Zwei Personen sitzen in der Innenstadt von Stuttgart im Schatten unter einem Baum.

Viel Geld und politischer Wille nötig

Sommer immer heißer: So wollen sich Städte in BW an den Klimawandel anpassen

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Matthias Breitinger
Matthias Breitinger

Städte heizen sich im Sommer besonders auf, der Klimawandel verstärkt das Problem. Kommunen müssen sich anpassen. Die Maßnahmen kosten viel Geld. Wer zahlt?

Von Tropennächten ist derzeit in der Wettervorhersage die Rede. Was paradiesisch und nach Urlaub klingt, ist in Wahrheit eher eine Belastung: Bei Temperaturen über 20 Grad, wie in der Nacht zu Dienstag vielerorts in Baden-Württemberg, lässt es sich kaum erholsam schlafen. Am heutigen Dienstag werden im Land Temperaturen von bis zu 37 Grad erwartet. Schon am Montag wurde in Ohlsbach (Ortenaukreis) mit 35,6 Grad der bisher höchste Wert in diesem Jahr in BW gemessen.

Sommernächte in Innenstädten bis zu zehn Grad wärmer 

Für Ältere, Babys und Kleinkinder, Schwangere und Menschen mit chronischen Erkrankungen wird die Hitze zum Gesundheitsrisiko. Aber auch anderen machen die hohen Temperaturen zu schaffen: Die Hitze senkt die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Insbesondere Städte heizen sich stärker auf als ländliche Räume. In Innenstädten ist es im Schnitt zwei Grad wärmer als auf dem Land, in Sommernächten sogar bis zu zehn Grad wärmer.

Dazu tragen vor allem zwei Faktoren bei: der hohe Versiegelungsgrad und die vielen eng stehenden Gebäude, die die Luftzirkulation verringern und zu Wärmestau führen. "Eine versiegelte Fläche ist im Prinzip wie ein Schwamm", erklärt der Stadtklimatologe Sascha Henninger von der Universität Kaiserslautern. "Die Sonnenstrahlen treffen auf diese Oberfläche auf und je dunkler die Fläche ist und je stärker sie versiegelt ist, desto mehr von der Sonnenstrahlung kann aufgenommen werden."

Ähnlich speichern die Gebäudefassaden Wärme. Umgekehrt mangelt es an bepflanzten Flächen, die die Temperatur senken könnten. 

 

Schnelle Maßnahmen in BW: Karten für coole Orte, Hitze-Flyer, Trinkwasserspender 

Der Kampf gegen die Hitze ist in den Städten in Baden-Württemberg längst auf der Agenda. Zum einen ergreifen sie akute Maßnahmen: Hitzewarnsysteme für die Bevölkerung werden eingerichtet, im öffentlichen Raum Trinkwasserspender aufgebaut und Sonnenschirme aufgespannt, wie etwa am Bismarckplatz im Stuttgarter Westen. Eine Reihe von Kommunen hat Karten veröffentlicht mit eingezeichneten Orten, die an heißen Tagen etwas Abkühlung versprechen, zum Beispiel in Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe und im Kreis Ludwigsburg.  

Reutlingen hat Hitze-Flyer entwickelt mit Tipps für bestimmte Zielgruppen wie Familien mit kleinen Kindern. Im Hohenlohekreis und in Freiburg ist ein Hitzetelefon eingerichtet, das vor allem ältere Menschen bei hohen Temperaturen unterstützen soll.

Zum anderen geht es in den Kommunen auch um Langfrist-Maßnahmen zur Hitzeanpassung. Im Mannheimer Stadtteil Lindenhof beispielsweise haben ehrenamtliche Helferinnen und Helfer auf einer Fläche von 350 Quadratmetern mehr als 1.300 Bäume und Sträucher in einem sogenannten Tiny Forest gepflanzt. Solche Mikrowälder sollen die lokale Temperatur senken und CO2 binden. Dafür brauche es keine großen Flächen, schon 200 Quadratmeter würden reichen, sagt Ulrich Holl von der Bürger-Interessen-Gemeinschaft Lindenhof. 

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Kommunen erstellen Klimaanpassungskonzepte

Welche Maßnahmen sinnvoll sind, unterscheidet sich je nach den Gegebenheiten vor Ort. "Mit einem dichten mittelalterlichen Stadtkern muss man natürlich anders umgehen als mit einem relativ neu entstandenen Wohngebiet", erklärt Ilka Mecklenbrauck, Professorin für Städtebau an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen im Gespräch mit dem SWR. "Da kann es keine Pauschallösung geben." 

Städte wie Karlsruhe, Ludwigsburg oder Freiburg im Breisgau und auch einzelne Landkreise haben bereits Klimaanpassungskonzepte entwickelt. Darin beschreiben sie Maßnahmen, um die Lebensqualität in ihren Städten langfristig zu sichern. So hat Freiburg in seinem Konzept 37 verschiedene Maßnahmen aufgeführt, darunter das Anlegen von nutzbaren Wasserspielen, Brunnen oder Wasserrinnen, das Begrünen von Fassaden, das Entsiegeln von Oberflächen und das Verschatten von Haltestellen und Parkplätzen.

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Städtetag BW fordert Kostenübernahme

Bislang waren solche Konzepte freiwillig. Seit 1. Juli schreibt das neue Klimaanpassungsgesetz des Bundes vor, Strategien zur Anpassung an den Klimawandel und Maßnahmenkonzepte zu erstellen - nicht nur im Hinblick auf Hitze, sondern auch Starkregen oder Niedrigwasser. Die Pflicht aus dem Gesetz liegt bei Bund und Ländern, letztere reichen die Aufgabe an die Kommunen weiter. Die Kosten dafür müssten dann aber auch vom Land übernommen werden, "nach dem Prinzip Geld folgt Aufgabe", fordert Susanne Nusser vom Städtetag Baden-Württemberg.

"Derzeit diskutieren wir mit dem Landesumweltministerium darüber, wie das genau finanziert werden kann, was diese Pläne alles beinhalten müssen und ob es zusätzlichen Personaleinsatz braucht. Ich gehe davon aus, dass wir mit dem Land eine gute Lösung für unsere Kommunen finden werden", sagt Nusser dem SWR. Bislang bezuschusst Baden-Württemberg lediglich das Erstellen kommunaler Hitzeaktionspläne.   

Doch mit Konzepten allein ist noch keine Stadt an die Klimafolgen angepasst. "Der nächste Schritt ist auch der teurere und aufwendigere", so Nusser. Eher niedrigschwellige Maßnahmen würden vielerorts bereits umgesetzt und dafür gebe es auch punktuell Förderprogramme. So gibt das Land Baden-Württemberg Geld etwa für Hitzeschutzmaßnahmen an ÖPNV-Haltestellen oder die Installation von öffentlich zugänglichen Trinkwasserspendern.

Ein Trinkwasserbrunnen in Mannheim
Ein Trinkwasserbrunnen in Mannheim

Klimaanpassung: Noch eine dringliche Aufgabe mehr für Kommunen

Eine grundsätzliche Finanzierung von Klimaanpassungsmaßnahmen durch Land und Bund existiert aber nicht. "Das wäre auch schwierig, weil das Thema in alle Lebensbereiche hineinragt und quasi uferlos ist", sagt Nusser. Wenn der Bund den Kommunen aber Standards und Zielmarken für bestimmte Maßnahmen setze, müsse er diese auch finanzieren. Für ganz Deutschland schätzt das Bundesumweltministerium den Finanzbedarf für die Umsetzung von Maßnahmen zur Klimaanpassung bis 2030 auf 38 Milliarden Euro. Wo die Summe herkommen soll, ist derzeit unklar.

Den Kommunen fehle es ohnehin an Geld, räumt Nusser ein. "Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben geht immer weiter auseinander." Neben bereits schwer finanzierbaren Pflichtaufgaben der Kommunen wie die Ganztagsbetreuung in der Grundschule oder die Finanzierung von Krankenhäusern sei es schwierig, auch noch ein etwas schwer zu greifendes Thema wie die Klimaanpassung anzugehen - "auch wenn die Kommunen sie natürlich für sehr dringlich halten".

Erst recht viel Geld ist für ganz große städtebauliche Anpassungsmaßnahmen vonnöten, wie sie auch im Freiburger Konzept enthalten sind. Etwa die "Entdichtung" von Stadtvierteln und das Schaffen von Schneisen für eine bessere Luftzirkulation. Bauliche Maßnahmen lassen sich nicht mal eben umsetzen. Frischluftschneisen etwa müssten in Flächennutzungsplänen verankert werden. 

Für Klimaanpassung braucht es einen langen Atem

Die Kosten dürften aber kein Totschlagargument sein, findet Ilka Mecklenbrauck. Ihnen müsse man immer den langfristigen Nutzen gegenüberstellen. "Das Bewusstsein, etwas zu tun, ist schon da, und im Kleinen passiert auch schon einiges", sagt die Städtebau-Expertin. "Wichtig ist aber, dass man das Thema langfristig verfolgt und sich die Politik dazu bekennt. Denn die Klimaanpassung erfordert Maßnahmen, deren Umsetzung dauert."

Für ein solches Commitment empfiehlt Mecklenbrauck eine gesamtstädtische Strategie, die nicht nur auf die nächsten zwei bis drei Jahre schaut. "Im Idealfall wird das Konzept außerdem über Stadtgrenzen hinaus entwickelt, was eine Zusammenarbeit mit der Region und dem Land erfordert. Zum Beispiel, wenn es darum geht, die richtigen Freiluftschneisen zu identifizieren. Auf Basis der integrierten Strategie kann man dann Schritt für Schritt in die konkrete Umsetzung gehen."

Es kann nicht für alles die öffentliche Hand zuständig sein.

Dabei seien neben der öffentlichen Hand auch Unternehmen und Privatleute gefragt: "Es kann nicht für alles die öffentliche Hand zuständig sein. Aber sie muss die Privaten bei dem Thema mitnehmen und sie motivieren, auch Maßnahmen umzusetzen, zum Beispiel die Fassaden- und Dachbegrünung."

Klar ist: Bis das umfassende Konzept ausdiskutiert und beschlossen ist, kann man schon im Kleinen anfangen. Etwa, wenn Straßen und Plätze zum Beispiel für Kanalsanierungen oder den Glasfaserausbau aufgegraben werden. Hier lassen sich Klimaanpassungsmaßnahmen gleich mitdenken.

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