Gewinnen ist heute nicht alles - das wird mir spätestens in dem Moment klar, als ich am Spielfeldrand sitze und kurz vor Anpfiff nach rechts schaue. Direkt neben mir, in der Fankurve des 1. FC Kaiserslautern, wird ein riesengroßer Teufel nach oben gezogen. Das ganze Stadion schaut gebannt auf das rote Ungetüm, das den DFB-Pokal in der linken Hand hält, mit der rechten und einem Dreizack in der Suppe der DFB-Pokal-Gegner rührt und das FCK-Logo auf der Brust trägt. Das Bild des roten Teufels vor einer riesigen Wand aus rot, orange und gelb geht durch ganz Fußballdeutschland und die Fans des 1. FC Kaiserslautern ernten jede Menge Respekt dafür. Und ich sitze mit Gänsehaut am Spielfeldrand und bin schon vor Anpfiff dankbar, dass ich das live miterleben darf.
Das größte Spiel seit Jahrzehnten
Als der FCK in dieses Pokalfinale einzieht, bin ich auf dem Betzenberg. Public Viewing beim Südwest-Derby gegen Saarbrücken. Mehr Fans sind im Fritz-Walter-Stadion als beim Livespiel im Saarland. Die ganze West- und Nordtribüne sind voll - und beim Abpfiff voller Ekstase. Für mich ist in diesem Moment klar: Ich muss unbedingt nach Berlin. Und nicht nur für mich. Alle wollen dabei sein, der Ansturm auf die Tickets ist riesig. Diesen Moment, den will kein FCK-Fan verpassen. Nach Jahren voller Sorgen und Frust ist das ein Riesen-Highlight in der Geschichte des Vereins. Als bei mir der Anruf kommt, dass ich als Field-Reporterin ganz nah dran sein darf, geht ein beruflicher Traum in Erfüllung.
Berlin ist nur noch rot
Am Tag des Finales bin ich also in Berlin. Am Vormittag ist ein bisschen Zeit, ich entscheide mich, zum FCK-Fanfest auf dem Breitscheidplatz zu gehen. Da meine Kollegen schon mit der Kamera unterwegs sind, kann ich mich einfach so unter die tausende FCK-Fans mischen und die Stimmung aufsaugen. Ich laufe an einem Hertha-BSC-Fanshop vorbei, der komplett mit Aufklebern des 1. FC Kaiserslautern bedeckt ist. Ich höre immer wieder das Motto der Lauterer, sie singen "Bayer ist nervös, Bayer ist nervös".
Schon früh an diesem Tag ist klar, welches Fanlager die Nase vorn hat. Überall in der Stadt sind FCK-Fans, so etwas habe ich noch nie erlebt. Ganz Berlin ist rot. Und alle sind gut drauf, alle hoffen auf das Wunder, aber wissen auch, dass es anders kommen kann. Und das scheint für alle okay. Schon da merkt man: Gewinnen ist heute nicht alles.
Näher dran als gedacht
Als einige Stunden später das Spiel angepfiffen wird, glaube ich dran, dass der FCK für die große Überraschung sorgen kann. Warum auch nicht? Ja, Leverkusen ist ungeschlagen durch die Liga marschiert - aber ein paar Tage vorher hat Bayer in der Europa-League schon mal ein Finale verloren. Sie sind schlagbar. Und Kaiserslautern hat eine Fanwucht hinter sich, die nicht zu unterschätzen ist.
Es ist am Ende kein schönes Fußballspiel, kein spektakuläres, keins mit den großen FCK-Chancen. Und die Überraschung bleibt aus. Dien Roten Teufel kämpfen, aber Leverkusen ist zu stark, zu abgeklärt. Aber über 90 Minuten hört man in Berlin trotzdem vor allem die Pfälzer Anhänger. Es ist ein 0:1 das natürlich wehtut, aber irgendwie überwiegt bei vielen trotz des verlorenen Finales schon bald der Stolz.
Für Friedhelm Funkel ist es das letzte Spiel als FCK-Coach. Er kommt kurz nach Abpfiff zum Interview. Kurz bevor wir live in der ARD-Übertragung sind, steht er neben mir und blickt fast ungläubig in die Fankurve, die immer noch seinen Namen ruft und die Spieler feiert. Die Party in rot geht einfach weiter. Die ganze Nacht.
Allein die U-Bahn-Fahrt zurück in die Stadt ist ein Erlebnis und eine einzige Feierei. Niemand ist so richtig traurig. Alle wissen, dass sie trotzdem bei etwas ganz Besonderem dabei waren. Denn am Ende gehts an diesem Tag, bei meinem Sportmoment 2024, eben nicht nur ums Gewinnen.