Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) in Baden-Württemberg rechnet "mit erheblichen Preiserhöhungen in der Gastronomie" ab dem kommenden Jahr.
Hintergrund ist, dass die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie in Deutschland zu Jahresbeginn wieder auf 19 Prozent angehoben wird. Darauf verständigte sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur die Ampelkoalition. Während die Branche die Entscheidung scharf kritisiert, loben Wirtschaftsfachleute die Rückkehr zum alten Steuersatz.
DEHOGA: Schlag für Tourismuswirtschaft in BW
Die Entscheidung sei für das mittelständische Gastgewerbe ein Tiefschlag, sagte der DEHOGA-Landesvorsitzende Fritz Engelhardt laut Mitteilung am Freitag. Das Sterben der Dorfgasthäuser werde sich weiter beschleunigen. Leidtragende seien nicht nur die Betriebe mitsamt Beschäftigten und Gästen, sondern die gesamte Tourismuswirtschaft im Land.
Verbraucherschutzminister Peter Hauk (CDU) sagte, allein im Land seien von der Entscheidung rund 25.500 Betriebe betroffen. "Es ist zu befürchten, dass wir 2.000 Betriebe verlieren, die wir aber dringend benötigen, um die Selbstversorgung mit regionalen Produkten sicherzustellen und die Wertschöpfung im Ländlichen Raum zu erhalten."
"Wir sind sehr enttäuscht, dass das so kommt", sagte Uwe Felix, Hotelier und Gastronom in Friedrichshafen und Zweiter DEHOGA-Vorsitzender im Bodenseekreis, dem SWR. "Betriebe werden definitiv schließen müssen, weil die Mehrwertsteuererhöhung an die Kunden weitergegeben werden muss." Dadurch würden die Preise steigen, was wiederum zu einer sinkenden Nachfrage führe.
Erhöhung der Mehrwertsteuer könnte "bei einigen zu einem Ende führen"
Felix schaut sorgenvoll in die Zukunft des eigenen Betriebs. "Unsere Kundschaft wird die Preise akzeptieren, da steigt bei Besuchern dann auch die Anspruchshaltung." Manche Betriebe hingegen könnten oder wollten die Erhöhung nicht weitergeben, "das wird letztlich betriebswirtschaftlich bei einigen zu einem Ende führen".
Der Gründer und Inhaber des Europa-Parks in Rust, Roland Mack, sagte, die gravierenden sozialen und kulturellen Folgen würden bei dem Thema komplett außer Acht gelassen. "Wenn viele Menschen aufgrund der erhöhten Preise nicht mehr in ihre Kneipe um die Ecken gehen können, ist das traurig für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft."
Strobl gibt vor allem der FDP die Schuld
Der Noch-Landesvorsitzende der CDU, Thomas Strobl, sagte, die Gastronomie werde "auf dem Ampel-Altar geopfert". "Jetzt müssen das Schnitzel und der Rostbraten in unseren Gaststätten herhalten, um diese verkorkste und verfassungswidrige Finanz- und Haushaltspolitik der Streit-Ampel zu finanzieren." Vor allem die FDP um ihren Bundesfinanzminister Christian Lindner hätten der Gastronomie einen Bärendienst erwiesen.
Hans-Ulrich Rülke von der baden-württembergischen FDP, schiebt die Schuld wiederum auf die Grünen. SPD und FDP hätten sich im Bundestag leider nicht gegen die Partei durchsetzen können, so der Chef der Landtagsfraktion.
Aus dem Landtag kommt von CDU, SPD und AfD Kritik an der Entscheidung zur Mehrwertsteuer. Von einem schweren Fehler und einem Schlag ins Gesicht der Wirtinnen und Wirte spricht CDU-Fraktionschef Manuel Hagel auf SWR-Anfrage. Die Bundesregierung zeige einer hart arbeitenden Branche die kalte Schulter. Auch die Grünen lassen durchblicken, dass auch sie mit der Erhöhung nicht glücklich sind: Wäre die Entscheidung anders ausgefallen, hätten wir diese mitgetragen, teilte der Steuerpolitiker Peter Seimer (Grüne) auf SWR-Anfrage mit.
Ökonomen loben Entscheidung
Ökonomen begrüßten dagegen die Rückkehr zur alten Mehrwertsteuer. Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim lobt die Ampelregierung, weil sie jetzt endlich stärker priorisiere.
Er hält die Erwartung, dass die Preise künftig im vollen Umfang der Steuerdifferenz steigen würden, für nicht plausibel, denn im Gegenzug sänken in der Branche Kosten etwa für Strom und Gas. Monika Schnitzer, Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, sagte, es sei nicht gut zu vermitteln, dass eine bestimmte Branche dauerhaft so unterstützt werde.
Mehrwertsteuer-Regelung mehrmals verlängert
Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt oder bei der Lieferung wird mit sieben Prozent besteuert. Um die Gastronomie während der Corona-Krise zu entlasten, hatte die Bundesregierung den Steuersatz auch für Speisen in Restaurants und Cafés vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Dadurch verzichtete der Bund auf Steuereinnahmen in Milliardenhöhe.
Die Regelung wurde wegen der Energiekrise mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende dieses Jahres. Die Branche hatte zuletzt vehement dafür geworben, die Steuersenkung nicht auslaufen zu lassen. Nach einer Umfrage unter Betrieben im Sommer 2023 hieß es, dass bundesweit 12.000 Lokale schließen müssten, sollte die Steuer wieder angehoben werden.
DEHOGA fürchtet Aus für viele Betriebe in BW Gastgewerbe: Nach Corona drohen wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer
Das Gastgewerbe in BW hat sich immer noch nicht vollständig von der Corona-Pandemie erholt. Laut DEHOGA gefährdet die geplante Wiederanhebung der Mehrwertsteuer Hunderte Betriebe.
Preisanstiege machen Gastronomie zu schaffen
Das baden-württembergische Gastgewerbe schwächelt unterdessen weiter: Zwischen Januar und September 2023 setzte die Branche nominal 8,5 Prozent mehr um als im Vorjahreszeitraum, wie das Statistische Landesamt nach vorläufigen Zahlen mitteilte. Rechnet man den Inflationseffekt heraus, bleibt aber nur ein reales Umsatzplus von knapp 0,5 Prozent. Die deutliche Differenz spiegelt nach Angaben der Statistikbehörde die Preisanstiege infolge höherer Kosten wider, unter anderem für Energie und Lebensmittel.
Zum Gastgewerbe zählen sowohl Beherbergung als auch Gastronomie. Die positive Umsatzentwicklung im Gastgewerbe werde dabei weiter von der Beherbergung getragen.