Der Landtag von Baden-Württemberg hat sich am Mittwochvormittag in einer aktuellen Debatte mit dem Angriff der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel und den Folgen befasst. Zunächst wurde im Plenarsaal eine Gedenkminute abgehalten. Sie war den Opfern des islamistischen Terrors gewidmet. Auf der Zuschauertribüne verfolgten Vertreterinnen und Vertreter des jüdischen Lebens in Baden-Württemberg die Debatte.
Landtagspräsidentin Aras: Antisemitismus hat bei uns keinen Platz
Mit den Worten "Wir fühlen mit den Menschen in einem befreundeten Land, das tief verwundet wurde", eröffnete Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) die Landtagssitzung am Mittwoch. Baden-Württemberg stehe sowohl an der Seite der Jüdinnen und Juden weltweit als auch hinter dem Staat Israel und seinem Recht auf Selbstverteidigung. Jede Organisation, so Aras weiter, die in Deutschland den Terror der Hamas unterstützt, müsse durch den Rechtsstaat verfolgt und verboten werden.
Aras nahm auch Bezug auf die Entführung von Shani Louk, die Wurzeln in Baden-Württemberg hat. Die 22-Jährige war am Wochenende auf einem Musikfestival in der israelischen Wüste Negev. Von dort wurde sie nach Überzeugung ihrer Familie von der Hamas verschleppt. "Ich hoffe aus tiefstem Herzen, dass sie gesund zu ihrer Familie zurückkehren kann", sagte Aras am Mittwoch im Landtag.
Kretschmann fordert harte Strafen für Hamas-Sympathisanten
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) forderte harte Strafen für diejenigen, die in Deutschland die Hamas unterstützen. "Wer auf deutschen Straßen oder im Internet die Morde an Jüdinnen und Juden feiert, der muss strafrechtlich und womöglich auch aufenthaltsrechtlich sanktioniert werden." Es müssten alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um antisemitische Parolen und Unterstützungsbekundungen für die jüngsten Taten der Hamas auf den Straßen zu unterbinden.
"Wir müssen zeigen, dass wir ein starker Rechtsstaat sind, dass unsere Demokratie wehrhaft ist, dass wir keinen Antisemitismus dulden", sagte Kretschmann. Allerdings dürfte die Rückführung staatenloser Palästinenser in die palästinensischen Gebiete schwierig sein. Denn nach Angaben des Justizministeriums gibt es dafür keine sogenannten Migrationsabkommen, also keine Zusicherung, dass ausreisepflichtige Menschen aus Deutschland aufgenommen werden.
Kretschmann: Terror durch nichts zu rechtfertigen
Für Kretschmann ist der Terror der Hamas durch nichts zu rechtfertigen. Die Sicherheit Israels gehöre zur Staatsräson Baden-Württembergs, so der Ministerpräsident weiter. Mit Blick auf die Bedrohungslage jüdischer Menschen in Deutschland wurden laut Kretschmann der Schutz von Synagogen und jüdischen Einrichtungen überprüft und angepasst: "Die jüdischen Mitglieder sind ein unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft. Wer sie angreift, greift alle an." Das Judentum gehöre zu Baden-Württemberg, so Kretschmann weiter. Das resultiere nicht aus einem Schuldgefühl, sondern aus der Überzeugung: "Wir haben eine gemeinsame Zukunft oder keine."
Gleichzeitig betonte Ministerpräsident Kretschmann, dass die Verherrlichung des Terrors durch Einzelne nicht pauschal allen Muslimen angelastet werden dürfe.
SPD-Fraktion: Größte Ermordung von Juden seit dem Holocaust
Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Andreas Stoch, bezeichnete am Mittwoch im baden-württembergischen Landtag die Angriffe auf Israel als "menschenverachtenden Terror in unglaublicher Dimension" und als "größte Ermordung von Jüdinnen und Juden seit dem Holocaust". Auch für die SPD-Fraktion sei das Existenzrecht Israels nicht verhandelbar. "Israel hat das Recht, sich zu verteidigen, Terrorismus zu verfolgen und die Sicherheit für seine Bürger wieder herzustellen", betonte Stoch. Die islamistische Terrororganisation Hamas sei feige, da die Hamas sich hinter den Zivilisten im Gazastreifen verstecke und diese als Schutzschilde benutze. Die SPD-Fraktion lasse keine Versuche gelten, diesen Terror zu rechtfertigen.
FDP-Fraktion fordert Ausweisung von Hamas-Sympathisanten
Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke kritisierte diejenigen, die sich in Deutschland auf die Seite der islamistischen Terrororganisation Hamas stellen. "Alle ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die diese bestialischen Gewalttaten hier verherrlichen, gehören ausgewiesen", sagte Rülke am Mittwoch bei der Debatte im baden-württembergischen Landtag. Die Liberalen seien auch bereit, nachgeschärften Gesetzen zuzustimmen.
CDU-Fraktion: "Keinen Fußbreit Antisemitismus in Baden-Württemberg"
Wer sich antisemitisch äußert oder die Angriffe der Hamas unterstützt, der sei eine Schande und habe aus Sicht des CDU-Fraktionsvorsitzenden Manuel Hagel in Deutschland nichts verloren. Wegen der jahrhundertelangen Verfolgung von Jüdinnen und Juden in Deutschland, die schließlich ihren Höhepunkt im Holocaust fand, komme Deutschland eine besondere Verantwortung zu, wenn es um die Sicherheit von Jüdinnen und Juden geht. Wer sich mit dem Terror der Hamas solidarisiere, habe den Gedanken der freiheitlich demokratischen Grundordnung Deutschlands nicht verstanden.
Jedem Einzelnen in Baden-Württemberg komme bei der Solidarität mit Israel Verantwortung zu, in Baden-Württemberg dürfe es keinen Fußbreit Antisemitismus geben. Antisemitismus sei Hass und keine Meinung, betonte Hagel.
Fraktion der Grünen will Austausch mit Israel intensivieren
Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Andreas Schwarz, begrüßte die Ankündigung der Bundesregierung, die finanzielle Unterstützung für die palästinensischen Gebiete zu überprüfen. Die Strukturen der Hamas dürften weder direkt noch indirekt mit Geld aus Deutschland gestärkt werden. Über Schul- und Städtepartnerschaften könne es indes möglich sein, so Schwarz weiter, die Beziehungen mit Israel zu intensivieren und sich auszutauschen. "Ich glaube in der Begegnung, im Austausch und in der Festigung unserer Beziehung - darin liegt die Lösung, dass wir diese Solidarität, die wir heute ausstrahlen, auch mit Leben füllen."
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte am Dienstag im ZDF, die palästinensischen Gebiete hätten nie Budgethilfe vom deutschen Staat erhalten, sondern immer nur Geld im Rahmen von Entwicklungszusammenarbeit. Diese humanitäre Unterstützung solle fortgesetzt werden.
AfD-Fraktionsvorsitzender attackiert Flüchtlingspolitik
Der Fraktionsvorsitzende der rechtspopulistischen AfD, Anton Baron, verurteilte zwar die Angriffe auf Israel und bezeichnete sie als "neuen Tiefpunkt des 21. Jahrhunderts". Gleichzeitig nutzte er die Debatte aber für Attacken auf die Flüchtlingspolitik in Bund und Land. Baron stellte antisemitische Haltungen in Deutschland in direkten Zusammenhang mit der Zuwanderung Geflüchteter. Baron warf den anderen Parteien vor, zu lange zu tolerant gegenüber "fanatischen Moslems" gewesen zu sein. So seien antisemitische Ausschreitungen wieder möglich geworden.
Kritik an Rede des AfD-Fraktionsvorsitzenden
Kritik dafür kam unter anderem vom Grünen-Fraktionsvorsitzenden Andreas Schwarz. Die AfD instrumentalisiere den terroristischen Angriff auf Israel und zeige dadurch eine antisemitische Haltung. Auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Hagel kritisierte die AfD in der Debatte im baden-württembergischen Landtag. Angesichts des Leids in Israel und der unzähligen Todesopfer seien die Äußerungen der AfD in der Debatte fehl am Platz.
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Ablauf der Debatte zum Angriff auf Israel: BW-Regierung uneinig
Über den Ablauf der Debatte gab es im Vorfeld Unstimmigkeiten in der Landesregierung. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte als erster in der Debatte zu Israel gesprochen, obwohl sie von der CDU-Landtagsfraktion beantragt worden war - ein ungewöhnlicher Vorgang. Zuvor war nach SWR-Informationen die Idee eines gemeinsamen Antrags der Regierungsfraktionen am Widerstand der CDU gescheitert.