Rassismusdebatte an Gymnasien

"Tauben im Gras" bleibt in BW Abiturpflichtlektüre

Stand

Die BW-Kultusministerin hält an der Abiturpflichtlektüre "Tauben im Gras" fest. Eine Ulmer Lehrerin hatte sich zuvor geweigert, den Roman im Unterricht zu behandeln. Sie kritisiert, dass in dem Buch rassistische Wörter verwendet werden.

Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) hält an einer umstrittenen Abi-Pflichtlektüre für berufliche Gymnasien fest. Eine Ulmer Lehrerin hatte sich geweigert, den Roman "Tauben im Gras" von Wolfgang Koeppen aus dem Jahr 1951 wegen rassistischen Vokabulars im Unterricht durchzunehmen. Schopper sagte, das Buch zu behandeln, "finde ich sehr wichtig."

"Es geht darum, deutlich zu machen, wie Rassismus Gesellschaften prägt: damals in den 50er Jahren, als der Roman entstanden ist, aber auch heute."

Lehrerin ließ sich wegen Abiturlektüre beurlauben

Die Ulmer Deutschlehrerin Jasmin Blunt ist in den Mittelpunkt der Debatte geraten, sie sagte dem SWR sie kann den Roman nicht einfach aus der Hand legen. Der Roman verletze ihre Menschenwürde, verbieten lassen will sie ihn aber nicht.

Ein Angebot des Kultusministeriums, den Abiturkurs zu wechseln und den Roman nicht zu lesen, lehnte die Deutschlehrerin ab. 

"Es gibt auch andere Werke, mit denen man wahnsinnig gut Rassismus aufarbeiten kann, ohne dass man eine Gruppe dehumanisiert."

Blunt hatte sich wegen der Pflichtlektüre für das nächste Schuljahr beurlauben lassen. Kultusministerin Schopper sagte daraufhin, sie bedauere sehr, dass die Lehrerin diese Konsequenz gezogen habe.

Laut Kultusministerium war der Roman schon um die Jahrtausendwende Pflichtlektüre in Baden-Württemberg und auch 2014 in Nordrhein-Westfalen. Wolfgang Koeppen gelte als einer der wichtigsten Nachkriegsautoren in Deutschland. Die Auswahl der Pflichtlektüre für die Abiturprüfung erfolge durch ein Fachgremium. An allgemeinbildenden Gymnasien sei "Tauben im Gras" kein Abitur-Pflichtstoff.

Petition in Ulm gegen neue Pflichtlektüre Rassismus: Lehrerin will wegen Roman nicht mehr unterrichten

Für das Abi an beruflichen Gymnasien in BW sollen Schüler "Tauben im Gras" lesen - ein Buch mit rassistischer Sprache, findet eine Ulmer Lehrerin. Sie hat eine Petition dagegen gestartet.

Aktivist Tahir Della: Mehrheitsgesellschaft hat keinen Schimmer von Rassismus

Tahir Della, ein Aktivist von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland kritisierte, "wir müssen deutlich machen, dass wir eben Menschen vor rassistischer Erfahrung schützen müssen". Da sei es ganz wichtig, diejenigen zu hören, die von Rassismus negativ betroffen sind. "Deren Perspektive muss eingenommen werden und nicht die der Mehrheitsgesellschaft, die oftmals keinen Schimmer hat, wie Rassismus funktioniert und wirksam ist."

Petition gegen Abiturpflichtlektüre hat mehr als 2.400 Unterschriften

Eine Petition gegen die Pflichtlektüre hat im Internet mehr als 2.400 Befürworter gefunden, darunter auch Lehrkräfte von Universitäten und Kulturschaffende. Ihrer Ansicht nach ist das Buch nicht für den Unterricht geeignet, da betroffene Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte während dessen Besprechung immer wieder rassistischer Diskriminierung ausgesetzt würden.

Das Buch ist der erste Roman aus einer Nachkriegstrilogie von Wolfgang Koeppen (1906-1966). Darin erzählt er vom Klima der jungen Adenauer-Republik und thematisiert auch, dass viele zu dieser Zeit Fragen der Schuld verdrängten. In "Tauben im Gras" kommen auch Figuren vor, die rassistische Einstellungen haben, in Beschimpfungen taucht das 'N-Wort' mehrmals auf. Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki hatte das Buch 2001 in einer Liste lesenswerter deutschsprachiger Werke aus vier Jahrhunderten erwähnt.

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