Schloss knacken, wegstellen, Schadenersatz fordern - ein besonderer Prozess beschäftigte das Amtsgericht in Karlsruhe fast vier Jahre lang. Das Verfahren wurde im vergangenen November mit einem Urteil beendet. Seit dem 28. Dezember ist es nach Angaben des Gericht rechtskräftig.
Laut dem Urteil hätte der Mann bereits das Fahrrad zurückgeben und Geld an die Eigentümerin zahlen müssen. Doch bisher kam von ihm keine Reaktion. Die Inhaberin wartet immer noch darauf, ihr Fahrrad endlich wieder zurückzubekommen. Es ist nicht das einzige Verfahren dieser Art, immer mit demselben Protagonisten.
Schadenersatzforderung wegen Fahrrad: Worum geht es?
Eine Frau will im Jahr 2021 ihr Auto in einer Werkstatt abholen. Sie fährt mit dem Fahrrad dorthin und schließt es in der Nähe an den Zaun einer ehemaligen Mietwerkstatt ab. Am kommenden Tag will sie das Fahrrad wieder abholen. Aber es ist weg. Der Inhaber der Mietwerkstatt hat das Fahrrad entfernt und auf sein Grundstück genommen.
Statt ihres Fahrrads hat die Frau am 5. März 2021 ein Schreiben erhalten. Der Besitzer der Mietwerkstatt forderte sie darin auf, ihr Fahrrad nicht wieder an den Zaun seines Geländes anzuschließen. Darüber hinaus will er auch noch Geld von ihr: 1.043 Euro Schadenersatz für angeblich entstandene Kosten und Anwaltsgebühren.
Urteil nach mehreren Jahren im November 2024 gefallen
Das Verfahren hatte sich über mehrere Jahre gezogen. Im November wurde der Mann dann am Amtsgericht Karlsruhe verurteilt. Er ist der Inhaber der ehemaligen Mietwerkstatt, auf deren Gelände das Fahrrad stand. Der Mann wurde zur Herausgabe des Fahrrads an die Eigentümerin verurteilt. Außerdem beinhaltet das Urteil eine Zahlung in Höhe von 350 Euro an die Besitzerin für das kaputte Fahrradschloss und den Nutzungsausfall in den letzten Jahren sowie die Kosten für das Verfahren.
Weil er das Fahrrad nicht in der Frist zurückgegeben hat, muss der Mann laut dem Urteil weitere 800 Euro an die Eigentümerin zahlen. Der zuständige Richter am Amtsgericht verkündete ein sogenanntes Versäumnisurteil, so der Fachjargon, weil weder der Beklagte noch sein Anwalt beim letzten Gerichtstermin erschienen waren.
Die schriftliche Widerklage des Beklagten, mit der er Schadenersatz für angeblich entstandene Kosten und Anwaltsgebühren von der Besitzerin des Fahrrads einklagen wollte, wurde vom Richter im Urteil abgewiesen. Der Beklagte konnte innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils Einspruch erheben.
Inhaber der Mietwerkstatt hat Wohnsitz in Frankreich angemeldet
Um das Geld für seine Mandantin zu bekommen, möchte der Anwalt der Eigentümerin des Fahrrads jetzt Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten. Das ist aber nach Angaben desselben nicht so einfach. Der Inhaber der ehemaligen Mietwerkstatt hatte zum Zeitpunkt, als die Klage eingegangen sei, seinen Wohnsitz in Frankreich gemeldet. Deutsche Gerichtsvollzieher seien in diesem Fall nicht zuständig. Jetzt müsse geprüft werden, welche Möglichkeiten es noch gibt.
Frau erhielt Schadenersatzforderung statt Fahrrad
Dass der Fall das Amtsgericht Karlsruhe so lange beschäftigt hat, liegt laut einer Sprecherin unter anderem an einem Gutachten, das den Prozess verzögert hatte. "Dieses Gutachten musste aufgrund von Fotos gefertigt werden, die zunächst nicht vorlagen", erklärt sie gegenüber dem SWR. Wo das Fahrrad ist, war dem Gericht als das Urteil gefallen ist, nicht bekannt.
Die Frau hatte dem Besitzer der ehemaligen Mietwerkstatt bereits vor Gericht zugesichert, ihr Fahrrad nicht mehr an dem Zaun anzuschließen. Er hatte zugesagt, ihr das Fahrrad wiederzugeben, aber nur, wenn sie den aus seiner Sicht entstandenen Schaden bezahle. Dabei forderte er laut Gericht neben den Kosten für den Anwalt auch Schadenersatz für diverse andere Posten: unter anderem 1,50 Standgebühr pro Tag, 176 Euro für die Entfernung des Fahrrads, 125 Euro für die Nutzung des Zauns und 10 Euro für die Fotos, die er als Beweis machen musste.
Viele ähnliche Fälle dieser Art am Amtsgericht Karlsruhe
Der Fall ist nicht der erste seiner Art. "Es gab bereits in der Vergangenheit Zivilverfahren, wo es darum ging, dass Fahrzeuge, die im Bereich der Einfahrt eines Grundstücks, das dem Beklagten gehört, geparkt waren, abgeschleppt wurden", sagt die Sprecherin des Amtsgerichts im Oktober. "Und dann eben Streit darüber bestand, ob diese Fahrzeuge gegen Zahlung eines Schadenersatzes herausgegeben werden müssen oder eben auch ohne eine Zahlung herausgegeben werden müssen."
Der Anwalt appelliert im Gespräch mit dem SWR an die Eigentümer in den anderen Fällen, für die Herausgabe ihrer Gegenstände zu kämpfen. Es lohne sich, juristisch vorzugehen. Denn man bekomme nicht nur die Kosten der Gegenstände zurückerstattet, sondern darüber hinaus auch Geld als Schadenersatz.