Steigende Hitze in den Innenstädten: Für viele Menschen wird das immer mehr zur Belastung. Durch die voranschreitende Klimakrise dürfte sich die Situation in Zukunft noch verschärfen. An der Universität Freiburg haben sich Expertinnen und Experten des Problems angenommen. Eine Projektgruppe hat nun mit Künstlicher Intelligenz (KI) ein Modell entwickelt, das Orte lokalisiert, an denen sich die Hitze besonders staut. Zukünftig könnte es dabei helfen, Städte so zu gestalten, dass sie sich weniger aufheizen.
Umweltmeteorologe Andreas Christen über die Möglichkeiten des KI-Modells:
Temperatur-Prognose vor der eigenen Haustüre
Das Besondere am Freiburger KI-Modell: Es berechnet nicht nur eine Durchschnittstemperatur für die ganze Stadt, wie andere Modelle und Prognosen. Stattdessen kann es sehr detailiert angeben, wie heiß es in einzelnen Straßen, an Plätzen oder Parks innerhalb einer Stadt ist und auch wird.
Da kann es große Unterschiede geben. Zum Beispiel beeinflusst die Temperatur, ob sich vor der eigenen Haustüre ein grüner Park oder ein betonierter Parkplatz befindet. Mit Hilfe der Freiburger KI werden diese Unterschiede sichtbar.
Das KI-Modell arbeite ähnlich wie eine KI, die auf Basis von Schlagwörtern Bilder erstellt, erklärt der Professor für Umweltmeteorologie, Andreas Christen. Er ist Teil der Projektgruppe, die am KI-Modell gearbeitet hat. "Was wir eingeben sind die Wetterbedingungen und wie die Stadt gebaut ist. Dann bildet die KI ab, was sie denkt, wie die Hitzbelastung aussieht", sagt der Umweltmeteorologe. Als Versuchsobjekt für das neue Modell diente die Stadt Freiburg.
Blick in die Glaskugel: KI liefert Prognosen für kommende Jahrzehnte
Mit dem KI-Modell können Prognosen für die kommenden Tage erstellt werden - und für die kommenden Jahrzehnte. Auch herkömmliche Modelle versuchen zukünftige Temperaturen zu berechnen. Dafür greifen sie aber auf komplexe Formeln zurück. Das ist sehr rechenintensiv, weshalb sie nur Prognosen für einzelne Tage liefern können. Anstatt beispielhaft einen Tag in 30 Jahren zu berechnen, liefert das KI-Modell der Universität Freiburg Daten für die gesamten 30 Jahre.
KI-Modell könnte Städteplanung revolutionieren
Mit dem KI-Modell können besonders heiße Orte identifiziert werden. So zeigt sich, wo die Stadt dringend umgestaltet werden muss. Damit sie vorbereitet ist auf die steigenden Temperaturen, die durch die voranschreitende Klimakrise zu erwarten sind.
Die KI kann berechnen: Wo steht ein Baum am besten, damit er einen möglichst kühlenden Effekt auf eine Straße hat? Außerdem kann sie überprüfen, welchen Effekt ein geplanter Umbau innerhalb der Stadt auf die Temperaturen vor Ort haben wird. Besonders nützlich für die Städteplanung, meint Verena Hilgers, die Klimaanpassungsmanagerin der Stadt Freiburg. "So können verschiedene Wechselwirkungen im Vorfeld besser abgeschätzt werden und frühzeitig in den Planungsprozess einfließen", sagt Hilgers.
Freiburg: Grüne Oase oder Hitzemagnet?
Auf der berechneten Karte für Freiburg zeigen sich viele rote Straßen und Plätze innerhalb der Stadt. Also Orte mit mehr als 500 Stunden starker Hitzebelastung im Jahr. Das spiegelt sich auch in der jüngsten Studie der Deutschen Umwelthilfe wieder, die vielen deutschen Städten einen mangelhaften Hitzeschutz bescheinigt. Freiburg belegt in der Studie einen Platz im Mittelfeld.
Der Umweltmeteorologe Andreas Christen erklärt die Studienzahlen für Freiburg so: "Das liegt natürlich an der geographischen Lage von Freiburg." Im Oberrheingraben gäbe es viel Sonne. Als sehr südliche Stadt sei zudem der Sonnenstand deutlich höher als in anderen Städten. Es gebe in Freiburg mitunter die wärmsten Temperaturen Deutschlands, so Christen.
Hinzu komme, dass die Stadt sehr dicht bebaut sei, sagt er. Der Bau der Freiburger Innenstadt liegt jedoch schon einige Jahrhunderte zurück und ist nicht ein Resultat aktueller Städteplanung. Somit habe Freiburg schon per se eine schwierige Ausgangslage.
Freiburg hat preisgekröntes Klimaanpassungskonzept
Freiburg sei Vorreiter im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung, meint Christen. Bereits 2018 hat die Stadt ein umfassendes und preisgekröntes Klimaanpassungskonzept vorgelegt. So solle beispielsweise die Fassadenbegrünung oder die Entsiegelung von Oberflächen vorangetrieben werden. Damit möchte die Verwaltung erreichen, dass sich die Stadt weniger erhitzt. Laut Christen ist die Stadt "auf einem guten Weg".
Um die heißen Orte zu lokalisieren, brauche Freiburg die KI nicht mehr. Diese seien ohnehin schon bekannt, sagt Christen. Anderen Städten könnte das KI-Modell aber helfen ihre Klimaanpassungsmaßnahmen besser und zielgerichteter zu planen. Damit sie es nutzen können, müsste das KI-Modell aber in eine Software integriert werden. Daran wird bereits gearbeitet. Andreas Christen geht davon aus, dass die KI in drei bis fünf Jahren auch in der Städteplanung Einzug erhält.