Corona-Regeln missachtet?

Weitere Vorwürfe gegen freigestellten Inspekteur der BW-Polizei

Stand

In der Polizeiaffäre um den freigestellten Inspekteur der Polizei gibt es neue Details. Er soll trotz der Corona-Beschränkungen 2020 zur Sektrunde geladen haben.

Im Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags um die Polizei-Affäre und den vom Dienst freigestellten Inspekteur der Polizei (IdP) sind am Freitag weitere Details zur Sprache gekommen. Es ging dabei um nächtliche Sektrunden im Dienstzimmer des Spitzenbeamten, allerdings zu einer Zeit, in der er noch Vizepräsident des Landeskriminalamts (LKA) Baden-Württemberg war. Pikant ist dabei, dass eine dieser Runden im April 2020 stattfand, zu einer Zeit, als während der Corona-Pandemie Kontaktbeschränkungen galten.

LKA-Beamtin wird von Streifenpolizei kontrolliert

Zwei Polizisten berichteten im Ausschuss, dass ihnen bei einer Streifenfahrt während des Lockdowns im Frühjahr 2020 nachts eine Frau aufgefallen sei, die aus einem Hinterausgang des Landeskriminalamts kam. Sie habe sich als Kollegin zu erkennen gegeben, bei der Kontrolle aber in zahlreiche Widersprüche verwickelt. Außerdem habe sie eine Tasche mit mehreren leeren Sekt- und Weinflaschen dabeigehabt.

Bei einer weiteren Befragung wenige Tage danach an ihrem Arbeitsplatz sei die Kommissarin in Tränen ausgebrochen und habe erklärt, zum Antrittsbesuch beim LKA-Vizepräsidenten gewesen zu sein, dem späteren Inspekteur der Polizei. Er habe sie angewiesen, das Gebäude in der Nacht über den Notausgang zu verlassen, weil es sich dabei um die einzige nicht videoüberwachte Tür handelte.

Dem widersprach die Hauptkommissarin in ihrer Zeugenaussage im Untersuchungsausschuss: Es habe sich um ein Treffen mit fünf oder sechs Personen aus dem befreundeten Kollegenkreis im Büro des LKA-Vize gehandelt. In jedem Fall steht nun die Frage im Raum, ob die Corona-Regeln beim LKA missachtet wurden.

Vorfall kommt bei Prozess zur Sprache

An die Öffentlichkeit gelangte der gesamte Vorfall unlängst als Randaspekt im Prozess gegen die Rechtsterrorgruppe S am Oberlandesgericht Stuttgart. Dort sagte die LKA-Beamtin aus. Der Vorgang ist deshalb bemerkenswert, weil bei der Polizei nie jemand etwas von Verfehlungen des Karrierebeamten mitbekommen haben will.

Stuttgart

Fast zwei Jahre nicht mehr im Dienst Darum bekommt der freigestellte Polizei-Inspekteur von BW weiter Geld

Wegen sexueller Nötigung stand der ranghöchste Polizeibeamte Baden-Württembergs vor Gericht, seit zwei Jahren ist er nicht mehr im Amt - doch Geld bekommt er weiterhin.

Nachrichten, Wetter SWR2

Der Ausschuss muss nun weitere Zeugen hören, um die Frage zu beantworten, warum der LKA-Vize ein halbes Jahr nach diesem Vorgang zum ranghöchsten Polizeibeamten Baden-Württembergs aufsteigen konnte. Der Zwischenfall ist von der Polizeistreife schriftlich festgehalten und dem Landeskriminalamt gemeldet worden. Warum das ohne Folgen geblieben ist, oder ob die Meldung möglicherweise auf Druck des damaligen Vizepräsidenten nicht beachtet wurde, soll nun in weiteren Befragungen geklärt werden.  

Der Ausschuss befasst sich mit sexueller Belästigung in Landesbehörden, mit den Beförderungspraktiken bei der Polizei und mit der Weitergabe eines Anwaltsschreibens durch Innenminister Thomas Strobl (CDU). Dem Inspekteur der Polizei war vorgeworfen worden, eine Kommissarin 2021 sexuell belästigt zu haben. Er wurde zwischenzeitlich vom Landgericht freigesprochen, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Vorfall brachte den Ausschuss ins Rollen.

Auch Innenminister Strobl stand wegen der Sache unter Druck - er hatte nach eigenen Angaben ein Schreiben des Anwalts des Inspekteurs an einen Journalisten weitergereicht. Die Ermittlungen gegen ihn waren gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden.

Mehr zur Polizeiaffäre in BW

Baden-Württemberg

Beleidigungen, Gewalt, Ermittlungsfehler Bürgerbeauftragte fordert Kulturwandel bei der Polizei in BW

Die Bürgerbeauftragte des Landes fordert eine echte Neuausrichtung der Polizeikultur. Für das Vertrauen der Bürger reiche es nicht, lediglich eine neue Stabsstelle zu schaffen.

Baden-Württemberg

Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre Erinnerungslücken: Zeugenbefragung von Freiburger Polizeipräsident abgebrochen

Im BW-Landtag sorgt die Polizeiaffäre für erhitzte Gemüter: Der Untersuchungsausschuss hat die Zeugenbefragung des Freiburger Polizeipräsidenten Semling unter Protest abgebrochen.

SWR1 Baden-Württemberg SWR1 Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Reformen nach #MeToo-Skandal Personalrat wegen Polizei-Umbauplänen verärgert

Wegen der Polizei-Affäre hat BW-Innenminister Thomas Strobl (CDU) weitreichende Reformen angekündigt. Nun läuft der Personalrat im Innenministerium Sturm dagegen.

Stand
Autor/in
SWR

Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent.