Die Kindheit
Das Basilikum — und zwar das feinblättrige — verbinde ich mit Griechenland. Ein Topf mit Basilikum steht dort auf Fenstersimsen, auf den Gehwegen, in den Gärten, in den Kirchhöfen. Als Blumentöpfe dienen oft leere Ölkanister, liebevoll in blau, rot oder grün angemalt.
Es gibt eine typische Handbewegung, die jede*r in Griechenland macht, und die mir so vertraut ist: ein Basilikum streicheln, den Duft in der Innenfläche der Hand einfangen und daran schnuppern. Für mich ist das der Duft meiner Kindheit, der Duft der Sommer, die ich am liebsten dort verbringe.
Mit Deutschland verbinde ich den Kaffeefilter. Er steht für das Neue, das ich aufnahm, das mir ebenfalls zur Heimat wurde und zu dem – natürlich — nicht nur Kaffee gehört. Ich war als kleines Kind schwer beeindruckt, als ich zum ersten Mal sah, wie Filterkaffee von Hand aufgebrüht wurde. Inzwischen schwöre ich darauf; ich liebe mein morgendliches Ritual: Wasser kochen, frisch gemahlenen Kaffee in den Filter und langsam aufbrühen, den Kaffeeduft in der Wohnung.
Das Neue
Eine Kaffeemaschine besitze ich schon lange nicht mehr. Doch sie war eine der ersten Küchenutensilien, die sich meine Eltern kauften als sie nach Deutschland zogen. Zeichen ihres neuen Lebens, ihres Ankommens hier. Meine Mutter lernte auch, Erdbeerkuchen zu backen. Und so gab es sonntags auch mit den griechischen Freundinnen und Freunden oft Kaffee und Kuchen. Und dann am Abend zu Ouzo oder Wein Schafskäse, Anchovis und Oliven. Das Mehrkulturelle entwickelte sich ganz allmählich und geräuschlos.
Das Briki, das Gefäß, mit dem wir den griechischen Kaffee kochten, rutschte im Schrank immer mehr nach hinten. Den dazugehörigen Kaffee musste man zunächst eh aus Griechenland mitbringen, hier war er selten zu finden. Meine Mutter fuhr durch ganz Stuttgart, wenn es darum ging, ein bestimmtes aus Griechenland bekanntes Gewürz oder bestimmte Lebensmittel zu bekommen. Kardamom oder Mahleb zum Beispiel, die sie für ihre Tsourekia, die griechische Art der Hefezöpfe, benötigte. Wenn sie sie hatte, hütete sie diese wie kleine Schätze.
Als meine Mutter als Rentnerin nach Griechenland zog, nahm sie als hier erworbene Gewohnheit mit: Erdbeerkuchen und dazu eine Tasse Kaffee. Ich musste ihr in den ersten Jahren bei meinen Besuchen Tortenguss oder Backpulver mitbringen – und natürlich guten Filterkaffee. Und ich muss gestehen: mein Filter und mein Kaffee begleiten mich sogar im Urlaub, waren auf Kreta und auch in New York. Denn in der Regel bekommt man unterwegs nur Plörre – so mein Stereotyp.
Das Miteinander
Trotzdem: Anders als vor 40 Jahren muss ich heute nicht durch die ganze Stadt fahren, um bestimmte Produkte zu finden. Nicht mehr mit größter Vorsicht die Koffer packen (was ist schon alles ausgelaufen!!!) oder mich fragen, ob sie im Handgepäck im Flugzeug erlaubt sind: es gibt sie im Laden um die Ecke. In Stuttgart genauso wie in Thessaloniki. Ich habe dort mittlerweile einige Läden ausfindig gemacht mit feinstem Angebot an Kaffee für den Handfilter.
Auch ein feinblättriges Basilikum finde ich inzwischen auf dem Stuttgarter Wochenmarkt. Ein Topf steht bei mir ab dem Frühjahr immer auf der Terrasse. Ich sitze oft daneben, dazu eine frisch gebrühte Tasse Kaffee — und füge die verschiedenen Düfte und damit meine beiden Seiten zusammen. Meine kleinen Schätze, meine Utopie des Miteinanders.