Wärmeenergie aus der Erde

Tiefengeothermie in BW: Wie sicher sind die Bohrungen?

Stand
Autor/in
Janina Schreiber
Bild von Janina Schreiber, Redakteurin in der SWR-Umweltredaktion

In Ettlingen diskutieren Politiker und Branchenvertreter über die Chancen und Risiken von Tiefengeothermie. Was ist in BW geplant? Wie funktioniert die Technik und wie sicher ist sie?

Es ist das erste Treffen am Oberrhein zur Tiefengeothermie: Am Dienstag beginnt der Gipfel in Ettlingen (Kreis Karlsruhe). Eingeladen hat unter anderem der Regionalverband Mittlerer Oberrhein. Politikerinnen und Politiker, Expertinnen und Experten, sowie Vertreterinnen und Vertreter der Branche wollen über die Chancen und Risiken der Technik sprechen.

Ein Thema wird dabei wohl auch sein, was bei einer Erdwärmebohrung im südbadischen Staufen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) passiert ist. Dort gibt es Risse in vielen Häusern nach einer missglückten Bohrung. Über 200 Gebäude sind betroffen. 2007 hatte sich in Staufen bei einer oberflächen Geothermiebohrung Wasser mit einer Mineralschicht vermischt. Wie man aus der Erfahrung von Staufen für die Geothermie lernen kann und was für Chancen speziell die Tiefengeothermie bietet:

Was ist Geothermie?

Unter der Erde ist es warm. Je tiefer Bohrungen zum Erdkern vordringen, desto wärmer wird es. Bei der Geothermie nutzen Menschen diese Wärmeenergie aus der Erde zum Heizen, Kühlen oder als Strom. Dabei gibt es zwei Arten der Geothermie: Tiefengeothermie und oberflächennahe Geothermie.

Wie funktioniert Geothermie?

Fachleute sprechen von oberflächennaher Erdwärme, wenn kaltes Wasser in einem geschlossenen Rohrsystem relativ nah unter der Oberfläche in der Erde liegt, um sich dort auf bis zu 25 Grad zu erwärmen. Dabei kann das entweder als Kollektor in einer Fläche bis zu zwei Metern unter dem Erdboden verteilt sein, oder in einer Sonde bis zu 400 Metern in die Tiefe reichen. Diese Bohrungen sind weniger aufwendig als die für Tiefengeothermie. Deshalb eignet sich die oberflächennahe Erdwärme auch für Privathaushalte. Laut Bundesverband Geothermie werden in Deutschland schon mehr als 440.000 Ein- oder Mehrfamilienhäuser, öffentliche Einrichtungen, Krankenhäuser, Schulen oder Gewerbebetriebe mit dieser Technik beheizt oder gekühlt.

Oberflächennahe und Tiefengeothermie im Vergleich
Die Grünen in Baden-Württemberg wollen die Tiefengeothermie im Oberrheingraben fördern. Da sich dort viele Thermalwasserreservoirs befinden, handelt es sich dabei um hydrothermale Tiefengeothermie. Rund um Straßburg sorgte petrothermale Tiefengeothermie dafür, dass die Erde wackelte.

Für Tiefengeothermie sind es große Kraftwerke, die die Wärme für uns aus der Erde holen. Denn dabei wird sehr viel tiefer und aufwendiger gebohrt: Zwei Löcher drei bis fünf Kilometer in die Erde. Bei der hydrothermalen Tiefengeothermie wird ein Thermalwasserreservoir mit bis zu 160 Grad heißem Wasser angezapft. Bei der petrothermalen Tiefengeothermie versucht man die Wärme aus dem Gestein zu gewinnen. Dabei wird Wasser unter hohem Druck ins heiße Gestein gepresst. Bei beiden Methoden wird über die eine Bohrung das heiße Wasser nach oben gefördert und dort die Wärmeenergie entzogen, um ganze Stadtviertel zum Beispiel mit Heizwärme zu versorgen. Über die zweite Bohrung wird dann das kältere Wasser wieder zurück in die Erde gebracht.

Welche Geothermie soll in Baden-Württemberg zum Einsatz kommen?

In Baden-Württemberg will man im großen Stil auf hydrothermale Tiefengeothermie setzen. Dafür gibt es im Oberrheingraben großes Potenzial: Hier muss man nicht allzu tief bohren, und stößt schnell auf hohe Temperaturen, also viel Wärmeenergie. Der Oberrheingraben hat einen zerklüfteten Untergrund. Das heißt, hier sind viele heiße Thermalwasserspeicher, die angezapft werden können. Bohrungen sind laut Expertinnen und Experten einfach durchzuführen, denn die Geologie - Muschelkalk - ist hier vergleichsweise durchlässig. Außerdem wird der Oberrheingraben auch deshalb jetzt so genau in den Blick genommen, weil es dort ein ziemlich großes Lithium-Vorkommen geben soll. Das Lithium liegt da im Wasser. Das könnte man theoretisch also gleich mit dem heißen Wasser von da unten fördern und hätte direkt den Rohstoff der Energiewende vor der Tür der großen Autobauer in Baden-Württemberg.

Was ist in Staufen im Breisgau passiert?

In Staufen wurde für oberflächennahe Geothermie sieben Mal bis zu einer Tiefe von 140 Metern in die Erde gebohrt. Kurze Zeit später entdeckten die Bewohnerinnen und Bewohner Hebungsrisse an ihren Hausfassaden und im Rathaus. Schnell wurde klar: Bei den Bohrungen hatte sich Wasser mit einer Anhydrit-Schicht im Boden vermischt. Es entstand Gips, der sich bis heute ausdehnt. Nach Angaben der Stadt hebt sich die Erde in der historischen Altstadt um etwa einen Millimeter pro Monat. Um die Hebungen zu reduzieren, muss das Wasser um die Unglücksstelle im Untergrund abgepumpt werden

Können wir sicher sein, dass Staufen sich nicht wiederholt?

In Staufen gab es bei oberflächennaher Geothermie Probleme. Dass sich bei geothermischen Bohrungen Anhydrit mit Wasser vermischt, könne beim Durchbohren nicht immer vermieden werden, sagt Frank Schilling, Professor für Technische Petrophysik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Doch genau das ist in der oberflächennahen Geothermie in Baden-Württemberg verboten. Schäden durch das Quellen von Anhydrit sind deshalb in Baden-Württemberg sehr unwahrscheinlich, so Schilling.

"Ein zweites Staufen kann vermieden werden, wenn wir die Regeln einhalten!"

Höhere Sicherheitsanforderungen bei oberflächennahen Bohrungen

Heute seien die Sicherheitsanforderungen sehr viel höher als 2007. Das Umweltministerium in Baden-Württemberg hat 2011 Leitlinien ausgegeben, die vorschreiben, wie die Bohrung möglichst sicher wird (LQS EWS). Diese Leitlinien werden nach Angaben des Umweltministeriums immer wieder aktualisiert. Sie schreiben vor, dass das Bohrpersonal geschult sein muss. Das sei in Staufen nicht der Fall gewesen, sagt Schilling. Es gebe deshalb heute eine Art verpflichtender "Führerschein fürs Bohren". Auch das Landeszentrum für Geothermie in Baden-Württemberg unterstütze immer wieder bei Schulungen. Sobald sich Gips im Bohrgut zeigt, müsse eine Bohrung abgebrochen werden. Außerdem muss laut Leitlinie vorab geklärt werden, wer im Falle eines Schadens aufkommt. Eine Versicherung für Schadensfälle muss abgeschlossen werden.

Wenn all diese Punkte geklärt sind, erst dann genehmigt die untere Wasserbehörde die oberflächennahe Bohrung. Ab einer Bohrung von 100 Metern ist außerdem die Zustimmung der Bergbaubehörde notwendig.

Wie sicher ist Tiefengeothermie?

Je tiefer man bohrt, desto weniger sei das Quellen von Anhydrit ein Problem, sagt Frank Schilling. Ab einer ausreichenden Auflast, könne Anhydrit nicht mehr quellen. Denn in der Tiefe sei der Druck der darüber liegenden Erdschichten höher. Es könne dann kein Gips entstehen, wenn mehrere hundert Meter Gestein auf dem Anhydrit lasten, so Schilling. Deshalb wird in Genehmigungsverfahren für Tiefengeothermie dargelegt, in welcher Tiefe Anhydrit vorkommt und ob er im Zweifel quellen könnte. Ob es sicher ist, bestimme die Tiefe der Schicht.

Der Trinkwasserschutz wird bei der Tiefengeothermie beim Bohren unter anderem durch teleskopartige Verrohrungen sichergestellt. Dabei werden die Zwischenräume mit Zement ausgekleidet. Das Rohr, durch das das Wasser fließt, sei dadurch mit mehreren Barrieren vom umliegenden Gestein getrennt.

Was ist mit Erdbeben?  

Vor allem Beispiele von petrothermalen Tiefengeothermie-Kraftwerken wie in Basel und Vendenheim zeigen: Dadurch, dass hier mit hohem Druck Wasser ins Gestein geleitet wird, können kleinere Erdbeben entstehen. Die Gefahr dafür sei vor allem dann vorhanden, wenn ins Grundgebirge gebohrt wird, also einem harten Gestein wie Granit, sagt Schilling.

In Vendenheim bei Straßburg, wo tiefe Geothermie gefördert werden sollte, seien viele "rote Ampeln" unachtsam überfahren worden, so KIT-Experte Schilling.

"In Baden-Württemberg wäre dies heute sehr unwahrscheinlich."

Eine Gefährdung schätzt er für den Oberrheingraben als sehr gering ein, wenn hier hochdurchlässige Gesteinsschichten genutzt werden, wie zum Beispiel der Muschelkalk. Eine Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) geht beim Einbau von Erdwärmesonden in Baden-Württemberg von einer Schadens-Wahrscheinlichkeit von unter 0,002 Prozent jährlich aus.

Natürlich, das ergänzt Schilling noch, könne nie ganz ausgeschlossen werden, dass der Boden bei der Tiefengeothermie mal kurzfristig bebt, zum Beispiel wenn tiefe Geothermie an Wärmenetze angeschlossen wird. In den meisten Fällen würden wir das aber in dem Maße spüren, wie wenn eine Straßenbahn an uns vorbeifahren würde. Deshalb sei es wichtig, diese seismischen Aktivitäten genau zu überwachen. In Baden-Württemberg können alle Bürgerinnen und Bürger die Erdbeben-Aktivität einsehen und mit einem Ampel-System die Stärke einschätzen. Wird ein bestimmter Schwellenwert überschritten, müsse die Anlage langsam runtergefahren werden oder die Bohrung ausgesetzt, so Schilling.

Für die Tiefengeothermie gilt außerdem eine Beweislastumkehr. Sprich, sollten sich im Umfeld der Geothermieanlage Schäden an Häusern zeigen, muss der Kraftwerksbetreiber beweisen, dass er diese nicht verursacht hat.

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