkreis) ein. Im selben Gefängnis war ein 45-jähriger Afghane wegen versuchten Mordes, er hatte vorher in Stuttgart gewohnt.
Innenminister Strobl spricht von "Sicherheitsgewinn"
Innenminister Thomas Strobl (CDU) kritisierte in diesem Zusammenhang den Bund: Nach dem Attentat von Mannheim, bei dem der Polizist Rouven Laur getötet wurde, sei monatelang nicht in irgendeiner erkennbaren Weise gehandelt worden - endlich sei das anders. Über die Abschiebung der Afghanen am Freitag sagte er: "Das darf jetzt keine einmalige Sache sein, im Gegenteil: Das muss ein Neustart in der Migrationspolitik werden." Jeder abgeschobene Straftäter, der außer Landes sei, sei ein "Sicherheitsgewinn für Baden-Württemberg".
"Seit 2021 haben Ministerin Gentges und ich die Bundesregierung aufgefordert, Abschiebungen nach Afghanistan wieder zu ermöglichen", so Migrationsstaatssekretär Siegfried Lorek. Die Abschiebungen seien "ein Gewinn für die Sicherheit in unserem Land". Die fünf Straftäter dürfen nicht mehr nach Deutschland oder andere Länder der Europäischen Union einreisen. Gegen sie wurde ein Einreiseverbot ausgesprochen, hieß es aus dem Stuttgarter Migrationsministerium.
Landesjustizministerin Marion Gentges (CDU) äußerte sich ähnlich. Aus ihrer Sicht wären die Abschiebungen schon früher möglich gewesen. "Was gefehlt hat, ist die notwendige Entschlossenheit des Bundes, diese Maßnahmen auch umzusetzen", krisitierte sie im SWR. Es habe zu lange gedauert, "bis diese Entschlossenheit jetzt gereift ist."
Faeser: Deutschland schiebt erstmals wieder nach Afghanistan ab
Insgesamt hat Deutschland nach Angaben von Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Freitagmorgen 28 Straftäter nach Afghanistan abgeschoben. Das teilte die SPD-Politikerin auf der Plattform X mit. "Unsere Sicherheit zählt, unser Rechtsstaat handelt." Faeser dankte der Bundespolizei und den Ländern für die enge Zusammenarbeit. Die Abschiebung war die erste nach Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren. Organisiert worden war die Aktion federführend vom Bundesinnenministerium.
Am Donnerstag hatte sich die Bundesregierung als Konsequenz aus dem Anschlag in Solingen auf ein Maßnahmenpaket für die Migrations- und Asylpolitik verständigt. Dabei geht es um das Waffenrecht, Sicherheitsbefugnisse, Abschiebungen und Prävention. Auch Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien sollen danach forciert werden.
Taliban unterdrücken Frauen und Andersdenkende
Seit August 2021 sind in Afghanistan wieder die islamistischen Taliban an der Macht, die international vor allem wegen ihrer massiven Beschneidung von Frauenrechten in der Kritik stehen. Deutschland unterhält zu den Taliban-Machthabern in der afghanischen Hauptstadt Kabul keine diplomatischen Beziehungen. Kritiker bemängeln, dass die Taliban auch hart gegen Menschenrechtler, Demonstranten oder Journalisten vorgehen. Ihnen drohe in Afghanistan Verhaftung, Verschwinden oder Folter. So auch der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, der sich in einer Reaktion entsetzt zeigte und die Abschiebungen als völkerrechtswidrig bezeichnete.