Tagelang ist das Geschehen in der Region Bodensee-Oberschwaben von Hochwasser bestimmt gewesen. Mit Brennpunkten wie Meckenbeuren, Weingarten oder Wangen im Allgäu. Glimpflich kam der Raum Leutkirch (Kreis Ravensburg) davon. Dank des Hochwasserrückhaltebeckens (HRB) in Leutkirch-Urlau. Die Verantwortlichen erlebten trotzdem sorgenvolle Tage.
Wenn das "Bächle" zum gefährlichen Gebirgsbach wird
Die Eschach ist ein kleiner Bach im Allgäu. "Ein kleines, ruhig dahinplätscherndes Bächle", schreibt das Regierungspräsidium Tübingen auf seiner Infoseite über das HRB. Der Bach entspringt in der Adelegg, einer voralpinen Berglandschaft bei Isny. Wenn es dort regnet oder ein starkes Gewitter hat, dann verwandelt sich die Eschach "in kurzer Zeit in einen reißenden Gebirgsbach", heißt es weiter.
30 Mal so viel Wasser wie an normalen Tagen
Fließen an normalen Tagen in der Eschach etwa zwei Kubikmeter Wasser pro Sekunde den Berg hinunter, waren es am Montagmorgen bis zu 58 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Also rund 30 Mal so viel wie sonst. An solchen Tagen wird im Tal ein Großteil des Eschach-Wassers in das Hochwasserrückhaltebecken Urlau geleitet, denn die Eschach kann nicht mehr als 15 Kubikmeter Wasser pro Sekunde aufnehmen. Ist dieses Überlaufbecken mit einer Million Kubikmeter Wasser voll, wie in den vergangenen Tagen, dann läuft das Wasser weiter in das Taufach-Fetzachmoos.
Schwierige Momente trotz Hochwasserschutz
Diese Moorlandschaft ist in etwa 300 Hektar groß und kann rund dreieinhalb Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen. Wenn auch dieses Moorgebiet vollgelaufen ist, dann bekommt Leutkirch ein Problem. Denn dann muss der Wasserzulauf in das Rückhaltebecken und in das Moos gestoppt werden, und es drohen gewaltige Wassermassen über die Eschach in die Stadt zu strömen. In den vergangenen Tagen fehlte nach Angaben von Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle (parteilos) nicht viel und es wäre so weit gewesen. Er sei sehr nervös gewesen, sagte er am Montagnachmittag in Urlau.
Henle meinte, in den kommenden Wochen und Monaten müsse das Hochwasserereignis gut aufgearbeitet werden. "Wir müssen die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Damit wir, wenn es wieder kommt, und damit rechne ich, nicht improvisieren müssen."
Politiker wollen in den Hochwasserschutz investieren
Bei einem Vorort-Termin am Montagnachmittag in Urlau wurde unter anderem angesprochen, an der Eschach weitere Flächen zu suchen, die bei Hochwasser geflutet werden könnten. Der CDU-Landtagsabgeordnete Raimund Haser aus dem Wahlkreis Wangen im Allgäu forderte angesichts des Hochwassers in weiten Teilen Baden-Württembergs Investitionen in den Hochwasserschutz, auch in Urlau. "Als man dieses Becken gebaut hat, hat man gedacht, das reicht. Und heute reicht es eben nicht mehr", meinte er und fügte hinzu, dass man nicht am Hochwasserschutz sparen sollte.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Manuel Hagel, der ebenfalls nach Urlau gekommen war, erklärte, bei der bevorstehenden Haushaltsaufstellung für das Land müsse der Bevölkerungsschutz "Top-Priorität“ haben.
Schnellere Genehmigungsverfahren gefordert
Hagel und Haser sprachen in Urlau unter anderem mit Leutkirchs Oberbürgermeister Henle, mit Vertretern der Ortschaften und mit Beschäftigten im Hochwasserrückhaltebecken. Dabei kam auch zur Sprache, dass Planung und Genehmigung von Hochwasserschutzprojekten zu lange dauerten. Hagel sagte dazu: "Wir müssen mehr Tempo in die Sache bringen, was Genehmigungs- und Planungsverfahren angeht." Er betonte auch, es dürfe nicht passieren, dass sich jetzt alle Sorgen machten und "das zwei Wochen anhält und hinterher bleibt alles beim Alten".
Nach Überschwemmungen Kretschmann und Strobl informieren sich zu Hochwasserlage in Meckenbeuren
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Thomas Strobl (CDU) sind am Montag nach Meckenbeuren gekommen, um sich ein Bild der Hochwasserlage zu machen.
Hochwasserschutz contra Naturschutz
In Urlau wurde darüber hinaus auch die Problematik deutlich, dass es zum Konflikt zwischen Hochwasserschutz und Naturschutz kommen kann. Leutkirchs Oberbürgermeister Henle verwies darauf, dass sich im Taufach-Fetzachmoos geschützte Biber angesiedelt haben. Diese stauten in dem Bereich mit ihren Dämmen das Wasser auf. Und deswegen kann bei Hochwasser nicht so viel Wasser vom Rückhaltebecken in die Moorlandschaft abgelassen werden wie eigentlich möglich wäre.
Henle spricht von bis zu 750.000 Kubikmeter Wasser, die im Hochwasserfall nicht in das Taufach-Fetzachmoos abfließen können. Das wiederum entspricht fast dem Fassungsvermögen des Rückhaltebeckens. Und "das tut weh", meinte er. Henle forderte, mit dem Problem pragmatisch umzugehen. Mit seinem Amtskollegen im benachbarten Isny versuche er seit mehreren Jahren, "dass wir da was hinbekommen". Aber "wir drehen uns immer im Kreis", sagt Henle.