Kraftklub und der Tag nach dem „Wir sind mehr“-Konzert
Am dritten September 2018 hatte die Band Kraftklub in Chemnitz ein Konzert organisiert, um den tausenden Rechten, die seit über einer Woche täglich in ihrer Heimatstadt auf die Straße gingen, zu zeigen: „Wir sind mehr“.
Ein großes Ereignis für die Band und die Stadt, nun singen Kraftklub auf ihrem neuen Album „Kargo“ darüber, wie es danach weiterging.
Auch wenn am „Vierten September“ die meisten wieder abgereist sind – Kraftklub sind dageblieben und man muss ihnen dafür dankbar sein. An kaum einem anderen Ort dürften so tolle Texte über das Leben in Deutschland entstehen wie die von Sänger Felix Brummer.
Kraftklub und Tokio Hotel haben mehr gemeinsam, als man oberflächlich betrachtet meinen könnte
Zum Beispiel für den Song „Wittenberg ist nicht Paris“, ein Brief an jemanden, der den tiefen Osten für ein Leben in einer vermeintlich besseren Welt verlassen hat.
Doch überhaupt geht es viel um den Themenkomplex „Bleiben oder gehen“ auf „Kargo“. In „Fahr mit mir“ träumt die Band davon, nicht nur den Osten, sondern Deutschland zu verlassen, zusammen mit Gastsänger Bill Kaulitz von der Band Tokio Hotel, der längst Magdeburg gegen Los Angeles eingetauscht hat.
„Es tut mir leid, etwas mit Heimatministerium kann für mich keine Heimat sein“ singt Kaulitz die Bridge im Song. Dass es auch in den USA ein Heimatministerium gibt, dürfte Kaulitz wissen.
Der Erfolg der Band wird hinterfragt
Die Musik von Kraftklub, eine treibende, aber wenig originelle Mischung aus Punkrock und Rap, ist auf „Kargo“ wie auch früher schon vor allem der Teppich, auf dem sich die wirklich hervorragenden Texte effektvoll ausbreiten und inszenieren können.
Felix Brummer wünscht sich da „keine Regeln außer so zu leben dass Franz-Josef Wagner was dagegen hätte“, unterscheidet zwischen „Menschen, die brennen, und Menschen, die leuchten“ und hinterfragt sehr ehrlich den eigenen Erfolg und den seiner Band.
In SWR2 Am Samstagnachmittag äußert sich Felix Brummer im Interview:
Beeindruckendes Album ohne schwächelnde Songs
Das vierte Album von Kraftklub ist beeindruckend: Nach zwölf Jahren Bandgeschichte und fünf Jahren Pause kommen auf „Kargo“ elf Songs, von denen nicht einer schwächelt. Das kann nur daran liegen, dass die fünf jungen Männer aus Chemnitz nicht abgehoben sind und immer noch aus dem Leben erzählen können.
Davon wie seltsam es sich immer noch anfühlt, vor zehntausenden Menschen auf der Bühne zu stehen, vom Alltag in der Provinzstadt, den Träumen und den eigenen Ängsten – und denen der anderen.
Im Song „Angst“ liefern sie ein Porträt ihrer politischen Feinde, das sich ganz klar abgrenzt und doch die Einsicht zulässt, dass Angst ein geteiltes Gefühl ist – einer der besten Songs zur Zeit, auf einem der zur Zeit besten Alben zur deutschen Gegenwart.