Die kommunalen Landesverbände machen massiv Front gegen das geplante Gleichbehandlungsgesetz der Landesregierung in Baden-Württemberg. In einem gemeinsamen Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der dem SWR vorliegt, zeigen sich Städtetag, Gemeindetag und Landkreistag überzeugt, "dass es dieses Gesetz nicht benötigt".
Die Präsidenten der drei Verbände warnen vor bürokratischem Mehraufwand für Behörden. Die Folge: "Entscheidungswege innerhalb der Verwaltungen würden nochmals verlängert und erschwert." Das dürfe Kretschmann auf keinen Fall zulassen, schließlich sei es das Ziel der Entlastungsallianz von Landesregierung, Kommunen und Wirtschaft, die Menschen von Bürokratie zu befreien.
Kommunen einig: Demokratiefeinde könnten Verwaltung lahmlegen
Die Präsidenten der drei Verbände, Frank Mentrup (Städtetag), Steffen Jäger (Gemeindetag) und Joachim Walter (Landkreistag) beklagen, das Gesetz zeige ein "hohes Maß an Misstrauen" gegenüber den Beschäftigten in den Behörden. Wenn es nun erleichtert werde, gegen Behörden vorzugehen, leiste man einer "Amerikanisierung" des deutschen Rechts Vorschub. Die Kommunen befürchten zudem, Gegnerinnen und Gegner der Demokratie könnten die neuen Regelungen missbrauchen, um Verwaltungen mit ihren Beschwerden verstärkt lahmzulegen. "Was früher als Querulanten bezeichnet wurde, sind heute immer häufiger und in immer größerer Zahl Reichsbürger und Verfassungsfeinde."
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Anspruch auf Schadenersatz bei Diskriminierung geplant
Nach den Plänen der grün-schwarzen Landesregierung sollen sich Bürgerinnen und Bürger künftig leichter gegen eine Benachteiligung durch Behörden wehren können. Mitte Dezember hatte das Kabinett den ersten Entwurf aus dem CDU-geführten Innenministerium gebilligt. Demnach soll das Recht auf Gleichbehandlung auch beim Finanzamt, in der Ausländerbehörde oder auf dem Polizeirevier gelten. Damit würde das Land das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz des Bundes ergänzen, das auf den privaten Bereich zielt - wie etwa die Gleichbehandlung bei der Wohnungssuche oder am Arbeitsplatz.
Durch das Gesetz bekämen die Betroffenen erstmals einen gesetzlich verankerten Schadens- und Schmerzensgeldanspruch, wenn sie durch eine Behörde oder öffentliche Stelle diskriminiert werden. Dabei soll es eine sogenannte Beweislast-Erleichterung geben. Das heißt, wenn es klare Indizien für eine Benachteiligung gibt, muss die Behörde nachweisen, dass keine Diskriminierung stattgefunden hat. Anders als etwa im Land Berlin soll es aber kein Verbandsklagerecht und auch keine Beweislastumkehr geben. Demnächst sollen sich die Ministerien mit dem ausgearbeiteten Entwurf befassen. Bis zum 15. März sollen die Verbände ihre Stellungnahmen abgeben.
Minister Hauk stellt Gesetz offen infrage
Die massive Kritik ist Wasser auf die Mühlen der CDU, die den Plänen von Anfang an skeptisch gegenüberstand. Die Initiative geht auf Grünen-Fraktionsvize und Innenexperte Oliver Hildenbrand zurück. Die CDU hatte nach der Wahlniederlage 2021 akzeptiert, dass solche Pläne im Koalitionsvertrag verankert werden. Doch nun wird in der CDU das geplante Gesetz offen infrage gestellt. Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) sagte: "Das hielte ich für angezeigt, darüber nochmal nachzudenken, damit da kein neues Bürokratiemonster entsteht." Auch Winfried Mack, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, hat eine klare Meinung zu den Plänen: "Noch mehr Bürokratie und Schwergang können wir uns schlicht nicht mehr leisten", sagte er dem SWR.
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Hintergrund dafür könnte auch sein, dass sich Hildenbrand zuletzt mit kritischen Bemerkungen und Nachfragen beim Koalitionspartner CDU unbeliebt gemacht hat. Mit Blick auf den Untersuchungsausschuss zur Polizei-Affäre, als auch den Innenausschuss zur Eskalation der Proteste beim grünen Aschermittwoch in Biberach, heißt es in der CDU-Fraktion, Hildenbrand schlüpfe quasi in die Rolle eines Oppositionspolitikers.
Kommunen: Beschäftigte halten sich an Recht und Gesetz
Die Kommunen sind in Sachen Gleichbehandlung der festen Überzeugung, "dass weder eine tatsächliche noch eine juristische Notwendigkeit für diese Maßnahme besteht." Mentrup, Jäger und Walter betonen: "Die Verwaltungen in den Rathäusern und Landratsämtern haben sich bereits bisher an Recht und Gesetz, insbesondere an den in der Menschenwürdegarantie und den Grundrechten verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz, gehalten. Dies ist fest im Selbstverständnis der kommunalen Bediensteten verankert und findet bereits umfassend und ausreichend im bestehenden Rechtsrahmen Platz." Schon jetzt gebe es im Zweifel genügend Möglichkeiten, gegen Entscheidungen vorzugehen.
Rathäuser und Landratsämter müssten ausgenommen werden
Städte, Gemeinden und Landkreise befürchten zudem, dass die Verwaltung als Arbeitgeber weiter an Attraktivität verliere. "Dies wäre gerade in einer Zeit, in der schon heute tausende Stellen unbesetzt sind und auch der allgemeine Arbeitsmarkt branchenübergreifend kaum noch Fachkräfte vorhält, fatal. Die Wirkung des gut gemeinten Gesetzes droht sich damit ins Gegenteil zu verkehren." Rathäuser und Landratsämter, also Gemeinden, Gemeindeverbände sowie die Landratsämter als untere Verwaltungsbehörden, sollten vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen werden. Mentrup, Jäger und Walter bitten den Ministerpräsidenten, dass die Landesregierung den Entwurf nochmal überdenkt.
Aus den Kommunalverbänden hieß es, der Brief sei schon Ende Januar verschickt worden. Man habe aber keine befriedigende Antwort erhalten, deswegen müsse man nun nochmal in die Offensive gehen. An der Kritik habe sich nichts geändert. Auch der Landrat des Zollernalbkreises, Günther-Martin Pauli, sagte am Donnerstagabend in der SWR-Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg", die Regierung schieße mit ihren Plänen über das Ziel hinaus. Es könne nicht sein, dass die Landesregierung Zweifel an der Integrität der kommunalen Behörden säe.