Lastwagen mit Hilfsgütern für den Gaza-Streifen passieren den Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gaza-Streifen.

Hilfe für Palästinenser im Kriegsgebiet

Wie Baden-Württemberger in Gaza und im Westjordanland helfen

Stand
Autor/in
Michael Lehmann
Michael Ströbel

Im Gazastreifen leisten Ärzte und Pfleger lebensgefährliche Arbeit, um die medizinische Versorgung trotz des Krieges aufrechtzuerhalten. Unterstützt werden sie auch aus BW.

Auch in den aktuellen Kriegszeiten bekommen Menschen, die von der Gewalt in Israel betroffen sind, Unterstützung aus Baden-Württemberg - sogar im von israelischem Militär abgeriegelten Gaza-Streifen und dem Westjordanland. Unter komplizierten Umständen engagieren sich die Helferinnen und Helfer aus dem Land so gut es geht. 

Derzeit ist die Hilfe aber nur über Kontakte vor Ort möglich, wie beispielsweise beim Al Ahli-Krankenhaus in Gaza-Stadt. Dieses ist international bekannt geworden, nachdem Einschläge und Explosionen dort am 17. Oktober viele Menschen getötet und verwundet hatten. Uwe Gräbe von der evangelischen Mission in Solidarität (EMS) kümmerte sich schon davor mit seiner Hilfsorganisation von Stuttgart aus um Unterstützung für die Klinik. Gräbe ist Nahostreferent der EMS. Von 2006 bis 2012 war er Propst in Jerusalem und hat seitdem gute Kontakte in die Region.

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Bei den Explosionen seien "Fassaden beschädigt worden, der Eingangsbereich ist eingestürzt, ein Krankenwagen verbrannt", sagt Gräbe dem SWR. "Aber man konnte das reparieren und seitdem wird wieder operiert, rund um die Uhr." Allerdings unter widrigen Bedingungen, wie er beschreibt: Wunden würden mit Essig desinfiziert. Auch an Betäubungsmitteln werde gespart, selbst bei Operationen, sagt Gräbe.

Lebensgefährliche Arbeit für Ärzte und Pfleger

Das israelische Militär hatte die Zivilisten in Gaza-Stadt aufgefordert, diese zu verlassen und in den Süden zu flüchten. Seitdem ist die Arbeit für Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegerinnen und Pfleger im Al Ahli-Krankenhaus lebensgefährlich geworden. Die verantwortliche anglikanische Kirche in Jerusalem will den Betrieb der Klinik aber weiter am Laufen halten.

"Man kann ein Krankenhaus nicht so einfach evakuieren", so Gräbe. Schließlich seien Verletzte, Schwerstkranke zum Teil auch an medizinischen Geräten angeschlossen. "Die Menschen bleiben vor Ort und sie hoffen, dass das Krankenhaus in Zukunft aus dem Schussfeld herausbleibt." Und sie hoffen, dass die Hilfsgüter, die über Ägypten aus südlicher Richtung für den Gaza-Streifen per Lkw geliefert werden, auch die weit im Norden gelegene Klinik erreichen. Derzeit allerdings sind kaum Lieferungen möglich. Die Stadt wurde vom israelischen Militär eingekesselt.

Kontakt nach Gaza per Sprachnachricht

Gräbe organisiert die Hilfe von Stuttgart aus per E-Mail oder Sprachnachrichten. Ähnlich hält es Rudolf Rogg am Bodensee: Der Entwicklungshelfer war lange Jahre in leitender Funktion für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Westjordanland tätig und hat dort - auch jetzt nach seiner Pension - nach wie vor viele Kontakte. "Während sich viele um Gaza kümmern, findet das Geschehen in der West Bank kaum Beachtung", sagt Rogg.

Palästinensische Beduinen etwa haben ihm diese Woche per Mobiltelefon eine Nachricht geschickt und berichten von vielen Toten und nahezu auswegloser Konfrontation mit jüdischen Siedlern. Letzte Rettung sei ein Mitarbeiter der kleinen britischen Hilfsorganisation Amos Trust.

"Der Vorteil dieser Organisation ist, dass sie geleitet wird von einem Palästinenser, der gleichzeitig für die UN arbeitet, ein UN-Fahrzeug hat und dadurch noch einen Zugang hat", sagt Rogg. Die meisten Dörfer und Zufahrten in der West Bank seien derzeit abgeriegelt. Über ihn könnte dennoch vor allem finanzielle Hilfen an die dortigen Bauern weitergeleitet werden. An Menschen, die teilweise ihre komplette Existenz verloren hätten.

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Hoffnung auf Grenzöffnungen durch Ägypten

"Aktuell leisten wir vor allem Nothilfe", sagt Rogg. "Wir hoffen aber, bald, wenn die Lage sich beruhigt hat, auch wieder Starthilfe für eine neue Zukunft geben zu können." Doch das läge nach aktuellem Stand noch weit entfernt. Deutlich konkretere Hoffnung macht Rogg die Öffnung der Grenzen zu Ägypten für Hilfskonvois. Es wäre wichtig, "dass mehr Lieferungen reinkommen können, bisher war das nur ein Tropfen auf den heißen Stein."

Unterstützt wird diese Hilfe auch von einer jüdischen Organisation. Das habe den "Nebeneffekt, dass die Palästinenser in der Westbank auch die Erfahrung machen können, es gibt auch das andere Israel, auch das andere Judentum", sagt Rogg. Diese Perspektive sei für eine Zweistaatenlösung ungemein wichtig. Die Beduinen dort hätten mit der Hamas nichts zu tun, sagt Rogg. "Das sind bodenständige Bauern wie auf der Schwäbischen Alb und im Schwarzwald."

Verhärtete Fronten zwischen Israelis und Palästinensern

Uwe Gräbe von der evangelischen Mission macht in diesen Tagen die Erfahrung, dass sowohl Israelis als auch Palästinenser uneingeschränkte Solidarität für die eigenen Leute verlangten - gleichzeitig lehnen sie Verständnis für die Lage der anderen Seite ab.

Gräbe versucht trotzdem Gespräche mit beiden Seiten zu führen und appelliert an alle, die vielen sehr jungen Opfer dieser neuen Spirale der Gewalt ernst zu nehmen: "Denken wir einfach an die Kinder auf beiden Seiten. Die Palästinensischen Kinder, die jetzt auf dem OP-Tisch liegen, mit Bomben-, mit Granatsplittern in ihren Körpern, die dort herausoperiert werden müssen." Da hofft Gräbe auf Empathie, auch mit dem Blick auf eine friedlichere Zukunft.

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