Es ist Mittagszeit im "Landgasthof zum Goldenen Anker" in Eggenstein-Leopoldshafen (Kreis Karlsruhe). Alle Tische sind besetzt. Menschen, die sich mit Freunden treffen wollen. Eine Familienfeier, eine Firmenfeier - verschiedene Anlässe bringen die Gäste hierher. "Jetzt in der Vorweihnachtszeit ist es mir abends zu voll, da versuchen wir mittags zu gehen", sagt Gerhardt Jacobi, ein Gast im Restaurant.
Der Rentner gehe trotz der erhöhten Preise regelmäßig essen. Dasselbe gilt für seinen Tischnachbarn Achim Klein. Er schaue dabei schon auf das Geld, "allerdings mehr im Verhältnis, was bekomme ich für mein Geld - sprich Preis-Leistung."
Restaurantbesuche ballen sich vor Weihnachten
Weihnachtsfeiern, Restaurantbesuche oder einfach nur Treffen mit Freunden häufen sich besonders vor Weihnachten. "Ich denke, zum Ende des Jahres sagt man: 'Jetzt treffen wir uns noch mal!'", bemerkt Restaurantbesucherin Ulrike Jacobi. "Dann staut es sich doch zum Schluss." Auch bei Gaby Klein werde es die letzten zwei Wochen vor Weihnachten immer extrem. "Man hat ja eigentlich das ganze Jahr Zeit", lacht sie. "Aber irgendwie hat man immer am Ende des Jahres das Bedürfnis, sich zusammenzusetzen."
Gaby Klein schätze es, im Lokal verwöhnt zu werden und probiere gerne neue Gerichte aus. Sie gebe dafür auch gerne Geld aus und spare lieber an anderen Dingen. An einem anderen Tisch sitzt Mathias Trisch. Er gehe vielleicht nicht mehr so häufig wie früher essen, aber immer noch. "Man muss ja die Wirtschaft, die Gastronomie unterstützen." Und gute Lokale gebe es immer weniger.
Nicht nur an Weihnachten: Großes Team arbeitet in Eggenstein-Leopoldshafen
Auch in der Küche ist viel los. Salate werden angerichtet, Zucchini in der Pfanne und Kartoffeln auf einer heißen Grillplatte angebraten. Pommes frittiert und vegetarische Burger gegrillt. "Wir sind den ganzen Dezember mittags voll. Sonst war das die Monate davor nicht so der Fall. Da war es auch ab und zu mal voll, aber nicht durchgehend", sagt der Koch Armin Radtke. Anders sei das hingegen abends. "Da ist es eher die Ausnahme, wenn es mal nicht voll ist."
In der Zeit vor Weihnachten ist viel zu tun. Dennoch müsse man sich die Zeit zum Durchschnaufen nehmen. "Ich habe zum Glück ein so großes Team, also kann ich auch mal ein, zwei Tage die Woche frei machen", erklärt Radtke. "Also das braucht man dann auch zum Regenerieren, vor allem wenn man schon ein bisschen älter ist wie ich."
Weniger Leute wollen in den Service
"Wir könnten mehr machen, wenn wir noch mehr Mitarbeiter hätten", sagt die Besitzerin des Gasthofes, Stephanie Radtke. Neben dem Restaurant betreibt die Familie noch ein Hotel. Der Frühstücksraum könnte für mehr Gäste genutzt werden. Aber noch mehr Personal zu bekommen sei schwer.
Dabei sei das Restaurant in dem Bereich bereits gut aufgestellt. 26 Personen arbeiten zur Weihnachtszeit im Restaurant, davon zehn Aushilfen. Die meisten Mitarbeiter seien teilweise schon über zehn Jahre im Anker. Teilweise seien sie wiedergekommen, manche sind nach der Ausbildung gleich geblieben. "Ich bin auch sehr stolz, dass sie alle noch da sind", sagt Stephanie Radtke.
In der Küche sei es für die Gastwirtin kein Problem, Personal oder auch Nachwuchs zu finden. Das Problem bestehe eher im Service. "Wir haben es vielleicht noch nicht richtig geschafft, die Berufe noch cooler zu gestalten oder zu präsentieren. Da sind wir aber gerade dran." Die Ausbildungsberufe seien in der Branche gerade erst überarbeitet worden. "Geben Sie uns noch ein bisschen Zeit, dann kriegen wir das in den Griff."
DEHOGA-Landesvorsitz: "In der Gastronomie herrscht Alarmstufe Rot"
Der Anker hat in der aktuellen Situation Glück gehabt. Den meisten Restaurants und Betrieben geht es momentan nicht so gut. "In der Gastronomie unseres Landes herrscht Alarmstufe Rot", sagte der Landesvorsitz des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) von Baden-Württemberg, Fritz Engelhardt, in einer Rede Ende November. "Viele Betriebe haben schon aufgegeben, andere stehen mit dem Rücken zur Wand." Als Hauptgrund nennt er die "fatale Erhöhung der Gastro-Mehrwertsteuer auf Speisen von 7 auf 19 Prozent zum 1. Januar 2024". Es sei eine Entscheidung gegen alle guten Argumente gewesen.
Jetzt seien die Schäden in voller Härte eingetreten, die die DEHOGA vorausgesagt hätte. Laut einer Umfrage der DEHOGA schafften es nicht einmal 15 Prozent der Betriebe, die Preiserhöhung, die aufgrund der höheren Steuern dringend notwendig wären, am Markt durchzusetzen. Der Rest zahle drauf, streiche Investitionen, kürze an Öffnungszeiten oder schließe gleich ganz. Es brauche eine Wende von einer Politik der Gängelung und Überregulierung hin zu einer Politik, die Unternehmertum wieder wertschätzt und fördert, so Fritz Engelhardt in seiner Rede.
"Abhängig von der Autoindustrie" DEHOGA-Chef: Wirtschaftsflaute belastet Gastgewerbe in BW
Die schwache Konjunktur trifft auch Restaurants, Imbisse und Cafés in Baden-Württemberg: Laut Gaststättenverband DEHOGA sinken die Umsätze. Für die Gäste könnte das Folgen haben.
Stephanie Radtke: Gäste verzichten eher auf Gang als auf Restaurantbesuch
Auch Stephanie Radkte musste die Erhöhung der Mehrwertsteuer seit Anfang des Jahres auf die Preise für das Essen umlegen. "Im Moment merken wir, dass eher auf einen Gang verzichtet wird", sagt sie, zum Beispiel auf die Vorspeise oder das Dessert. Das gelte auch jetzt in der Weihnachtszeit. Mit den zahlreichen Veranstaltungen müsse man auch als Privatperson schauen, dass das Geld beisammen bleibt, erklärt sie. "Aber es wird nicht auf den Restaurantbesuch verzichtet. Und das freut uns natürlich auch."
Warum geht es dem Anker in der aktuellen Krise noch so gut? Da ist sich Stephanie Radtke nicht so sicher. Möglicherweise liege es an der Historie. "Der Anker war schon immer in Eggenstein", erinnert sie sich. Seit 1726 sei das Restaurant im Familienbesitz und werde von Generation zu Generation weitergegeben.
"Es fängt an mit einer Taufe, dann kommt Kommunion, Konfirmation, Hochzeit, Silberhochzeit, Goldene Hochzeit. Und wir begleiten die Familien durch ihr Leben." Viele der Kundinnen und Kunden habe Radtke bereits als Kinder kennengelernt. Und jetzt hätten sie im Anker geheiratet. "Diese Beständigkeit ist unser Ding. Wir machen einfach weiter, jeden Tag aufs Neue."