Die tagelangen Überschwemmungen haben vor allem den Bauern und Waldbesitzern im Osten Baden-Württembergs zugesetzt und Teile der Ernte, des Waldes und der Ackerflächen beschädigt. Besonders betroffen seien der Bodensee-, der Alb-Donau- und der Ostalbkreis, Ravensburg und Sigmaringen, Biberach, Reutlingen, Tübingen, Göppingen, Esslingen und der Rems-Murr-Kreis, sagte Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) am Freitag in Stuttgart.
Landwirtschaftsminister: "Erhebliche Ertrags- und Qualitätsverluste" wegen Starkregen
Der Starkregen habe über zehn Prozent der Ackerflächen und 15 Prozent der Wiesen und Weiden geschädigt, sagte der baden-württembergische Landwirtschaftsminister. Totalausfälle werde es zwar nicht überall geben. "Allerdings ist nach jetzigem Kenntnisstand von erheblichen Ertrags- und Qualitätsverlusten auszugehen", sagte der Minister.
Die erste Grünfutterernte konnte laut Hauk bislang von etwa 70 Prozent der Betriebe eingefahren werden. Bei den Obst- und Gartenbauern seien Kirschen aufgeplatzt und Erdbeeren beschädigt worden. Mit höheren Preisen rechnet er aber nicht. Eine Schadenssumme könne noch nicht geschätzt werden. In den Wäldern bezifferte Hauk die Schäden mit mehr als drei Millionen Euro. Unter anderem seien Waldwege ausgespült oder durch Hangrutsche mitgerissen worden.
Kirschen platzen, Äpfel und Mais leiden Dauerregen und nasses Wetter schaden Obst am Bodensee
Das nass-feuchte Wetter der vergangenen Wochen hat auch Auswirkungen auf die Obstbäume und -kulturen am Bodensee. Schäden gibt es bei den Frühkirschen, aber auch bei Mais und beim Grünland.
Hauk will Bibermanagement neu bewerten
Nach Einschätzung Hauks muss angesichts zunehmender Wetterextreme der Natur- und Artenschutz neu bewertet werden. Das Reinigen und die Pflege von Bächen sowie Entwässerungsgräben dürfe beispielsweise nicht an Naturschutzvorgaben scheitern, sagte der CDU-Politiker. Er forderte zudem eine Neubewertung des Bibermanagements. "An vielen Gewässern verringert der Biber mit seinen Dämmen notwendigen Retentionsraum", sagte Hauk. Mit Retentionsraum sind Flächen gemeint, die bei Hochwasser planmäßig überschwemmt werden.
Nach Ansicht Hauks kann es auch nötig werden, sich selbst überlassene Waldreservate, sogenannte Bannwälder, künftig zu Schonwäldern zu machen. Schonwälder stehen im Gegensatz zu Bannwäldern unter forstlicher Bewirtschaftung. "Bannwälder können wegen des ausgeschwemmten Totholzes zum lebensgefährdenden Problem werden", argumentierte der Minister. "Da darf es keine Denkverbote geben."
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NABU: Hauks Forderungen sind fachlich falsch
Heftiges Kopfschütteln bei den Naturschützern: Die Forderungen des Landwirtschaftsministers seien abwegig, fachlich falsch und ein billiges Wahlkampfmanöver, sagte der Landesvorsitzende des Naturschutzbunds Deutschlands (NABU), Johannes Enssle. "Unsere Flüsse brauchen nicht weniger, sondern mehr Platz. Genau das ist das Ziel von Gewässer-Renaturierungen und von ökologischem Hochwasserschutz." Hauk solle sich dafür einsetzen, dass weniger landwirtschaftliche Flächen entlang von Flüssen versiegelt werden und dem Bau von Gewerbegebieten zum Opfer fallen.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zeigt sich sogar entsetzt über die Aussagen Hauks. "Naturschutzvorgaben dürfen nicht zum Sündenbock für Hochwasserschäden gemacht werden. Intakte Natur schützt uns sogar vor Hochwasser", sagte Christoph Schramm, BUND-Waldreferent. Hauks Behauptungen seien wissenschaftlich haltlos und irreführend.
So trügen natürliche Überschwemmungsgebiete, die Renaturierung von Flussläufen und der Schutz von Feuchtgebieten entscheidend zur Wasserregulation bei. Biberdämme schafften wichtige Rückhaltebecken. Ähnlich sieht es auch das Umweltbundesamt, nach dessen Einschätzung Überschwemmungsflächen durch Renaturierungen zurückgewonnen und Hochwasserrisiken verringert werden können.
Landwirte sollen mehr gegen Risiken durch Extremwetter abgesichert werden
Als Konsequenz aus den Hochwasserschäden fordert Hauk außerdem, dass die Landwirte gegen deutlich mehr Risiken durch Extremwetter abgesichert werden. Bislang gibt es ein mit Landesmitteln finanziertes Projekt gegen Risiken wie Starkfrost, Sturm und Starkregen im Obst und Weinbau. Das Land investiert dabei rund fünf Millionen Euro pro Jahr. In Zukunft könnten dann 15 Millionen gebraucht werden.
Der CDU-Politiker will die Absicherung auf weitere Kulturen wie Beeren erweitern und fordert dafür Geld vom Bund. Die häufigeren Extremwetterlagen mit hohem Schadensrisiko brächten die betriebliche Risikovorsorge wie auch staatliche Ad-hoc-Hilfen zunehmend an ihre Grenzen, sagte er. Die Betriebe benötigten tragfähige Versicherungen, um sich vor witterungsbedingten Verlusten zu schützen.