Allein in den ersten neun Monaten sind in Baden-Württemberg 184 antisemitische Straftaten verzeichnet worden, wie das Landesinnenministerium mitteilte. Das sind etwas mehr als in den ersten drei Quartalen des Vorjahres (175). Die Zahl dürfte nach Einschätzung des Ministeriums deutlich steigen, denn nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober kam es auch in Baden-Württemberg zu Hassparolen gegen Jüdinnen und Juden. Außerdem wurden vielerorts israelische Flaggen abgerissen oder verbrannt.
Meiste Taten im Zusammenhang mit Israel-Flagge
"Das Sicherheitsgefühl der Jüdinnen und Juden ist nachhaltig erschüttert", sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) vor dem Hintergrund des Krieges gegen die Hamas und den Demonstrationen gegen Israel. Laut Einschätzung seines Ministeriums richteten sich die meisten Taten gegen israelische Flaggen, die häufig beschädigt oder abgerissen wurden. Darunter waren auch Fahnen an Rathäusern, die als Zeichen der Solidarität gehisst wurden.
Aber auch Sachbeschädigungen in Form von Farbschmierereien mit teilweise volksverhetzendem Inhalt gehörten zu diesem Bereich. "Körperliche Übergriffe und unmittelbare Konfrontationen sind weiterhin selten", so das Innenministerium.
Nach Gewalt-Aufruf der Hamas Polizei verstärkt Schutz von jüdischen Einrichtungen in Baden-Württemberg
Die Polizei im Land erhöht die Sicherheitsmaßnahmen für jüdische Einrichtungen. Grund ist der gezielte Gewalt-Aufruf der als Terrororganisation eingestuften Hamas für Freitag.
85 Jahre nach der Reichspogromnacht, wo die Nazis Synagogen und jüdische Geschäfte zerstörten, ist die Situation auch in Freiburg wieder angespannt. SWR-Reporterin Jasmin Bergmann hat mit Jüdinnen und Juden darüber gesprochen, wie sich ihr Leben seit den Angriffen der Hamas auf Israel verändert hat:
Antisemitische Schmierereien an Hauswänden und Wahrzeichen
Im November wurden antisemitische Farbschmierereien an der Württembergischen Landesbühne in Esslingen und auf Stufen zur dortigen Burg entdeckt. Auch das Rastatter Schloss wurde mit Parolen beschmiert, ebenso wie diverse Hauswände in Ludwigsburg. Allein in den drei Wochen nach dem Hamas-Überfall wurden laut Landeskriminalamt rund 30 Straftaten in Verbindung mit Israel-Flaggen registriert. Das Land hat inzwischen auch eine zentrale Koordinierungsstelle für solche Vorfälle eingerichtet.
Zwischen 2019 und 2022 wurden rund 400 antisemitisch motivierte Straftaten in Baden-Württemberg verfolgt. Ihre Zahl hat in den vergangenen zehn Jahren nach Angaben des baden-württembergischen Antisemitismusbeauftragten Michael Blume um 206 Prozent zugelegt - und dabei wird eine hohe Dunkelziffer vermutet. "Die längerfristige Entwicklung antisemitischer Straftaten gibt aber sowohl landes- als auch bundesweit Anlass zur Sorge", warnte Blume dazu auch in seinem bereits vorgestellten Bericht an den Landtag. "Antisemitismus ist eine Erfahrung, die vielen Jüdinnen und Juden regelmäßig in ihrem Alltag aus der Mitte der Gesellschaft begegnet."
Der größte Teil der Taten ist nach diesen Angaben weiterhin rechtsmotiviert - mit deutlich steigender Tendenz. Von den 184 Delikten im ersten Dreivierteljahr dieses Jahres werden 135 diesem Bereich zugerechnet, in den ersten drei Quartalen des Vorjahres waren es 109 Fälle.
Mehrere antisemitische Straftaten gemeldet LKA richtet Koordinierungsstelle für antisemitische Vorfälle ein
An Gebäuden in mehreren Städten in BW wurden in der vergangenen Woche Israel-Flaggen entwendet und beschädigt. Für solche Vorfälle gibt es nun eine zentrale Koordinierungsstelle bei der Polizei.
BKA-Chef: "Dimension im Bereich dieser Straftaten ist neu"
Erst vor wenigen Tagen hatte auch der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, einen bundesweit drastischen Anstieg antisemitischer Straftaten beklagt. "Die Dimension im Bereich dieser Straftaten ist neu", so Münch in der "Neuen Zürcher Zeitung". Antisemitismus habe sowohl im linken als auch im rechten Spektrum zugenommen, er sei aber auch importiert. "Viele Menschen sind aus Regionen in unser Land gekommen, in denen Israel als Feind gilt und wo die Vorstellung herrscht, dass Juden bekämpft werden müssen", sagte Münch. Diesen aus dem Ausland importierten Antisemitismus müsse man benennen und dagegen vorgehen.
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