Nach der tödlichen Messerattacke im nordrhein-westfälischen Solingen fordert die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) für Baden-Württemberg mehr Möglichkeiten, um gefährliche Gegenstände wie Messer und Waffen bei Stadt- und Volksfesten aufzuspüren. Der BW-Vorsitzende der Gewerkschaft, Ralf Kusterer, sagte im SWR, er erwarte von Innenminister Thomas Strobl (CDU) eine Änderung des Polizeigesetzes. Darin müssten vereinfachte Möglichkeiten der Durchsuchung von Personen geregelt werden, forderte Kusterer, der zugleich Vize-Bundeschef ist.
"Wir müssen die Rechtsgrundlage haben, auch außerhalb von Messerverbotszonen Menschen darauf zu durchsuchen, ob sie Messer oder andere Gegenstände bei sich haben", sagte Kusterer. Außerdem benötige die Polizei mehr Personal. Es müsse alles getan werden, "um die Personalstärke nicht weiter zu reduzieren, sondern aufrechtzuerhalten." Veranstaltungen und Feste müssten stärker geschützt werden - "und zwar natürlich mit eigenen Kräften, aber gegebenenfalls auch mit Fremdkräften", so Kusterer im SWR.
In Stuttgart beginnen demnächst zwei große Feste
Am Mittwoch, den 28. August, beginne das Stuttgarter Weindorf. Ende September starte der Cannstatter Wasen. "Da muss man in der Tat über Zugangskontrollen nachdenken, wo man auch mal in die Taschen der Leute hineinschaut und das entsprechend angeht“, sagte Kusterer in SWR Aktuell. Außerdem sei Videoüberwachung notwendig. Auf den Bildern müsse man auch nachts etwas erkennen können.
Die Stadt Stuttgart hat bereits angekündigt, die Sicherheitsvorkehrungen für das Weindorf zu verschärfen.
BW-Innenminister Strobl: Sicherheitsbehörden sind wachsam
Am Sonntag hatte sich Innenminister Strobl zur Sicherheitslage im Land geäußert. Die Sicherheitsbehörden seien sensibilisiert, niemand müsse in Panik sein, so Strobl. Es gebe zur Stunde keine Bezüge nach Baden-Württemberg, erklärte Strobl am Sonntag. Man habe nach wie vor eine abstrakte Gefährdungslage durch den islamistischen Terror. Er verwies darauf, dass die Sicherheitsbehörden wachsam seien.
Ebenso wie viele andere Politiker in BW zeigte sich Strobl schockiert über die Tat und verurteilte sie scharf.
Auf einem Stadtfest in Solingen waren am späten Freitagabend bei einer Messerattacke drei Menschen getötet worden. Acht Weitere wurden verletzt, fünf davon schwer. Der Tatverdächtige konnte zunächst unerkannt fliehen, stellte sich aber am Samstagabend selbst der Polizei und wurde festgenommen.
Er wurde am Sonntag in Untersuchungshaft genommen. Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof erließ einen entsprechenden Haftbefehl, wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte. Der Behörde zufolge ist der 26-Jährige dringend verdächtig, die Tat als ein Mitglied der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) aus islamistischer Gesinnung heraus begangen zu haben.
Der IS hatte den Anschlag zuvor für sich reklamiert: Der Angreifer sei IS-Mitglied gewesen. Am Sonntagmorgen teilte die Bundesanwaltschaft mit, auch wegen Verdachts der Mitgliedschaft gegen den Tatverdächtigen zu ermitteln.
Grüne: Brauchen waffenfreie Städte
Der Innenexperte der Grünen in Baden-Württemberg, Oliver Hildenbrand, nannte die Brutalität der Tat "fraglos verstörend und verunsichernd". Alle Menschen sollten sich im öffentlichen Raum frei und sicher bewegen können. "Wir Grüne machen uns stark, dass unsere Städte und Gemeinden grundsätzlich waffen- und messerfreie Räume sind", so Hildenbrand.
SPD zu tödlichem Angriff in Solingen: Die Tat ist "abscheulich"
Der Generalsekretär der baden-württembergischen SPD, Sascha Binder, erklärte gegenüber dem SWR: "Die Bluttat von Solingen ist abscheulich und ruft unser aller Entsetzen hervor." Jetzt sei die Zeit, die Tat und ihre Hintergründe aufzuklären und den Täter zur Verantwortung zu ziehen.
Klar sei auch, dass Messerattacken dieser Art nicht nur gefühlt zunähmen, sondern nachweislich. Die SPD habe deshalb wiederholt Vorschläge zum Beispiel für Messerverbotszonen gemacht, so Binder.
Abschiebungen: FDP fordert Grüne zum Einlenken auf
Der Anschlag auf Besucher des Solinger Stadtfestes habe unsere Gesellschaft tief getroffen, sagte der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion Hans-Ulrich Rülke. "Ich verurteile die Tat und fordere die Grünen auf, endlich den Weg frei zu machen für Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan." Anlass ist, dass es sich bei dem Tatverdächtigen um einen Syrer handeln soll.
AfD: "Wir haben davor gewarnt"
AfD-Landtagsfraktionschef Anton Baron schrieb auf der Plattform X mit Blick auf den tödlichen Angriff: "Wir haben davor gewarnt. Aber niemand wollte auf die AfD hören." Nur seine Partei werde "diesen Wahnsinn" beenden. Außerdem sei Solingen nun "im doppelten Sinne eine Messerstadt. Schrecklich!". Damit spielte er offenbar darauf an, dass in der nordrhein-westfälischen Stadt Messer hergestellt werden.
Polizei-Gewerkschaft kritisiert Floskeln aus der Politik
Die Deutsche Polizeigewerkschaft Baden-Württemberg stört sich offenbar an der Art der Reaktion von Politikerinnen und Politiker auf Taten wie in Solingen. Der Stellvertretende Bundes- und Landesvorsitzende in Baden-Württemberg, Ralf Kusterer, sprach in einer Mitteilung von einer "floskelgestützten Hilflosigkeit der Politik": "Denn man geht immer mit der vollen Härte vor, Straftäter müssen immer einer gerechten Strafe zugeführt werden", so Kusterer.
Die Gewerkschaft fordert daher ein Gesetz, das der Polizei mehr Kontrollrechte zugesteht. "Wir brauchen eine Änderung der Sicherheitspolitik im Innern", heißt es. Der Anschlag in Solingen, aber auch die Messerattacke in Mannheim zeigten, dass die Täter ganz bewusst Straftaten verübten. "Das Diskutieren über Grenzkontrollen wird nicht helfen", heißt es weiter.
Muslimische Ahmadiyya-Gemeinde: "Für uns doppelt traurig"
Die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde hat die Messerattacke von Solingen als "erschreckend" verurteilt. "Das war fürchterlich und vor allem hat es uns betrübt, weil es im Namen des Islam geschehen sein soll, durch den sogenannten Islamischen Staat (IS). Deshalb ist es für uns doppelt traurig", sagte Imam Scharjil Khalid dem SWR. Die Gemeinde bete für die Opfer. Von Freitag bis Sonntag fand in der Eifel das alljährliche Treffen der Ahmadiyya-Gemeinde Deutschland statt. Nach Veranstalterangaben kamen 55.000 Gäste auf den ehemaligen Bundeswehrflugplatz Mendig (Landkreis Mayen-Koblenz).