Kulturelle Frauenfeindlichkeit seit der Aufklärung
Die enge Verknüpfung von Care-Arbeit und Geschlecht beginnt im späten 18. Jahrhundert. Die Französische Revolution verspricht den Menschen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gemeint sind aber eigentlich nur die Männer. Genauer: weiße, wohlhabende Männer. Prägende Köpfe der Aufklärung entwerfen ein fragwürdiges Frauenbild. Sie wollen wissenschaftlich beweisen, dass Frauen weniger Verstand besitzen.
Der Typus der gelehrten Frau, den es in der Frühaufklärung noch gibt, wird zum Ende des 18. Jahrhunderts vom sogenannten "natürlichen Geschlechtscharakter der Frau" verdrängt. Eine Frau soll sittsam sein, tugendhaft und fleißig. Damit bleibt ihr noch genau eine Rolle: die der Hausmutter.
Industrialisierung: von der Hausmutter zur Hausfrau
Die Hausmutter ist neben dem Hausvater die mehr oder weniger gleichberechtigte Herrin des Hauses mit Finanzverantwortung und jeder Menge Personal unter sich. Das ändert sich erst im 19. Jahrhundert. Mit der Industrialisierung verlagert sich Arbeit weg vom Zuhause nach draußen. Viele bürgerliche Männer suchen sich Arbeit außerhalb der privaten Haushalte. Die Ehefrauen übernehmen notgedrungen viele Aufgaben selbst – die unbezahlte Hausarbeit ist geboren. Das neue Konzept der Liebesheirat verklärt die unbezahlte Arbeit der Ehefrau zudem als Liebesdienst am Mann. Doch nicht nur die Liebe des Mannes will erkocht und erputzt werden, auch die Fürsorge für das Kind rückt immer weiter ins Zentrum des Hausfrauendaseins.
Unbezahlte Hausarbeit stützt Kapitalismus
Die kapitalistische Wirtschaftsordnung, die sich im 19. Jahrhundert durchsetzt, kann leicht an diese Geschlechterstereotypen anknüpfen. Die Etablierung der unbezahlten Hausarbeit wird zur Grundlage dafür, dass die neue Art der Arbeitsorganisation überhaupt funktioniert. Denn nur wenn sich die Frau um Haushalt und Kinder kümmert, kann der Mann anderswo seiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Alle Lebensbereiche ordnen sich ab jetzt der bezahlten Lohnarbeit unter.
Von nun an wird die Frau mit der Familie identifiziert, der Mann mit seinem Beruf. Hausarbeit gilt ab dem Ende des 19.Jahrhunderts nicht mehr als Beruf, sondern als die biologische Bestimmung der Frau. Das Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 regelt diesen Zustand auch juristisch. Damit verliert die Frau endgültig die Möglichkeit, über das eigene Leben zu bestimmen. Auch wenn sich die erstarkende Frauenbewegung dagegen wehrt – so wird es die nächsten Jahrzehnte bleiben.
Nationalsozialismus bricht temporär mit den Geschlechterrollen
Den kurzen Jahren der Weimarer Republik mit dem Wahlrecht für Frauen und neuen Berufsmöglichkeiten im Büro folgt der Nationalsozialismus. Erste Staatsbürgerpflicht der Frau ist nun das Gebären neuer Krieger. Mütterschulen professionalisieren den Hausfrauenberuf. Doch spätestens mit dem Zweiten Weltkrieg sind die Frauen dann doch auch wieder im Beruf gefordert. Wo kriegsbedingt Männer fehlen, übernehmen Frauen. Aber kaum sind die Männer 1945 wieder zu Hause, kehren die Frauen an den Herd zurück.
Hausfrauen im Kalten Krieg: idealisiert im Westen, verpönt im Osten
Im Kalten Krieg wird die Hausfrau geradezu eine Ikone des Westens, nicht nur in der Bundesrepublik. Auch in anderen europäischen Ländern und den USA gilt die Hausfrau als Statussymbol des Kapitalismus. Wer es sich irgendwie leisten kann, hat eine erwerbslose Ehefrau zu Hause. Und zwar anders als im Kaiserreich über alle Gesellschaftsschichten hinweg. Die werktätige Frau des Ostens wird zum Schreckgespenst. Lieber verpflichtet man in der Bundesrepublik ausländische Gastarbeiter, als dass man die Berufstätigkeit von Frauen fördert.
1970er Jahre: Aufbruch in der Geschlechterdebatte
Mit der Frauenbewegung in den 1970ern kommt Bewegung in die langlebigen Geschlechterbilder: 1977 ist die Frau nicht mehr gesetzlich verpflichtet, den Haushalt zu führen oder unbezahlt im Geschäft des Mannes mitzuarbeiten.
Arbeiten zu gehen, wird spätestens in den 1980er-Jahren auch eine ökonomische Notwendigkeit. Immer weniger Familien können sich das Hausfrauenmodell leisten. Gemacht werden muss die Care-Arbeit natürlich trotzdem und bleibt wieder größtenteils an den Frauen hängen.
Heute: Teilzeit als Voraussetzung für eine egalitäre Gesellschaft
Die meisten Frauen sind heute berufstätig. Mütter arbeiten größtenteils zumindest in Teilzeit weiter. Trotzdem wenden Frauen mehr als doppelt so viel Zeit für unbezahlte Care-Arbeit auf wie Männer – also für all die Tätigkeiten rund um Haushalt, Kinder, Pflege und Logistik. Das ist für das Funktionieren der Gesellschaft unabdingbar. Würde man die Care-Arbeit bezahlen, käme man laut Statistischem Bundesamt auf einen Betrag von mindestens 500 Milliarden Euro.
Studien zeigen, dass immer mehr Frauen an ihre Belastungsgrenze stoßen. Nicht erst seit der Coronapandemie nehmen Fälle von chronischer Erschöpfung, Burnout und Depressionen zu. Ähnlich wie in der Klimakrise wird es also auch rein ökonomisch immer teurer, nichts gegen diesen Missstand zu tun.
SWR 2022