Große, von Eyeliner gerahmte Augen und Haute-Couture-Erhabenheit. Der milde Blick lässt alle Masken fallen. Maria Callas schafft diesen Spagat zwischen göttlicher Diva auf der einen und femme fragile auf der anderen Seite.
Es gibt zwei Personen in mir. Ich wäre gerne Maria, aber da ist noch die Callas, der ich gerecht werden muss. Ich lebe mit beiden, so gut ich kann.

Als Kunstfigur führt Maria Callas ein bizarres Eigenleben
Als Kunstfigur ist Maria Callas auch nahezu 50 Jahre nach ihrem Tod sehr lebendig: Ihr Leben wurde zum Stoff von Romanen, und 1995 zur Vorlage von Terrence McNallys Theaterstück “Meisterklasse”. Marina Abramovic ließ sie in ihrer Performance gleich sieben Mal sterben.
Nun verkörpert Angelina Jolie die Sängerin in Pablo Larraíns Film „Maria“. Der Film zeichnet die letzten Tage im Leben der Callas nach. In Interviews erinnert sie sich an die großen Momente ihres Lebens zurück.
„Maria“ von Pablo Larraín: Filmbesprechung von Julia Haungs
Kompromisslose Identifikation mit ihren Rollen
Die Mythos-Bildung begann schon zu ihren Lebzeiten und wurde von Maria Callas selbst inszeniert. Callas nahm ihre Kunst unheimlich ernst. Sie fühlte und lebte ihre Partien wie keine andere – seien die Rollen und die Gefühle, die diese mit sich bringen, noch so abgründig.
Das machte sie zu einer überzeugenden Schauspielerin und einer bewegenden Musikerin. Vielleicht hat diese Hingabe auch dazu geführt, dass Kunst und Leben wie Aquarellfarben ineinander überflossen.
Alles, was die Leute verstört, provoziert eine Reaktion. Wie zum Beispiel meine merkwürdigen Interpretationen, die die Menschen etwas fühlen ließen, was sie sonst in der Oper nie gefühlt hatten.
Öffentliches Leiden
So könnte ihr Leben tatsächlich der Stoff einer Oper sein: unglückliche Kindheit unter dem Drill ihrer ambitionierten Mutter, Welterfolg in den 1950er-Jahren – immer mehr getrübt von Konflikten mit ihrem Manager, Zerwürfnissen mit Intendanten und mit der Presse.
Ihre Affäre mit dem Reeder-Tycoon Aristoteles Onassis führte sie in den Kreis der Jetset-Society an der Cote d’Azur ein; am Ende heiratete der aber die Präsidentenwitwe Jackie Kennedy.

In den 1960er-Jahren ging ihre Stimme allmählich in die Brüche. Ein jahrelanges hohes Arbeitspensum, ihr Einsatz in unterschiedlichen Rollen, Stimmfächern und -lagen brachte ihr zwar den Welterfolg, sorgte aber auch für eine kurze Karriere.
Auch privat ging sie bis zum Äußersten, als sie sich zum Beispiel innerhalb eines halben Jahres um mehr als 30 Kilo herunter hungerte. In ihren letzten Lebensjahren lebte sie zurückgezogen und starb mit nur 53 Jahren an einem Herzinfarkt.
Maria Callas zu Besuch beim Südwestfunk (1959)
Anekdoten befeuern die Mythenbildung
Zum Mythos dürfen auch diverse Kuriositäten aus ihrer Biografie beitragen. So litt Maria Callas unter ausgeprägter Kurzsichtigkeit, trug ihre Brille jedoch nur in den Proben. In den Vorstellungen soll sie den Taktstock des Dirigenten kaum gesehen haben. Die Sehschwäche kompensierte sie mit einer akribischen Vorbereitung, die Partituren kannte sie auswendig.
Auch um ihrem Gewichtsverlust ranken sich Mythen. Ein Bandwurm soll dabei „geholfen“ haben. Zum treuen Begleiter der Diva wurde ihr Zwergpudel Toy. Er musste überall mit dabei sein: in Interviews oder auch bei Proben im Theater.
Nach ihrem Tod am 3. Juli 1977 wurde ihre Asche vom Pariser Friedhof Père Lachaise gestohlen. Nachdem der Diebstahl in der Presse bekanntgemacht wurde, tauchte die Urne am gleichen Ort wieder auf. Was genau vorgefallen war, bleibt bis heute ungeklärt.
Forum Mythos Maria Callas – Was bleibt von der Jahrhundertsängerin?
Gregor Papsch diskutiert mit
Prof. Dr. Arnold Jacobshagen, Callas-Biograf und Musikhistoriker an der Musikhochschule Köln
Bernd Künzig, SWR2 Opernredakteur
Prof. Mareike Morr, Professorin für Gesang an der Hochschule für Musik Freiburg
Die Göttliche und die Menschliche
Trotz aller Mythen um ihre Person bewundert manr bis heute die Brillanz von Maria Callas. „La divina“, die Göttliche, gewährt aber auch Einblicke in ihr zutiefst menschliches Leben – voller Unzulänglichkeiten.
Callas erscheint uns immer noch verletzlich und nahbar. Auch diese Polarität macht die Faszination der Jahrhundertsängerin aus.
Wenn ich gesungen habe, war mein wahres Selbst jede Sekunde da. Ich war immer aufrichtig und habe nichts Unechtes gemacht. Wenn jemand wirklich versucht, mir zuzuhören, wird dieser mein ganzes Wesen darin finden.