Die runde Zielscheibe steht in 25 Metern Entfernung. Die Zwillinge Nina und Julia Weise spannen ihren Bogen, zielen, lassen los und treffen. Die Pfeile bohren sich mit einem klatschenden Geräusch in das Holz.
Bogenschießen trotz Behinderung
Die Zwillinge lieben Bogenschießen und sind richtig gut darin. Seit dem Wochenende dürfen sie sich beide Deutsche Meisterinnen im Para Bogensport nennen. Nina gewann den Wettkampf in Schömberg (Kreis Calw), Julia hatte 2023 gewonnen und wurde dieses Mal Zweite.
Wer die beiden beobachtet, merkt erst mal nicht, dass sie kaum etwas sehen können und damit einen großen Nachteil haben. "Es ist für mich der Beweis: Ich kann etwas leisten, obwohl ich kaum etwas sehe", sagt Julia.
Ihr Heimatverein ist der SSV Unteröwisheim am Stadtrand von Kraichtal (Kreis Karlsruhe). Hier trainieren die 18-Jährigen zweimal die Woche zusammen mit anderen Vereinsmitgliedern ohne Sehbehinderung.
Zwillinge haben Albinismus
Nina und Julia haben seit ihrer Geburt Albinismus. Ihr Körper kann den wichtigen Farbstoff Melanin nicht ausreichend produzieren. Die Folge sind eine sehr helle Haut, helle Haare und schlechtere Augen. Beide sehen ungefähr zehnmal schlechter als Menschen ohne Seheinschränkung. "Ich hätte schon gerne gesunde Augen. Aber ich sehe es nicht als krass negativ an mir an", sagt Nina.
Die Zwillinge können auch ihre Pupillen nicht normal steuern. Um einen scharfen Punkt zu finden, zucken sie immer wieder schnell hin und her. Das macht das Bogenschießen für sie noch schwieriger. Und auch im Alltag gibt es Probleme, zum Beispiel werden sie nie selbst Autofahren dürfen.
Wir werden beide nie den Führerschein machen können. Daran bin ich schon ein bisschen verzweifelt.
Wie kann man mit dieser Sehkraft zielen?
Wie können sie dann Bogenschießen? Die Zielscheibe hat Ringe in verschiedenen Farben: Schwarz, blau, rot und gelb ganz in der Mitte. Julia erklärt: "Schwarz, rot und blau kann ich von weiter weg nicht voneinander unterscheiden. Das Gelb sticht aber heraus, weil es hell ist. Und danach richte ich mich."
Zwillinge schenken sich nichts im Wettkampf
2018 sind die beiden durch ihren Vater Andre zum Bogenschießen gekommen und haben schon viele Meisterschaften gewonnen. Ihr Ordner ist voll mit Urkunden und Medaillen.
Sie sind auch schon oft gegen Menschen ohne Sehbehinderung angetreten, als es noch keine eigene Wertung für sie gab. Das ist mittlerweile anders. Die Zwillinge sind in ihrer Konkurrenz aktuell noch die beiden einzigen Starterinnen und wünschen sich für die Zukunft mehr Konkurrenz.
Wunsch nach mehr Konkurrenz bei den Deutschen Meisterschaften
Die Deutschen Meisterschaften in Schömberg fanden parallel zu den Paralympics in Paris statt. Die kommen für die Zwillinge noch ein bisschen früh. Aber Julia träumt schon ein bisschen: "Es wäre cool, wenn wir die Chance hätten, dorthin zu kommen."
