Nach tödlichen Schüssen der Polizei auf einen 49-Jährigen in Mannheim am vergangenen Samstag (23.12.) haben das Landeskriminalamt (LKA) und die Staatsanwaltschaft weitere Ermittlungsergebnisse bekanntgegeben. So hat beispielsweise die Obduktion wie erwartet ergeben, dass der 49-Jährige an den Folgen der Verletzungen durch die Schüsse gestorben ist. Er war zuvor noch in ein Krankenhaus gebracht worden.
Laut einer Mitteilung vom Freitag des LKA und der Staatsanwaltschaft haben die Ermittelnden schon mehr als 20 Zeuginnen und Zeugen gehört. 130 Videos in einer Größe von mehreren Gigabyte, die bisher übermittelt wurden, werden ausgewertet, heißt es.
Für eine detaillierte Rekonstruktion des Geschehens am Tag vor Heiligabend hätten Fachleute mithilfe eines 3D-Scans den Tatort und kriminalistisch relevante Spuren dokumentiert. Zudem führten forensische Sachverständige ballistische Untersuchungen durch, um Details des Schusswaffeneinsatzes lückenlos zu ermitteln.
Mann soll Beamte mit Messer bedroht haben
Nach dem neuen Stand der Ermittlungen hatte der 49-jährige Mann über Notruf bei der Polizei angerufen und mitgeteilt, dass in seiner Wohnung in der Johann-Schütte-Straße eine tote Person läge. Der 49-Jährige war türkischer Staatsbürger. Die "Initiative 2. Mai" betont, dass immer wieder Menschen aus migrantischen Milieus Opfer von Polizeigewalt würden.
Der 49-Jährige sei in der Vergangenheit bereits mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten. Als die Beamten ankamen, soll der Mann mit einem Messer bewaffnet vor dem Haus gestanden und die Polizisten bedroht haben.
Keine neuen Details zum Einsatzverlauf
Was den Verlauf des Einsatzes angeht, gab es am Freitag keinen neuen Ermittlungsstand. Polizei und Staatsanwaltschaft informieren aktuell wie folgt über den weiteren Ablauf des Einsatzes: "Als sich der 49-Jährige schließlich mit dem Messer in der Hand auf die Polizeikräfte zubewegte, machte einer der eingesetzten Polizeibeamten von seiner Dienstwaffe Gebrauch."
In der Wohnung hätten die Einsatzkräfte keine Leiche entdeckt, hieß es zudem. Mit dem endgültigen Obduktionsergebnis und den Ergebnissen weiterer Untersuchungen sei erst in mehreren Wochen zu rechnen, heißt es in der Mitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft.
Tochter: Vater hatte psychische Probleme
Am Tag nach dem Einsatz in Mannheim-Schönau sprach die 18-jährige Tochter des verstorbenen Mannes mit dem SWR. Sie erzählte, sie sei eines von drei Kindern. Die Familie sei schockiert und in tiefster Trauer. Ihr Vater habe schon immer psychische Probleme gehabt und sei der Polizei bekannt gewesen. Trotzdem hätte er "niemandem etwas angetan". Sie könne nicht begreifen, dass ihr Vater sterben musste.
Der Mann hat den Angaben zufolge gemeinsam mit seinen drei Kindern bei seiner Mutter gelebt. Zu den Hintergründen und dem Motiv des 49-Jährigen war den Angaben zufolge vorerst nichts bekannt. Einen Streit habe es ersten Erkenntnissen nach aber nicht gegeben.
Anwohner berichten von mehreren Schüssen
Nach dem Einsatz kursierte in den sozialen Medien ein Video, in dem in mehreren Einstellungen höchstwahrscheinlich die tödlichen Schüsse zu sehen sind. In dem Clip steht ein Mann mit nacktem Oberkörper vor drei Polizeibeamten. Zu hören ist, wie andere Einsatzkräfte umstehende Schaulustige anweisen, den Bereich zu verlassen.
Die Polizisten fordern den Mann lautstark auf, sein Messer wegzulegen. Als er daraufhin auf die Beamten zugeht, fallen vier Schüsse, der Mann bricht zusammen und wird von Polizisten umringt. Danach endet das Video.
Kundgebung am vergangenen Mittwoch
Am Mittwochabend hat es am Tatort in Mannheim-Schönau eine Mahnwache mit hunderten Teilnehmenden gegeben, zu der die "Initiative 2. Mai" aufgerufen hatte. Die Aktionen stehen unter der Überschrift "Wie viele noch?".
Die Initiative ist nach einem Ereignis am 2. Mai 2022 benannt, bei dem ein psychisch kranker Mann infolge eines Polizeieinsatzes in der Mannheimer Innenstadt starb. Der Prozess gegen zwei beteiligte Beamte wegen Körperverletzung im Amt mit Todesfolge beziehungsweise wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen soll am 12. Januar 2024 beginnen.
Schusswaffe nur als äußerstes Mittel erlaubt
Dienstwaffen dürfen nach Angaben des Innenministeriums nur als "Ultima Ratio", also als äußerstes Mittel, genutzt werden. Ob "unmittelbarer Zwang" angewendet wird, entscheiden die Polizistinnen und Polizisten demnach grundsätzlich bezogen auf den Einzelfall und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.
"Taser", die Elektroschocks abgeben, werden in Baden-Württemberg nur von Spezialeinsatzkommandos eingesetzt. Polizisten im Streifendienst sind damit - anders als zum Beispiel in Rheinland-Pfalz - nicht ausgestattet. Vor der Landtagswahl 2021 hatte die Deutsche Polizeigewerkschaft gemeinsam mit der baden-württembergischen CDU gefordert, die Ausrüstung der Polizeistreifen im Land mit Tasern zu erproben.
Im Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung wurde der Einsatz über Spezialkräfte hinaus dann aber ausdrücklich ausgeschlossen. Ralf Kusterer, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in Baden-Württemberg, hat inzwischen die Forderung bekräftigt, in Zukunft auch Elektrowaffen für den Polizeidienst zu erlauben.
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