Die Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Einrichtungen in Baden-Württemberg sind seit Jahren hoch, sagt das baden-württembergische Innenministerium - einfach weil schon lange eine hohe abstrakte Gefährdung vorliege. Aktuell hat sich die Situation durch den Angriff der Hamas auf Israel und Israels Gegenangriff auf Gaza noch einmal verschärft. Deswegen nehmen die Sicherheitsbehörden aktuell besonders kritische Einrichtungen noch mal ins Visier - jüdische Kindertagesstätten, Schulen und Synagogen werden also geschützt.
Auch die israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg wird durch Polizei geschützt. Mitglieder der Gemeinde verhielten sich vorsichtig, sagt Michael Kashi aus dem Vorstand. "Sehr viele Eltern bitten ihre Kinder, wenn sie in der Schule sind, nicht zu erzählen, dass sie Juden sind", so Kashi. Die Gefahr sei immer da - aber jetzt sei alles noch schlimmer als sonst.
LKA sammelt antisemitische Vorfälle
Seit dem Angriff der Hamas werden antisemitische Straftaten und Aktionen außerdem noch zentral beim Landeskriminalamt (LKA) gesammelt. Aktuell liegen dort Fälle im niedrigen zweistelligen Bereich, so das Innenministerium. Dabei geht es vor allem um Straftaten wie das Verbrennen und Abreißen von Israel-Flaggen.
Zuletzt wurden mehrere Israel-Flaggen im Ostalbkreis und im Rems-Murr-Kreis von Unbekannten gestohlen. Wie die Polizei am Freitag mitteilte, wurde die Israel-Flagge vor dem Rathaus in Schwäbisch Gmünd (Ostalbkreis) am Donnerstagabend heruntergerissen und durch eine selbstgemalte Palästina-Flagge ersetzt.
Auch in Waiblingen waren bereits am Sonntag und Donnerstag Israel-Flaggen gestohlen worden. Der Besitzer der Flagge bemerkte die Tat am Donnerstag, dennoch konnte er den mutmaßlichen Täter nicht an seiner Flucht hindern.
Seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der islamistischen Hamas wurden auch in Stuttgart und in weiteren Städten in Baden-Württemberg Israel-Flaggen von Fahnenmasten gerissen, angezündet oder mit Eiern beworfen.
Demo wurde aufgezeichnet Karlsruhe: Mehr als 400 Teilnehmer bei pro-palästinensischer Kundgebung
Mehr als 400 Menschen haben sich am Freitagabend an einer pro-palästinensischen Demonstration auf dem Karlsruher Marktplatz beteiligt. Die Kundgebung verlief friedlich.
Morddrohung gegen BW-Antisemitismusbeauftragten
Der Antisemitismusbeauftragte des Landes, Michael Blume, berichtet außerdem davon, dass er im Internet eine Morddrohung bekommen hat. Anfeindungen, sagt er, gehören für ihn leider zu seiner Tätigkeit dazu. Auch für viele andere jüdische Mitmenschen sei die Situation gerade eine große Belastung. "Jetzt erleben sie, dass gleichzeitig Israel angegriffen wird, aber auch hier Antisemitismus stattfindet. Da kann man sich vielleicht vorstellen, was das auch im Gefühlsleben der Menschen macht", sagte Blume.
2022: 245 antisemitische Straftaten in BW erfasst
Die Zahlen sehen so aus: Im vergangenen Jahr wurden 245 antisemitische Straftaten in Baden-Württemberg erfasst. Das ist ein Rückgang von 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In der Langfristbeobachtung über die letzten zehn Jahre sind die antisemitischen Straftaten jedoch deutlich gestiegen. Bei den antisemitischen Gewaltdelikten gab es bundesweit 88 - in Baden-Württemberg waren es fünf.
Laut dem Antisemitismusbeauftragten geht Antisemitismus aber auch von Zugewanderten aus. "Es gibt den alten deutschen Antisemitismus leider immer noch , aber es gibt natürlich auch den von Zugewanderten: Osteuropa, arabische Länder und so weiter", sagte Blume.
Bericht des Landesbeauftragten Antisemitismus in BW: Straftaten nehmen stark zu
Fast 400 antisemitisch motivierte Straftaten wurden im Land zwischen 2019 und 2022 verfolgt. Antisemitismus sei aber "kein Problem der Ränder", so der Landesbeauftragte Blume.
Hamas hat auch in Baden-Württemberg Anhänger
Eine SWR-Recherche zeigt: Laut Landesverfassungsschutz gibt es auch in Baden-Württemberg Anhänger der Hamas. Dazu werden rund 160 Mitglieder der Muslimbruderschaft gezählt. Regionale Schwerpunkte seien Vereine mit Sitz in Karlsruhe und Stuttgart.
Blume forderte ein Verbot von islamistischen Vereinen. Insgesamt sagt er, sei Baden-Württemberg aber vergleichweise gut aufgestellt beim Schutz jüdischer Einrichtungen. Besonders sinnvoll sei es gewesen, dass Baden-Württemberg als erstes Bundesland Stellen für Polizeirabbiner eingerichtet hat, die den Kontakt zwischen Gemeinde und Polizei verbessern.
Insgesamt investierte das Land Baden-Württemberg zwischen 2019 und 2023 rund dreieinhalb Millionen Euro in die Sicherung jüdisch-israelischer Einrichtungen. Im laufenden Jahr kommt noch mal eine Million für Sicherheitstechnik und Personal hinzu.