Als Laura Effern nach Deutschland kam, war sie überrascht, wie offen hier über Politik gesprochen wird. "In Amerika redet man nicht über Politik, außer man weiß ganz genau, wir sind gleicher Meinung", sagt die US-Amerikanerin, die in Leonberg (Kreis Böblingen) lebt. Woran das liegt? Sie glaubt, man wolle Konflikte vermeiden. Für wen sie bei der Präsidentschaftswahl ihre Stimme abgegeben hat, will die zweifache Mutter nicht verraten. Es ist aber offensichtlich. "Ich wollte meinen Kindern heute Morgen eigentlich sagen, dass wir in den USA zum ersten Mal eine Präsidentin haben werden", sagt Laura Effern am Morgen nach der Wahl.
US-Amerikanerin: Angst um zweiten Sturm aufs Kapitol
Beobachter hatten ein knappes Rennen zwischen der Demokratin Kamala Harris und dem Republikaner Donald Trump erwartet. Am Mittwoch fuhr Trump aber einen klaren Sieg ein. Laura Effern sagt, sie fürchte sich davor, was in den nächsten vier Jahren passieren werde. Aber immerhin müsse sie sich jetzt keine Sorgen um ihre Eltern in den USA machen. "Sie hatten wirklich Angst, dass wenn Harris gewählt wird, Trump zu Gewalt aufrufen wird", sagt Laura Effern. Ihre Mutter habe schon geplant, nicht das Haus zu verlassen und große Menschenmengen zu meiden. Nach Trumps Niederlage bei den letzten US-Präsidentschaftswahlen hatten seine Anhänger im Januar 2021 das Kapitol in Washington gestürmt. Dabei kamen fünf Menschen ums Leben.
Ihren Eltern hat Laura Effern gesagt, wen sie gewählt hat. Ihre Tanten wissen es aber zum Beispiel nicht. Sie hat schlechte Erfahrungen damit gemacht, allzu offen über Politik zu sprechen. "Ich muss gestehen, dass ich ein paar Freunde in den USA habe, mit denen ich mich nicht mehr treffe, wenn ich dort bin", sagt sie. Sie würden sich in eine andere Richtung entwickeln und das sei schwierig.
Auch nach der Wahl bleibt das Misstrauen und das Unverständnis zwischen Anhängern der Demokraten und der Republikaner - und zwar nicht nur in den USA, sondern auch in Baden-Württemberg. Viele sind vorsichtig, wenn sie sich zu Politik äußern.
Football-Trainer gibt Medien Mitschuld an Polarisierung
Jordan Neuman lebt seit 2005 in Deutschland. Was er gewählt hat, will der 41-Jährige nicht verraten. Aber er sagt, er komme aus Texas, einem "republikanischen Staat". Seine Familie lebt dort. Neuman ist Trainer des Stuttgarter Football-Teams "Surge". Politik hat für ihn eigentlich nichts auf dem Feld verloren. "Ich habe meine Meinung, aber als Football-Trainer versuche ich mich da zurückzuhalten", sagt er. Nur mit den anderen Trainern spreche er manchmal über Politik und das sei immer respektvoll. "Das wünsche ich mir auch für Amerika als Land", sagt der 41-Jährige. "Dass wir alle unterschiedliche Meinungen haben, aber trotzdem respektvoll miteinander sprechen können und es nicht persönlich wird."
An der zunehmenden Polarisierung haben laut Neumann auch die US-Medien ihren Anteil. "Besonders bei dieser Wahl gibt es zwei Seiten: entweder du bist links oder du bist rechts", sagt Neuman. Für Beobachter ist schon lange klar, wie sich die US-Fernsehsender positionieren: Konservative schauen eher Fox News, Linke zum Beispiel den öffentlich-rechtlichen Sender PBS oder CNN. "Das ist ein bisschen schade, dass wir keinen Nachrichtensender haben, der einfach neutral bleibt", sagt der Football-Coach.
Ron Williams: Fox News "ist ein Propagandasender"
Das findet auch US-Entertainer Ron Williams. Vor allem was Fox News angeht, hat er eine klare Haltung: "Das ist ein Propagandasender." Aber auch die US-Presse sei nicht mehr frei in ihrer Berichterstattung. "Die Washington Post gehört zum Beispiel Jeff Bezos", sagt Williams in der SWR-Sendung "Zur Sache! Baden-Württemberg". Dem US-Investor und Amazon-Gründer war vorgeworfen worden, vor Trump eingeknickt zu sein. Erstmals seit Jahrzehnten hatte die Zeitung keine Wahlempfehlung zur US-Wahl ausgesprochen. Dabei war der Artikel für die Unterstützung von Harris schon vorbereitet. In den USA ist es im Gegensatz zu Deutschland üblich, dass große Zeitungen eine Empfehlung für die Präsidentenwahl aussprechen.
Es gebe, sagt Ron Williams, aber auch eine Übernahme aller kleineren Zeitungen - in den Städten und auf dem Land. In den vergangenen Jahren mussten viele kleinere Zeitungen in den USA schließen oder wurden von großen Medienunternehmen aufgekauft. "Es ist nicht mehr so wie vor 50 Jahren, wo einzelne Redaktionen die Nachrichten schreiben, wie sie wollen. Das wird alles von oben diktiert", glaubt der US-Entertainer.
US-Amerikaner: "zutiefst entsetzt" über US-Wahlergebnis
Ron Williams ist nach der Wahl schwer enttäuscht. "Ich bin zutiefst entsetzt, dass in meiner Heimat so viele Menschen so blind, so taub, so dumm waren, diesen Unmenschen wiederzuwählen", sagt er. Dass Amerika so viel Ignoranz besäße, sei für ihn eine ganz furchtbare Erkenntnis.
Hier können Sie die ganze Sendung "Zur Sache! Baden-Württemberg" vom 7.11.2024 nachschauen:
Demokratin: "Wie kann man Trump wählen?"
Sasha Arrington engagiert sich bei den "Democrats abroad", dem offiziellen Ableger der Demokratischen Partei im Ausland. In den vergangenen Monaten hat sie versucht, Wählerinnen und Wähler für Kamala Harris zu mobilisieren. Am Morgen nach der Wahl sagt sie: "Es ist ein dunkler Tag für die Demokratie. Ich bin so bestürzt, ich könnte heulen. Alle, mit denen ich telefoniert habe, haben auch nur geheult." Sie sei unfassbar traurig über das Ergebnis. "Wir hatten die bessere Kandidatin, die demokratische Werte vertritt und die Ehrlichkeit ausstrahlt und die eine wunderbare Diplomatin ist", sagt die Demokratin.
Folgen der US-Wahl Sieg von Trump: Baden-Württembergs Wirtschaft in großer Sorge
Die Präsidentenwahl ändere nichts daran, dass die USA der wichtigste Handelspartner Baden-Württembergs sind, meinen Wirtschaftsvertreter. Trotzdem ist die Sorge vor Zöllen groß.
Das Wahlergebnis erfuhr Sasha Arrington nach dem Aufstehen, mit ihrem Sohn vor dem Fernseher. Seit Wochen hatte sie mit ihren Freunden nur noch über die Wahl gesprochen - allerdings nur mit denen, die auch die Demokraten wählen. "Man sucht sich Personen, die die gleiche Denkweise haben, weil man sich einfach nicht vorstellen kann, wie jemand so einen Kandidaten wählen kann."
"Trump macht sich über jeden lustig: über Frauen, Minderheiten, Personen, die dem Land gedient haben und die schwer verletzt zurückgekommen sind. Wer wählt so jemanden?", fragt sich Sasha Arrington. Die andere Seite wiederum fände es unbegreiflich, wie man eine kommunistische Kandidatin wählen könne. Monatelang hatte Trump das Narrativ verbreitet, Harris sei eine "Marxistin, Kommunistin, Faschistin", die eine "Regierung im kommunistischen Stil" errichten wolle. Bei vielen Wählern habe das verfangen, obwohl es überhaupt nicht der Wahrheit entspreche, sagt die Demokratin.
Café-Besitzerin: "Leute können nicht mehr gemeinsam am Tisch sitzen"
Mit Rebecca Wawzyniak spricht Sasha Arrington häufig über Politik. Die beiden sind eng befreundet, wählen das Gleiche. Für sie fühle sich der Morgen nach der Wahl wie eine emotionale Achterbahnfahrt an, sagt Rebecca Wawzyniak. Sie steht hinter der Theke ihres Cafés in Ludwigsburg, lächelt tapfer ihren Gästen zu, aber wirkt sehr aufgewühlt. "Ich versuche, mich zusammenzureißen, aber die Tränen kommen trotzdem. Ich bin extrem enttäuscht", sagt die Café-Besitzerin. Sie habe so große Hoffnung gehabt. Jetzt verstehe sie wie viele Leute die Welt nicht mehr.
Viele ihrer Gäste sind Amerikaner. Nicht mit allen diskutiert sie über Politik. "Früher konnte man eine andere Meinung haben und sich trotzdem austauschen. Aber alles ist so extrem geworden: entweder bist du für mich oder gegen mich", sagt Rebecca Wawzyniak. Manchmal habe sie nicht die Energie oder Kraft für politische Diskussionen. "Die können mich nicht überreden und ich die auch nicht. Da fängt man lieber gar nicht mit dem Thema an."
Für Rebecca Wawzyniak hat Politik auch das Potenzial, Freundschaften und Familien zu zerstören. "Manche Leute können an Thanksgiving oder Weihnachten nicht mehr am gleichen Tisch sitzen", erzählt sie und ist froh darüber, dass das bei ihrer Familie nicht der Fall ist. Das sei sehr schwierig. "Du verlierst Respekt vor jemandem - oder zumindest geht es mir so - der Trump unterstützt. Nachdem er uns allen gezeigt hat, wie er ist und was er will." Nach dem Wahlergebnis denkt sie ernsthaft darüber nach, ihren US-Pass abzugeben.
Republikanische Wählerin: "Keine Toleranz in den USA"
Im Café sitzt auch Bettina Schuh. Ursprünglich kommt sie aus Kansas City, lebt aber seit 35 Jahren in Deutschland. Sie sei froh, dass sie hier wohne, sagt sie. "In den USA kann man kaum noch mit jemandem reden, ohne dass die Wahlen zum Hauptthema werden. In vielen Fällen gibt es keine Toleranz oder Akzeptanz mehr, dass jemand vielleicht eine gegenteilige Meinung hat und es wird gleich persönlich oder emotional." Das sei schrecklich. Politik oder Geld seien früher Tabuthemen gewesen, bestätigt Bettina. Mittlerweile sprächen aber viele öffentlich darüber. "Gerade die Sozialen Medien haben dazu beigetragen, dass jeder sich frei fühlt, seine Meinung kundzutun", sagt sie.
Trump ist sogar bei ihren deutschen Freunden Thema. "Ich habe eine Freundin, die mir vor vier Jahren gesagt hat: 'Wenn du Trump wählst, dann kündige ich dir die Freundschaft.' Und das ist eine Deutsche und sie ist konservativ", erzählt Bettina. Die erneute Kandidatur Trumps hat Bettina vor eine schwere Wahl gestellt. Sie selbst sei konservativ, wähle immer republikanisch, sagt sie. Dabei gehe es ihr um Positionen, nicht so sehr um die zur Wahl stehenden Personen. Die Charaktereigenschaften von Trump finde sie "abartig" und wirklich furchtbar, aber manches, wofür die Demokraten stehen, könne sie absolut nicht vertreten, sagt sie.
Bettina Schuh ist die Einzige, die wir treffen, die offen zugibt, dass sie die Republikaner und damit Donald Trump unterstützt hat. Woran liegt das? "Wahrscheinlich, weil es so hoch brisant und explosiv geworden ist und keiner sich zur Zielscheibe machen will", sagt sie. "Ich habe eine amerikanische Freundin hier in Deutschland, die mir sagt: 'Wie man bei Wahlen abstimmt, ist Geheimsache.' Sie ist eine meiner besten Freundinnen und sie erzählt mir nicht, wen sie gewählt hat."