Azubis aus Indien nach Südbaden geholt

Fachkräftemangel hausgemacht? Fleischer-Innungsmeister hält Deutsche für "zu satt"

Stand
Autor/in
Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik

Je mehr Bedenkenträger es gibt, desto mehr fühlt sich Jogi Lederer angespornt. Der Fleischermeister versteht sich als Pionier und Möglichmacher. Der Beweis: Seine indischen Azubis.

Der Fachkräftemangel im Handwerk in Deutschland ist hausgemacht - findet Jogi Lederer, Fleischer-Innungsmeister in BW. Sowohl die jungen Leute als auch die Unternehmer seien einfach zu satt, sagte der 63-jährige Lederer im SWR-Videopodcast "Zur Sache! intensiv". Das ist auch einer der Gründe, warum er seit 2022 Azubis aus Indien hat.

Indische statt deutsche Azubis – Sind Ausländer die besseren Arbeiter?

Indische Azubis Champions League, deutsche Azubis Landesliga

Die jungen Leute aus Indien seien deutlich leistungsbereiter als die Deutschen. Die hiesigen Jugendlichen, die für eine Lehre infrage kommen, "können einfach nach acht, neun Jahren Schule noch nicht rechnen und schreiben". Ordentlichkeit und Pünktlichkeit müsse man denen erst noch beibringen. "Wenn man das mit Indien vergleicht, ist Indien drei Stufen besser. Das ist eine ganze andere Liga. Das ist Champions League, wo unsere deutschen Azubis Landesliga spielen."

Lederer sieht den Grund dafür in der Mentalität in Deutschland. "Sie sind schon so satt, die wachsen im Wohlstand auf, fahren drei- bis viermal in Urlaub." Das werde alles von den Eltern finanziert. Das sei früher anders gewesen, da hätten die jungen Leute hungrig sein müssen, um voranzukommen. "Genau das Hungrige, was wir damals hatten, das haben die Inder wieder", sagte der Fleischermeister, der in Weil am Rhein eine Metzgerei und einen Catering-Service mit 40 Beschäftigten betreibt. 

Indische Azubis nehmen sogar noch zusätzlichen Mini-Job an

Die jungen indischen Azubis wüssten genau: "Wenn du schön leben willst, brauchst du Geld." Sie reisten gerne, schickten aber auch viel Geld nach Hause zu ihrer Familie. "Die arbeiten nicht 40 Stunden, sondern am liebsten 48 Stunden." Sie nutzten die Möglichkeit, neben der Ausbildung noch einen Minijob in seinem Betrieb zu machen, und verdienten dadurch abends oder am Wochenende nochmal 550 Euro hinzu. Im ersten Lehrjahr gibt es knapp 1.000 Euro. 

Seine indischen Azubis fragten ihn jeden Tag: "Wie geht es nach der Lehre weiter? Chef, darf ich bleiben? Wie sieht meine Zukunft aus? Wie tust du mich fördern?" Mit zwei seiner indischen Lehrlinge habe er schon weiterführende Arbeitsverträge gemacht. Wichtig sei, dass er ihnen als Chef auf Augenhöhe begegne und sich um sie kümmere.

Etwa 100 indische Azubis sollen dieses Jahr nach BW kommen

Vor zwei Jahren seien 13 junge Inder nach Südbaden gekommen, um hier eine Lehre im Handwerk zu beginnen. Im vergangenen Jahr seien es schon 60 gewesen, die Hälfte für Fleischer, die andere Hälfte für andere Betriebe. Dieses Jahr sollen um die 100 Azubis kommen. Über Lederers Modellprojekt haben auch schon zahlreiche internationale Medien berichtet, etwa auch das "Wall Street Journal" und die BBC.

Lederer ärgert sich über Politik: "Redet viel, macht aber nichts"

Die Verantwortung für den Fachkräftemangel sieht Lederer zu 50:50 bei Politik und Unternehmen. "Die Politik geht raus mit Parolen, die einfach nicht wirken." Ende 2022 sei er wegen des Azubi-Projekts in Indien gewesen, kurz danach habe Kanzler Olaf Scholz (SPD) das Land besucht. Danach habe Scholz angekündigt, tausende IT-Fachkräfte nach Deutschland holen zu wollen. "Kein Wort Pflege, kein Wort Handwerk." Passiert sei seither wenig. "Die Politik redet viel, aber macht nichts", ärgert sich Lederer, der selbst parteilos ist.

Zu viele Pessimisten bei den Unternehmern

Aber die meisten Unternehmer seien auch nicht besser. "Wir haben immer noch ein Riesenproblem mit unseren Pessimisten." Von denen gebe es in den hiesigen Betrieben eine Menge. "Jeder Aufwand ist für viele Unternehmer schon zu viel." Ihnen sei schon zu viel, die Azubis in Frankfurt/Main vom Flughafen abzuholen oder ihnen Wohnraum zu besorgen. Auf die Frage, ob auch die Unternehmer zu satt seien, sagte Lederer: "Ha ja."

Meine Hauptphilosophie ist: Wenn ich nicht brenne, kann ich andere nicht anzünden.

Viele seien nicht bereit, mutig zu sein, ins Risiko zu gehen und nach vorne zu schauen. Als 2020 eine seriöse indische Agentur in ganz Deutschland bei Verbänden und Kammern nachgefragt habe, ob sie Bedarf an indischen Azubis hätten, habe niemand geantwortet - nur er und die Freiburger Handwerkskammer. "Meine Hauptphilosophie ist: Wenn ich nicht brenne, kann ich andere nicht anzünden."

Bald jeder zweite junge Handwerksmeister aus dem Ausland?

Lederer geht davon aus, dass schon bald die Hälfte der neuen Handwerksmeister in Deutschland ausländische Wurzeln haben. "Das sind schon jetzt 30 bis 40 Prozent, die die Meisterprüfung machen." Er rechnet damit, dass in fünf bis sechs Jahren jeder zweite junge Meister einen Migrationshintergrund hat.

Rassismus sei in der Metzgerei und bei Kunden kein Thema

Der Metzgermeister schwärmt von seinen indischen Azubis. "Die Inder haben immer ein Smiley, die kommen raus und strahlen. Die haben so eine angenehme Art für den Verkauf und für uns. Seit drei Jahren sind sie da, ich habe noch nie ein böses Wort gehört vom Kunden, noch nie eine Beleidigung, nichts Rassistisches."

Bleibt die Frage: Haben die jungen Inder keine Probleme damit, Rindfleisch zu verarbeiten, schließlich ist die Kuh in ihrem Heimatland heilig? Lederer sagt, man frage vorher immer ab, ob die jungen Leute Probleme damit haben, mit bestimmten Fleischsorten zu arbeiten. Ein Azubi habe zu ihm gesagt: "Die Kuh ist heilig in Indien, in Deutschland wird sie gegessen, das kann man verarbeiten."

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