Bericht des Landesbeauftragten

Antisemitismus in BW: Straftaten nehmen stark zu

Stand

Fast 400 antisemitisch motivierte Straftaten wurden im Land zwischen 2019 und 2022 verfolgt. Antisemitismus sei dabei "kein Problem der Ränder", so der Landesbeauftragte Michael Blume.

Die Ermittlungsverfahren aufgrund antisemitisch motivierter Straftaten haben in Baden-Württemberg stark zugenommen. Das geht aus dem jüngsten Tätigkeitsbericht des Antisemitismusbeauftragten des Landes, Michael Blume, hervor, der dem SWR vorliegt. Blume ist Ansprechpartner für die Belange jüdischer Gruppen, aber auch für den Landtag, Kommunen, Kirchen- und Moscheegemeinden und Bildungseinrichtungen.

Der Bericht wurde zum zweiten Mal in den Landtag eingebracht. Zwischen 2019 und 2022 haben die Justizbehörden im Land rund 380 antisemitisch motivierte Straftaten verfolgt. Das waren 84 Prozent mehr als in Blumes erstem Tätigkeitsbericht aus dem Jahr 2019. "Herausragende Fälle" seien laut Blume unter anderem die antisemitischen Misshandlungen bei einer Studentenverbindungsfeier in Heidelberg im August 2020 oder der Brandanschlag auf die Ulmer Synagoge im Juni 2021.

Michael Blume, der Antisemitismusbeauftragter der baden-württembergischen Landesregierung, klagt gegen Twitter. (Archivfoto)
Der Landesbeauftragte gegen Antisemitismus, Michael Blume, hat seinen zweiten Bericht beim Landtag eingereicht.

Fünf Gewaltdelikte im Jahr 2022

Im vergangenen Jahr wurden im Land laut Bericht fünf antisemitische Gewaltdelikte erfasst. 2019 waren es zwei, 2020 vier und im Jahr 2021 eine Gewalttat. Es sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. In Baden-Württemberg bewegte sich die Zahl der Gewaltdelikte in den letzten zehn Jahren zwischen ein und fünf Gewalttaten, im Schnitt seien dies 2,8 antisemitische Gewaltdelikte pro Jahr. Auch wenn die antisemitischen Gewalttaten im gesamten Betrachtungszeitraum auf einem konstant einstelligen Niveau liegen und dies gemessen an der Gesamtzahl der Straftaten ein statistisch geringer Teil sei, müsse gehandelt werden, so Blume:

"Jeder Anstieg, jede einzelne antisemitische Gewalttat muss Anlass sein, noch stärker zu handeln."

Antisemitismus "kein Problem der Ränder"

Das Internet spielt laut dem Bericht für die Verbreitung von antisemitischem Hass und Verschwörungsmythen eine besondere Rolle: Nahezu die Hälfte aller antisemitischer Straftaten würden durch das "Tatmittel Internet" begangen. Zur Mehrheit der erfassten Fälle zählen laut Blume Volksverhetzung, Beleidigungen, Sachbeschädigungen sowie die sogenannte Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, meistens das Tragen von Hakenkreuzen.

Diese Straftaten würden weit überwiegend aus einer rechten Tatmotivation heraus begangen - Antisemitismus sei aber kein Problem der Ränder, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen: in der Schule, am Arbeitsplatz, im Internet.

Krisen als Ursache für den Anstieg an Straftaten?

Vor allem die jüngsten Krisen seien für den Anstieg an antisemitisch motivierten Straftaten verantwortlich. Während der Pandemie habe man schon eine Zunahme von antisemitischen Vorfällen und Straftaten erfasst - die nächste Welle könnte die Klima- und Wasserkrise sein, an der schon die nächsten Verschwörungsunternehmer dran seien, so Blume.

Bislang sind laut Bericht rund zwei Drittel der Handlungsempfehlungen aus dem letzten Tätigkeitsbericht umgesetzt worden. Dazu gehört auch die Einsetzung der europaweit ersten zwei Polizeirabbiner im Land, Moshe Flomenmann und Shneur Trebnik. Sie wirken seit Anfang 2021 unter anderem bei der polizeilichen Ausbildung mit.

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