Porträt

Alice Sara Ott und ihre John-Field-Liebe

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Von Autor/in Sophie-Caroline Danner

Der Komponist John Field ist der Erfinder der Nocturne und trotzdem vollkommen unbekannt. Alice Sara Ott setzt sich jetzt für seine Bekanntheit ein. Sie hat all seine 18 Nocturnes eingespielt und geht aktuell damit international auf Tour. In ihrem neuen Bühnenprogramm kombiniert sie die Nocturnes mit Sonaten von Ludwig van Beethoven. Zwei Zeitgenossen: Der eine ist heute weltberühmt, der andere vergessen.

Die erste Nocturne der Welt

John Fields Nocturnes fühlen sich beim Hören vertraut und gleichzeitig flüchtig an. Da hat man sich gerade an eine Tonart, einen Gestus oder Rhythmus gewöhnt und schon wird man ganz wo anders hingeführt, aber nie fallen gelassen.

Einige von Fields Stücken haben eine perlende Virtuosität, wie man sie auch aus Frederic Chopins Nocturnes kennt. Der Vergleich mit Chopin liegt also nahe. Aber man sollte dabei bedenken, dass John Field seine erste Nocturne - und damit die erste Nocturne überhaupt – im Jahr 1812 geschrieben hat. Da war Chopin gerade zwei Jahre alt! John Field ist für Alice Sara Ott ein selbstständiger Komponist, den man sowieso nicht auf den Vergleiche reduzieren kann.

Ich finde, dass John Field eine sehr, sehr spezielle Sprache hat. In seiner Musik sieht man, was für ein unglaublich toller Interpret und Improvisator er gewesen ist. [...] Und gleichzeitig ist es auch Musik, die alles in sich trägt. Es gibt Melancholie, es gibt Schmerz, es gibt Trauer, es gibt Freude, es gibt Schönheit. Und man verlässt diese musikalische Welt mit so einem ganz leichten Herzen.

Eine bekannte Melodie

Als Alice Sara Ott an der Nocturne Nummer 9 arbeitet, führen sie ihre Gedanken immer wieder zu Fields Zeitgenossen Ludwig van Beethoven und dessen sogenannter Mondscheinsonate. Das dortige Trauermarsch-Motiv findet man sowohl bei Mozart, als auch bei Beethoven und eben auch bei Fields Nocturne Nr. 9. 

Alice Sara Ott - Field: Nocturne No. 9 in E Minor, H. 46 (Official Music Video)

Für Alice Sara Ott gibt es verschiedene Gründe, warum die Verbindung der beiden Komponisten Sinn ergibt. Erstmal hatten beide enormen Einfluss auf die Entwicklung der Musikgeschichte. Und dass der eine zu DEM Komponisten wurde und der andere vergessen, ist an sich schon interessant. Aber über musikgeschichtliche Zusammenhänge hinaus denkt sie für ihre Konzertgestaltung immer auch an ihr Publikum.

Bei Beethoven hat man diesen Weltschmerz und man kann dem nicht entkommen und man leidet mit jeder Note oft mit. Und man ist wirklich gezwungen, sich mit seinem eigenen hässlichen Abbild auseinanderzusetzen. Und dann ist es vielleicht auch ganz schön, dann diese Leichtigkeit und vielleicht auch manchmal Nichtigkeit im John Field zu erleben und dann diese Balance zu haben. [...] Beethoven, der zieht einen wirklich runter und der zerreißt einen von innen. Und das macht John Field nicht.

SWR2 Zur Person Die Pianistin Alice Sara Ott: Lebensfreude trifft auf dunkle Fragen

Für die junge Pianistin Alice Sara Ott ist Musik ein Spiegel ihres Lebens. Jeder Ton öffnet eine Vielfalt an Farben und persönlichen Assoziationen, die sie freimütig mit uns teilt in programmatischen Konzerten und Aufnahmen. Lebensfreude trifft auf komplexe und dunkle Fragen, kreative Kraft auf die Diagnose Multiple Sklerose. Am Klavier sitzt sie gern barfuß und im Schneidersitz, und vor jedem Konzertauftritt muss sie einen verdrehten Zauberwürfel lösen.

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Autor/in
Sophie-Caroline Danner
Künstler/in
Alice Sara Ott