Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) befürwortet die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angekündigten bundesweiten Grenzkontrollen grundsätzlich. "Es hat sich gezeigt, dass die Grenzkontrollen, wo sie gemacht wurden, wirksam waren", sagte der Grünen-Politiker am Dienstag. Die Bundesregierung müsse nun rechtskonforme Vorschläge machen. "Wenn sie solche Vorschläge macht, stehe ich dem offen gegenüber."
Bundesinnenministerin Faeser hatte am Montag Grenzkontrollen an allen deutschen Landesgrenzen angekündigt. Von der Bundesentscheidung wäre auch Baden-Württemberg betroffen. Es gibt derzeit aber ohnehin Kontrollen an der Grenze zur Schweiz und zu Österreich. Die Grenzkontrollen zu Frankreich im Rahmen der Fußball Europameisterschaft der Männer und der Olympischen Spiele in Paris werden demnach nach dem 30. September fortgesetzt.
Kretschmann sieht keine Beschwernisse für Pendler
Nachteile für die Bevölkerung befürchtet Kretschmann durch die Kontrollen nicht. Bisher nehme er nicht wahr, dass im Alltag der Menschen zum Beispiel bei Pendlern oder Urlaubsreisenden dadurch relevante Beschwernisse entstünden, so Kretschmann. "Ich habe da keine Befürchtungen."
BW-Ministerpräsident appelliert an die Grünen
Die Grünen auf Bundesebene forderte Kretschmann dazu auf, sich offen für die Eindämmung der irregulären Migration einzusetzen. Der Begriff "irregulär" oder unrechtmäßig wird im Hinblick auf Personen verwendet, die sich ohne Aufenthaltsrecht oder Duldung und ohne Kenntnis der Ausländerbehörden in Deutschland aufhalten.
Er könne denen, die sich hier schwertäten, nur raten, das zu überdenken, sagte Kretschmann. "Dem Druck von anderen immer nur stückchenweise nachzugeben, ist kein Erfolgsrezept." In diesem Zusammenhang verwies er auf die schweren Wahlniederlagen der Grünen in Thüringen und Sachsen. "Das sind Signale, die jeder hören sollte", so der 76-Jährige.
Ganz anders sieht das offenbar die Co-Vorsitzende der Bundes-Grünen Ricarda Lang (Wahlkreis Backnang-Schwäbisch Gmünd). "Ein geeintes Europa ohne Grenzzäune und Mauern ist ein großes Geschenk", schrieb sie am Dienstag auf der Social-Media-Plattform X. Es sei besorgniserregend wie viele bereit seien, diese Freiheit leichtfertig aufzugeben.
Zuvor hatte sich bereits Omid Nouripour, ebenfalls Co-Vorsitzender der Bundes-Grünen, skeptisch zur Idee der Bundesinnenministerin geäußert. Es gelte die Ideen auch mit den europäischen Partnerstaaten und vor allem mit den Nachbarn zu besprechen. Er verwies dabei im Deutschlandfunk auch auf Österreich, das bereits signalisiert hatte, keine von Deutschland abgewiesenen Migranten zurücknehmen zu wollen.
FDP-Fraktionschef: Illegaler Migration "einen Riegel" vorschieben
Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich-Rülke sprach sich für Grenzkontrollen aus. "All unsere Binnengrenzen müssen unbedingt so lange kontrolliert werden, bis der Schutz der europäischen Außengrenzen umfänglich gewährleistet ist", teilte er am Dienstag mit. Man müsse die Chance ergreifen, jetzt durch konsequente Zurückweisungen an den Grenzen die Zugangszahlen wirksam zu begrenzen und der illegalen Migration damit einen Riegel vorzuschieben.
BW-Landkreise fordern zusätzliche Maßnahmen
Der Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg, Joachim Walter (CDU), befürwortet bundesweite Grenzkontrollen. "Es muss eine Zurückweisung von Geflüchteten an den Grenzen geben", sagte er dem SWR. Walter stellt sich damit hinter CDU-Chef Friedrich Merz, der genau das von der Ampel-Regierung in Berlin gefordert hatte. Nach überwiegender Meinung von Experten ist eine Zurückweisung in die Nachbarländer aufgrund von EU-Recht aber gar nicht erlaubt.
Nach Ansicht von Walter ist der Druck auf die Kommunen im Hinblick auf Unterbringung und Integration groß. Vor der Gesprächsrunde zur Migrationspolitik von Ampel-Regierung, den Bundesländern und der Union am Dienstagnachmittag forderte er deshalb zusätzliche Maßnahmen. Konkret sprach er sich dafür aus, Leistungen für Schutzsuchende zu kürzen. "Wir haben ein vergleichsweise hohes Niveau an Sozialleistungen, das wir Geflüchteten gewähren", sagte der Präsident des Landkreistags. Wenn man diese Leistungen kürze, könne man die Anziehungskraft, die von Deutschland momentan ausgehe, senken. Außerdem machte sich Walter für die flächendeckende Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete stark.
Auch der Gemeindetag unterstütze Vorschläge, die geeignet seien, die irreguläre Zuwanderung spätestens an der deutschen Außengrenzen zu begrenzen, hieß es gegenüber dem SWR. Dazu zählen aus kommunaler Sicht auch Grenzkontrollen, solange diese nicht wirksam an den europäischen Außengrenzen gewährleistet werden. Gemeindetag-Präsident Steffen Jäger sagte: "Der Staat muss deutlich machen, dass er die Kontrolle über das Migrationsgeschehen hat."
Flüchtlingsrat hält Debatte für falsch
Der baden-württembergische Flüchtlingsrat warnte vor einer Art Überbietungswettkampf quasi aller Parteien. "In einem rasenden Tempo werden Vorschläge gemacht, die das Spektrum des Sagbaren und des politisch Möglichen immer weiter nach Rechts verschieben", sagte die Co-Geschäftsführerin Anja Bartel. Das werde getan ohne Rücksicht auf die desaströsen Konsequenzen, die das für die Betroffenen habe, und auch ohne Rücksicht auf grundlegende rechtliche Rahmenbedingungen.
Von Politikerinnen und Politikern in Machtpositionen könne zudem erwartet werden, dass sie sich an geltende rechtliche Grundsätze hielten und sich nicht darüber hinwegsetzten, nur weil das gerade politisch opportun erscheine. "Deutschland darf Schutzsuchende nicht einfach in jenes Land zurückschicken, aus dem sie einzureisen versuchen, denn Zurückweisungen an den Binnengrenzen sind unionsrechtswidrig", sagte Bartel.
Gespräche von Union und Ampel gescheitert
Am Dienstagabend erklärte die Union dann die Gespräche mit der Ampelregierung zur Migration für gescheitert. CDU und CSU gingen die Vorschläge von SPD, Grünen und FDP nicht weit genug. Die Gespräche seien gescheitert und sollen nicht fortgeführt werden. "Das erübrigt sich", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei (CDU), am Abend.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stellte eine Art Dublin-Schnellverfahren an der Grenze vor. Die Bundespolizei soll so direkt an der Grenze prüfen, ob nicht ein anderer EU-Mitgliedsstaat für das Asylverfahren zuständig sei, ohne dass die Flüchtlinge ins Land einreisen würden. Um ein Untertauchen zu verhindern, könne Haft beantragt werden.
Warum die Gespräche zwischen Union und Bundesregierung gescheitert sind, erklärt Hauptstadtkorrespondent Sebastian Deliga: