Vorwürfe gegen Bruchsaler Spedition

"Moderne Sklaverei" - Lkw-Fahrer demonstriert auf Parkplatz gegen Ausbeutung

Stand

Von Autor/in Matthias Stauss

Lkw-Fahrer Adam M. demonstriert seit Tagen auf einem Parkplatz bei Karlsruhe. Die Vorwürfe richten sich gegen seinen Arbeitgeber in Polen und gegen die Spedition Hegelmann aus Bruchsal.

Adam M. aus Simbabwe steht seit 12 Tagen mit seinem beladenen Lkw auf einem Parkplatz in der Nähe der Karlsruher Südtangente und wohnt in seiner engen Fahrerkabine. Leere Flaschen, Plastikmüll und ein Kochtopf liegen neben dem Lenkrad. Hinter seinem Fahrersitz ist eine kleine Liegefläche, auf der er schläft. Er trägt einen ausgefransten Pullover, kurze Hosen und Badeschlappen. "Ich bin traurig und habe Angst", sagt er auf Englisch.

Lkw-Fahrer aus Simbabwe demonstriert gegen seinen Arbeitgeber

Adam M. demonstriert auf diese Weise gegen seinen Arbeitgeber, die polnische Speditionsfirma Flare Trans. "Flare Trans gehört aber zu Hegelmann", erklärt der Fahrer und meint damit die internationale Spedition Hegelmann mit Sitz in Bruchsal (Kreis Karlsruhe). "Mein Arbeitgeber hat mir 2.500 Euro im Monat versprochen, bezahlt aber meistens weniger als 1.500 Euro", so sein Vorwurf. Auch Schäden am Lkw stelle ihm sein Arbeitgeber in Rechnung.

Seit etwa zwei Jahren fährt Adam M. für Flare Trans quer durch Europa. Dafür seien er und andere Fahrer extra aus Simbabwe nach Europa gekommen - in der Hoffnung hier mehr zu verdienen. Etwa ein Dutzend der Fahrer würde ebenfalls demonstrieren, verteilt über ganz Deutschland. Sie erheben ähnliche Vorwürfe wie er.

Sie sollen uns geben, was sie uns versprochen haben.

Adam M. hat etwa zwei Wochen in seiner Fahrerkabine verbracht, ohne sich vom Fleck zu bewegen.
Adam M. hat etwa zwei Wochen in seiner Fahrerkabine verbracht, ohne sich vom Fleck zu bewegen.

Spedition Hegelmann aus Bruchsal weist Vorwürfe zurück

Jeden Tag, so Adam M., werde er von Mitarbeitern der Firma unter Druck gesetzt. "Sie kommen hier vorbei und wollen den Lkw mitnehmen." Die Polizei Karlsruhe bestätigt, dass es deswegen zwei Einsätze auf dem Parkplatz gab.

Die Spedition Hegelmann lehnt auf SWR-Nachfrage ein Videointerview mit der Geschäftsleitung ab und teilt schriftlich mit: "An Spekulationen zu Einschüchterungsversuchen können wir uns leider nicht beteiligen. Wir haben keinerlei Belege dafür."

Das Unternehmen weist auch die anderen Vorwürfe zurück. Bei Flare Trans handele es sich um einen eigenständigen Frachtführer. Der Fahrer Adam M. sei nach polnischem Mindestlohngesetz und Spesengesetz vergütet worden.

Die Gehälter wurden in den vergangenen Jahren in zahlreichen Audits und Kontrollen, auch durch die Polizei, als korrekt klassifiziert.

Der Lkw, mit dem Adam M. eigentlich unterwegs ist, steht seit Tagen auf einem Parkplatz im Raum Karlsruhe.
Der Lkw, mit dem Adam M. eigentlich unterwegs ist, steht seit Tagen auf einem Parkplatz im Raum Karlsruhe.

Karlsruhe: Gewerkschaft ver.di spricht von "moderner Sklaverei"

Thorsten Dossow von der Gewerkschaft ver.di sieht das anders. "Das ist ein Fall von moderner Sklaverei. Wir erleben das immer wieder." Laut Dossow gründen deutsche Unternehmen Töchter im Ausland, die dann Fahrer beispielsweise aus Afrika anheuern. Den Fahrern werde das Blaue vom Himmel versprochen. "Letztendlich bekommen sie dann aber hier nicht mal einen Apfel und ein Ei."

Dossow und sein Team schauen in diese Tagen regelmäßig bei Adam M. vorbei. Sie bringen ihm Essen oder Trinken vorbei. "Wir helfen den Fahrern auch, indem wir sie rechtlich begleiten." Aktuell ist aber noch unklar, wie es mit Adam M. weitergeht.

Thorsten Dossow von ver.di bringt dem Lkw-Fahrer Adam M. Essen vorbei.
Thorsten Dossow von ver.di bringt Adam M. Essen vorbei.

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Plusminus. Mehr als nur Wirtschaft. Sklavenarbeit auf der Autobahn? LKW-Fahrer in Europa

Ohne LKW-Fahrer würde unser Leben nicht funktionieren. Doch Recherchen von Plusminus zeigen: Viele Fahrer und Fahrerinnen werden von ihren Arbeitgebern ausgebeutet, erleben Bedrohungen und werden gesetzeswidrig zu schlecht bezahlt – auch in Deutschland.
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In Deutschland fehlen allerdings bis zu 100.000 LKW-Fahrer. Stattdessen sind auf Europas Straßen viele ausländische Fahrer im Auftrag osteuropäischer Speditionen unterwegs. Plusminus deckt besorgniserregende Arbeitsbedingungen auf. Darum geht es in dieser Folge des Plusminus Podcasts mit Anna Planken und David Ahlf. Sie fragen, wie das sein kann, wie kontrolliert wird und was sich ändern müsste. Denn trotz klarer Rechtslage in der EU halten vor allem osteuropäische Speditionen die Gesetze in der Praxis kaum ein.
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Links und Quellen:

So hat das Plusminus Team im TV über die Arbeitsbedingungen von LKW-Fahrern berichtet: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/speditionen-lkw-fachkraeftemangel-100.html
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Alltag ohne LKW-Fahrer? Ein Szenario eines belgischen Logistikverbands: https://trans.info/de/wie-ware-unsere-welt-ohne-lkw-fahrer-und-warum-wir-auf-sie-nicht-verzichten-konnen-265974
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Mit dem Mobilitätspaket will die EU die Situation von LKW-Fahrern verbessern:
https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20200630STO82385/bessere-arbeitsbedingungen-fur-lkw-fahrer-in-der-eu
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Das hat die Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD-Fraktion unter anderem zu Mindestlohnverstößen geantwortet:
https://dserver.bundestag.de/btd/20/112/2011211.pdf
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Hier findet ihr das deutsche Lieferkettengesetz:
https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl121s2959.pdf#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl121s2959.pdf%27%5D__1719559753553
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Das Team:

Hosts: Anna Planken und David Ahlf

Instagram:
@anna.planken
https://www.instagram.com/anna.planken/
@davidihrswisst
https://www.instagram.com/davidihrswisst/

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Autorin: Julia Schuster mit Recherchen von Edgar Verheyen
Redaktion: Tamara Land
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Ihr habt Fragen, Feedback oder Ideen? Schreibt uns an: plusminuspodcast@ard.de
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Der Podcast "Plusminus. Mehr als nur Wirtschaft" ist eine Gemeinschaftsproduktion von BR, HR, SWR und WDR.

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