Allgemeinmedizinerin Dr. Sibylle Siber aus Mainz hat täglich mit den Diagnosen von Google zu tun. Sie sieht dabei aber auch die positiven Seiten der virtuellen Antworten.
Erste Diagnose durch Google
SWR1: Gibt es einen positiven Fall, dass eine Google-Diagnose etwas richtig genützt hat?
Sibylle Siber: Letzte Woche hatte ich eine junge Frau. Die kam schon mit der Diagnose und hat gesagt "Ich glaube, ich habe eine Gürtelrose". Das habe ich mir angeguckt und gesagt "Ja, Sie haben recht."
SWR1: Wenn sie nicht mit der Vordiagnose gekommen wäre, wären Sie so schnell auch darauf gekommen? Hat die Online-Diagnose wirklich genützt und geholfen?
Siber: Sagen wir mal, eine Gürtelrose ist Praxisalltag in der allgemeinmedizinischen Praxis. Das ist eine sogenannte Blickdiagnose. Und wenn man dann die Diagnose noch ein bisschen einschränkt durch bestimmte Fragetechniken, kommt man relativ schnell darauf.
Dr. Sibylle Siber: So kann eine Diagnose über Google hilfreich sein
SWR1: Ist die Vordiagnose von Doktor Google eher lästig oder nützlich?
Siber: Es kommt auf meine Tagesform an. Es kommt aber auch darauf an, welche Patienten das sind. Überwiegend sind es tatsächlich jüngere Menschen, die mit Doktor Google viel arbeiten. Ein paar Ältere habe ich auch dabei.
Ich hatte zum Beispiel auch einen jüngeren Mann. Er sagt, er hatte Leistenschmerzen und Angst, dass es Hodenkrebs ist. Dann war ich erst ein bisschen irritiert und ich fragte, wie er darauf komme? Er hätte das bei Google eingegeben und dann kam das gleich als erste Diagnose. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, als ich mit ihm gesprochen und ihn untersucht habe, dass es nichts Dramatisches war. Es war eine Muskelverspannung und erfreulicherweise kein Krebs.
SWR1: Glauben Ihnen die Menschen, wenn Ihre Diagnose eine andere ist als die von Google?
Siber: Manchmal braucht es ein bisschen Überzeugungsarbeit, weil sie sich doch festgefahren haben. Aber in der Regel kann man das schon ganz gut aufklären.
Achtung bei Diagnosen durch Social Media
SWR1: Doktor Google hat ein paar Kollegen wie Doktor TikTok oder Doktor Instagram. Da wird zum Beispiel nach fünf Dingen gefragt, an denen man erkennt, dass man beispielsweise ADHS hat oder depressiv ist. Was halten Sie davon?
Siber: Ich sehe das sehr kritisch, wenn man nur anhand von fünf Fragen sagen kann, ich habe jetzt ADHS. Man kann das vielleicht nutzen, um zu sagen, ich könnte die Diagnose haben. Aber das ersetzt keine ärztliche Diagnostik. Auf keinen Fall.
Medizin Schlaganfall: KI spart wertvolle Zeit bei der Diagnose
"Time is brain" - Bei einem Schlaganfall kommt es auf jede Sekunde an. Ein neues Diagnoseverfahren an der Uniklinik Mainz nutzt KI und spart damit jede Menge Zeit.
SWR1: Zu anderen Krankheiten gibt es mittlerweile Gesundheits-Apps von Krankenkassen oder auch von einigen Ärzten, die Symptome abchecken sollen. Taugt so etwas?
Siber: Unterstützend sicherlich. Wir machen uns die KI in der Medizin schon seit Jahren zunutze. Und das wird die nächsten Jahre sicherlich auch noch mehr werden.