Vertretungsstunden, Schreibkram, lange Arbeitstage und aufmüpfige Jugendliche: Baden-Württembergs Lehrerinnen und Lehrer stehen nach Überzeugung des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) so stark unter Druck wie nie zuvor - und sie fallen nach einer Umfrage so oft aus wie noch nie.
Wie die Bildungsgewerkschaft am Freitag in Stuttgart mitteilte, sagten 57 Prozent der befragten Schulleitungen im Land, die Zahl der dauerhaft wegen physischer Belastung erkrankten Lehrkräfte habe zugenommen - vor fünf Jahren war der Wert mit 29 Prozent nur etwa halb so hoch. Bei den psychischen Erkrankungen berichteten 2019 noch 30 Prozent von Ausfällen, im vergangenen Jahr waren es 58 Prozent.
Schulleitungen wünschen sich weniger Bürokratie
"Das sind mit Abstand die höchsten Werte, die wir bisher gemeldet bekommen haben. Das Bild, das sich abzeichnet, ist verheerend", sagte der VBE-Bundes- und Landesvorsitzende Gerhard Brand. Aus Sicht der meisten Schulleitungen wäre es gesundheitsfördernd, wenn bei der Verwaltungsarbeit reduziert werden könnte. "Weniger Bürokratie ist ein Schlüssel - nicht nur für die Gesunderhaltung der Kollegien, sondern auch, dass sich Lehrkräfte wieder vermehrt auf ihr Kerngeschäft, den Unterricht, konzentrieren können", sagte Brand.
Hilfreich könnte es nach Einschätzungen der Schulleitungen auch sein, die Aufgaben und die Mehrarbeit gleichmäßiger zu verteilen. Etwa jede fünfte befragte Schulleitung (21 Prozent) gab in der Umfrage an, Supervision oder der Einsatz von Psychologen könnten helfen.
Ministerium: "Ein allgemeines gesamtgesellschaftliches Phänomen"
Aus Sicht des baden-württembergischen Kultusministeriums sind die Belastungen branchenübergreifend. "So nachdenklich uns alles das machen muss: Es handelt sich leider um ein allgemeines gesamtgesellschaftliches Phänomen. Und es ist klar, dass Schule als Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen hier keine Ausnahme bildet", sagte ein Ministeriumssprecher.
Allerdings spiegeln die Daten des Ministeriums zu langzeiterkrankten Lehrkräften den vom VBE genannten Trend nicht wider. Demnach galten im vergangenen Schuljahr 1.759 Lehrkräfte als dauerhaft erkrankt, das sind 13 mehr als im Vorjahr und sogar weniger als vor zehn Jahren - 2012/2013 waren 1.764 Lehrkräfte betroffen.
An der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des VBE haben bundesweit 1.310 Schulleiterinnen und Schulleiter teilgenommen, 250 davon laut VBE aus Baden-Württemberg. Im Südwesten gibt es nach Angaben des Statistischen Landesamtes rund 4000 allgemeinbildende Schulen.