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Rheuma bei jungen Menschen

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Autor/in
Marcus Schwandner
Marcus Schwandner
Onlinefassung
Ulrike Barwanietz
Candy Sauer

Bei Rheuma denken viele zunächst an alte Menschen. Doch in Deutschland leiden etwa 20.000 Kinder und Jugendliche unter einer rheumatischen Erkrankung. Wird die Krankheit nicht erkannt und behandelt, können bleibende Schäden auftreten.

Rheuma ist ein Sammelbegriff für über 200 verschiedene Erkrankungen, die unterschiedliche – teilweise bekannte – Ursachen haben. Nicht nur Gelenke, sondern auch Knorpel, Weichteile, Muskeln, Bänder und Sehnen können betroffen sein. Die meisten Patienten leiden an rheumatischer Arthritis, also der entzündlichen Erkrankung der Gelenke. Sie beginnt häufig im Alter zwischen 50 und 70 Jahren. Es leiden dreimal so viele Frauen wie Männer an Rheuma. Zur Risikogruppe gehören außerdem Raucher und Menschen mit Übergewicht.

Aber Rheuma tritt eben auch bei jungen Menschen auf, betont der Kinderarzt Prof. Gerd Horneff, Chefarzt an der Asklepios Klinik in St. Augustin bei Bonn. Bei Kindern tritt die Erkrankung sogar oft bereits kurz vor oder während der Grundschulzeit auf.

Kleine Kinder können Schmerzen nicht benennen

Das Problem ist jedoch, dass kleine Kinder ihre Schmerzen kaum richtig benennen können. Wenn sie ständig heftige Schmerzen haben, beginnen sie stattdessen, schmerzauslösende Bewegungen zu vermeiden. Gerade die Früherkennung ist wichtig für eine effektive Therapie mit Schmerzmitteln und Entzündungshemmern.

Mädchen hockt vor einer Mauer. Wenn Kinder aufgrund von Rheuma ständig heftige Schmerzen haben, beginnen sie, schmerzauslösende Bewegungen zu vermeiden
Wenn Kinder aufgrund von Rheuma ständig heftige Schmerzen haben, beginnen sie, schmerzauslösende Bewegungen zu vermeiden

Außerdem findet nicht jeder eine Fachärztin für Rheumatologie in der Nähe, denn im Verhältnis zu den vielen Erkrankten gibt es viel zu wenig niedergelassene Rheumatologen. Allein an der rheumatoiden Arthritis erkranken eine Million Deutsche, hinzu kommen 500.000 Menschen mit einem Rückenrheuma.

Doch immerhin gibt es für Kinder und Jugendlich mit rheumatischen Erkrankungen rund 70 spezialisierte Zentren in Deutschland. Dort untersuchen Ärzte die jungen Betroffenen während eines ein- oder mehrwöchigen Aufenthalts, überprüfen die bisher verschriebenen Medikamente oder stellen sie neu ein. Krankengymnastinnen bewegen die Gelenke, Psychologen begleiten die Kinder und Jugendlichen, Fachärztinnen diagnostizieren und behandeln mögliche Begleiterkrankungen.

Junge Rheumatiker: schwieriger Übergang ins Erwachsenenalter

Der Übergang ins Erwachsenenalter ist für viele junge Rheumatiker schwierig. Nicht nur, weil es weniger Ärzte gibt, sondern weil sie als junge Menschen in eine Phase kommen, in der sie keine Lust auf die Behandlung haben. Wenn die jungen Patientinnen ihre Medikamente nicht mehr nehmen, kann die Entzündung wieder aufflammen, was letztlich zur Zerstörung der Gelenke führen kann.

Es gibt aber auch Lebensphasen, in denen Rheuma-Patienten möglicherweise ganz auf ihre Medikamente verzichten müssen. Denn Rheumatikerinnen sollten aufgrund der Rheuma-Medikamente nicht spontan entscheiden, schwanger zu werden. Und auch für die Zeit der Schwangerschaft muss man die passenden Ärzte erstmal finden.

Rheumatoide Arthritis bei Jugendlichen: Wenn junge Patienten ihre Medikamente nicht mehr nehmen, kann die Entzündung wieder aufflammen, was letztlich zur Zerstörung der Gelenke führen kann
Wenn junge Patienten ihre Medikamente nicht mehr nehmen, kann die Entzündung wieder aufflammen, was letztlich zur Zerstörung der Gelenke führen kann

Assistenzpersonal zur besseren Versorgung fehlt in Deutschland

Hinzu kommt, dass eine Rheuma-Therapie langfristig nur gelingt, wenn die Ärzte ihre Patienten ausführlich befragen. Doch „sprechende Medizin“ wird von den Krankenkassen schlecht honoriert. Würden die Ärztinnen von Assistenzpersonal unterstützt, könnte die Versorgung besser gelingen. Zu diesem Ergebnis kommt eine noch nicht veröffentlichte Studie der Medizinischen Hochschule Hannover aus dem Jahr 2019 an über 230 Patienten.

In Großbritannien und Dänemark sind diese Assistentinnen üblich. Es handelt sich hierbei oft um Krankenschwestern oder Medizinisch-Technische-Assistenten, die sich fortbilden, damit sie Rheumapatientinnen behandeln dürfen. Laut Studie war der Gesundheitszustand der Patienten nach 12 Monaten genauso gut, als wären sie von einer Ärztin behandelt worden. Doch von Behandlung der Patienten durch Rheuma-Assistentinnen ist Deutschland noch weit entfernt.

Medikament aus der Chemotherapie gegen Rheuma

Die Behandlung von jungen Rheuma-Patienten verläuft nach einer standardisierten Therapie. Zuerst erhalten sie Schmerzmittel. Wenn die nicht ausreichen, gibt es ein Einstiegs-Medikament. Bei Kindern ist das beispielsweise Methotrexat, welches auch bei der Krebstherapie, also bei der Chemotherapie verwendet, wird – bei Rheuma jedoch in viel höheren Dosen.

Das Medikament verursacht nicht nur Übelkeit, es macht auch müde. Also spritzen es sich viele Patientinnen am Wochenende, um sich bis Wochenanfang wieder erholen zu können, weiß die Sozialberaterin Kathrin Ivenz von der Rheumaliga Baden-Württemberg.

Kinder malen: Rheumatoide Arthritis verursacht Entzündungen und Steifheit der Gelenke
In Deutschland leiden etwa 20.000 Kinder und Jugendliche unter einer rheumatischen Erkrankung. Die rheumatoide Arthritis verursacht Entzündungen und Steifheit der Gelenke.

Erholung und Freizeit mit Freunden müssen am Wochenende ausfallen, wenn wieder einmal die Spritze ansteht. Das ist in der Regel alle drei Wochen der Fall. Falls das Medikament nicht gut wirkt oder nicht gut vertragen wird, dann muss die Ärztin nach einem anderen Medikament suchen, sagt Prof. Matthias Schneider, Experte für Rheumatologie der Uniklinik Düsseldorf. Biologika beispielsweise, die seit 20 Jahren auf dem Markt und sehr teuer sind. Grund dafür ist die aufwendige Herstellung durch lebende Zellen.

"Biker"-Register dokumentiert u.a. Verträglichkeit von Biologika

Biologika werden in der Regel erst dann verschrieben, wenn die Basistherapie mit entzündungshemmenden Medikamenten oder Antirheumatika nicht gut wirkt. Auch diese Mittel müssen gespritzt werden. Manche dürfen auch Kindern und Jugendlichen gegeben werden. Wie Biologika wirken, wird seit Jahren erforscht. Eines der Studienregister für Kinder und Jugendliche führt Gerd Horneff am Rheumazentrum in St. Augustin bei Bonn, es heißt ‚Biker‘ – Biologika in der Kinderrheumatologie.

Das Register enthält die Daten von rund 100 Fachärztinnen und etwa 4.000 Kindern. Das Besondere im Vergleich zu klinischen Studien: Hier wird auch dokumentiert, wie gut Patienten Biologika und andere Medikamente vertragen, die nicht an wissenschaftlichen Studien teilnehmen können, weil sie andere Begleiterkrankungen haben oder weil sie zusätzlich andere Medikamente einnehmen müssen.

Janus-Kinase-Hemmer: Hoffnungsträger der Rheuma-Therapie

Zudem werden die Erfahrungen mit einem der Hoffnungsträger der Rheuma-Therapie dokumentiert, den sogenannten Janus-Kinase-Hemmern. Diese Stoffe blockieren einen Signalweg innerhalb der Zelle. Dadurch können in den Gelenken keine Entzündungsstoffe mehr produziert werden. Ein weiterer Vorteil: Diese Medikamente gibt es auch als Tabletten, das lästige Spritzen entfällt. Die Register sind wichtig, denn Patientinnen müssen diese Medikamente oft über Jahrzehnte oder gar ein Leben lang einnehmen.

Die Daten und Erfahrungen von über 18.000 erwachsenen Patienten mit rheumatischer Arthritis werden im Register RABBIT erfasst, die Abkürzung für „Rheumatoide Arthritis: Beobachtung der Biologika-Therapie“.

Ein weiterer Vorteil dieser Register im Vergleich mit Medikamentenstudien ist die Laufzeit. Jede Studie wird irgendwann abgeschlossen. Die Register werden immer weitergeführt und bieten einen Schatz an Daten, von dem alle Betroffenen profitieren. Zurzeit werden die Daten bezüglich der Covid-19-Erkrankung ergänzt. Für die meisten Rheumapatientinnen besteht demnach kein erhöhtes Risiko zu erkranken.

Frau lacht am Schreibtisch
Für Frauen mit Rheuma ist die Zufriedenheit am Arbeitsplatz der zweitwichtigste Befund für ihr Wohlbefinden

Zufriedenheit am Arbeitsplatz spielt für Rheumapatientinnen große Rolle

Dank immer besserer Medikamente können die meisten Rheuma-Patienten weitgehend schmerzfrei leben. Die Unterstützung in der Familie und der Partnerschaft sind ebenfalls essentiell. Aber noch etwas sei sehr wichtig, hat Prof. Matthias Schneider von der Uniklinik Düsseldorf beobachtet. Und das ist die Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Bei seinen Untersuchungen zeigte sich, dass für Frauen im Zusammenhang mit der rheumatischen Erkrankung die Zufriedenheit am Arbeitsplatz der zweitsignifikanteste Befund für ihr Wohlbefinden ist – nach Schmerz.

Aus diesem Grund hat Schneider den Rheuma-Preis ins Leben gerufen. Damit werden Projekte und Konzepte ausgezeichnet, die es Rheumatikern ermöglichen, berufstätig zu sein.

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