Barrieren auf dem Gehweg

Pforzheim: Blinden-Verein verteilt Gelbe Karten für vermeidbare Hindernisse

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Autor/in
Sebastian Binz
Portrait Sebastian Binz

Für Sehbehinderte sind manche Barrieren schwer zu erkennen. Ein Verein in Pforzheim verteilt Gelbe Karten für vermeidbare Hindernisse. Nicht alle reagieren verständnisvoll.

Mohamed Zakzak arbeitet bei der Stadt Pforzheim. Er ist Inklusionsbeauftragter. Anlässlich der "Woche des Sehens" führt er eine Gruppe Schüler durch die Stadt und klärt über Barrieren auf: "Wir haben ein geschlossenes Blindenleitsystem, wo Menschen, die blind sind, vom Bahnhof bis in die Innenstadt kommen", erzählt Zakzak. Aber es gebe Situationen, da komme das Blindenleitsystem an seine Grenzen.

SWR-Reporterin Annika Jost war bei der Tour durch Pforzheim dabei:

In einer Unterführung am Hauptbahnhof in Pforzheim stehen Hindernisse auf dem sogenannten Blinden-Leitstreifen. Der Weg drumherum ist für Sehende problemlos möglich. "Den Weg muss ich aber erst einmal finden," erklärt Brigitte Schick vom Badischen Blinden- und Sehbehindertenverein. Sie verlässt sich beim Gehen auf den Tastsinn über den Blinden-Stock in ihrer Hand.

Mohamed Zakzak (rechts) weist auf Barrieren in Pforzheim hin
Mohamed Zakzak (rechts) weist auf Barrieren in Pforzheim hin

Gelbe Karte für Hindernisse in Pforzheim: "Wo ist das Problem?"

Jedes Hindernis ist eine Herausforderung: "Es hat durch falsch stehende Fahrzeuge viele Verletzungen gegeben in den letzten Jahren", so Brigitte Schick. Deshalb verteilt sie mit den Schülern Gelbe Karten. Auf dem Gehweg abgestellte Fahrräder und E-Scooter bekommen eine Karte an den Lenker. "Ich versuche in erster Linie aufzuklären."

Plötzlich steht ein Umzugs-Lkw im Weg. Der Fahrer bekommt eine Gelbe Karte? Der reagiert mit Unverständnis: "Wo ist das Problem?"

Das ist kein Park- oder Fahrweg, sondern ein Gehweg.

Brigitte Schick erklärt, dass sie an der Ladeklappe gestolpert sei. "Wenn ich alleine unterwegs wäre, hätte ich das nicht erkannt." Aber sie sei ja nicht alleine unterwegs, antwortet der Fahrer. Im Alltag mache sie sonst alles allein, erwidert Schick. Der Mann klappt die Ladefläche seines Umzugs-Lkw ein und rechtfertigt sein Parken auf dem Gehweg: "Wir versuchen immer, kurze Wege zu haben und wollen nicht auf der Straße stehen."

Barrieren abbauen: "Zugang für alle" in Pforzheim

Vermeidbarer sind andere Barrieren: E-Scooter auf dem Gehweg, Fahrräder an Straßenlaternen. Für blinde Menschen sind das gefährliche Stolperfallen. Die Schüler verteilen fleißig Gelbe Karten.

Christos Intos hängt eine Gelbe Karte an ein Fahrrad auf dem Gehweg. Im Hintergrund erklärt Brigitte Schick den Schülern die Verletzungsgefahr.
Christos Intos hängt eine Gelbe Karte an ein Fahrrad auf dem Gehweg. Im Hintergrund erklärt Brigitte Schick den Schülern die Verletzungsgefahr.

Ich würde mir wünschen, dass mehr Leute im Alltag Rücksicht aufeinander nehmen. Einfach miteinander.

Barrieren auf der Straße in Pforzheim vermeiden

"Die Aktion hilft, dass man noch mehr einen Blick dafür hat. Man achtet sonst nicht auf solche Sachen im Alltag", erzählt der Berufsschüler Christos Intos. Und genau darauf zielt der Blinden- und Sehbehindertenverein. Brigitte Schick erklärt das Piepsen und Klackern von Ampel-Anlagen, zeigt wie sie einen E-Scooter auf dem Gehweg umkurvt.

Ein Blindenstock vor einem E-Scooter in Pforzheim.
Mit ihrem Stock ertastet Brigitte Schick Hindernisse auf dem Gehweg.

Auch der Inklusionsbeauftragte der Stadt, Mohamed Zakzak, kommt mit seinem Rollstuhl am E-Scooter vorbei - dieses Mal. Aber viele Menschen würden sich keine Gedanken über Barrieren in Pforzheim machen, meint er. "Es geht nicht nur um die Barrieren auf der Straße, sondern auch in den Köpfen." Zakzak meint, er sei dankbar für das Interesse der Schüler. "Wir versuchen zu sensibilisieren, wo es geht und die Welt ein Stück zugänglicher zu machen."

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