Mein Sportmoment 2024

Die Trainerlegende des SC Freiburg tritt zurück: Der letzte Streich

Stand
Autor/in
Anna Klär

Die Trainerlegende des SC Freiburg gibt ihren Posten nach über zwölf Jahren an der Seitenlinie auf. SWR-Reporterin Anna Klär war dabei, als Christian Streich die Breisgauer in Berlin zum letzten Mal coachte. Ein emotionaler Sportmoment 2024.

Gedankenverloren schaut Christian Streich nach Abpfiff auf den Rasen. Nach so langer Zeit geht seine Reise als SC-Coach hier in Berlin zu Ende. Mit einer dramatischen 1:2-Niederlage, die seiner Mannschaft den europäischen Wettbewerb kostet. Schaut man sich die TV-Bilder von ihm später noch einmal an, bricht es jedem Freiburg-Fan wahrscheinlich das Herz - so niedergeschlagen wirkt er. Denn das Abschiedsgeschenk, das er Fans und Mannschaft unbedingt machen wollte, ist dahin. "Ich bin sehr, sehr enttäuscht von mir", wird er später am ARD-Mikro sagen, "weil ich der Mannschaft nicht den letzten Impuls geben konnte. Das überwiegt alles und das tut mir sehr leid. Ich bin sehr, sehr enttäuscht. Am meisten von mir".

Der letzte Streich

Emotionale Fans schon vor Partie

Worte, die so nur von einem kommen können, der seit über einem Jahrzehnt den Verein, die Mannschaft und die Fans über alles gestellt hat. Vor allem über sich selbst. Dafür wird er bundesweit gefeiert. Auch an diesem Samstagnachmittag bei Union Berlin. Ich selbst bin schon seit mehreren Stunden im Stadion in Köpenick und habe mit einigen Freiburg-Fans gesprochen, die erzählen, dass schon vor dem Spiel einige Tränen geflossen seien, weil sie sich von ihrer Legende, einem der ganz besonderen Bundesligatrainer, verabschieden müssen. Einige andere haben bereits am Tag zuvor am Flughafen auf ihn gewartet, wollten ihm persönliche ihre Abschiedsgeschenke überreichen. So etwas gibt es nicht mehr oft im Fußballgeschäft.

Abschied XXL

Große Verabschiedung von Christian Streich in Freiburg

Bereits eine Woche zuvor wurde in Freiburg, im letzten Heimspiel der Saison 2023/24, im heimischen Europa-Park-Stadion Abschied genommen vom Coach. Mit einer emotionalen Rede, Tränen in den Augen bei Mannschaft und Fans und einer Ehrenrunde, bei der ein Fan, der zuvor über die Absperrung geklettert ist, in Christian Streichs Arme fällt und sich tränenüberströmt gar nicht von ihm lösen will. Es ist ein ganz besonderer Nachmittag im Breisgau mit einer Person im Mittelpunkt, die den Sport-Club aber auch Fußballdeutschland über Jahre geprägt hat. Mit seinen legendären Sprüchen, mit seinen gesellschaftskritischen und auch politischen Aussagen unterschied sich Christian Streich von vielen seiner Kollegen.

Der letzte Auftritt in Berlin

Gespannt warte ich deshalb am Samstagnachmittag in der Alten Försterei auf Christian Streichs Auftritt vor der Partie. Er will, wie so oft, nicht viel Aufhebens um seine Person machen. Aber das ist nicht möglich. Der Stadionsprecher - wohlgemerkt der des Gegners - ehrt ihn schon vor dem Spiel. Alle Fans, Freiburger wie Unioner, stehen auf und klatschen minutenlang, als er den Platz betritt.

Ich sehe ihn nur aus einigen Metern Entfernung und frage mich, was ihm wohl in diesem Moment durch den Kopf geht. Denkt er daran, dass das nach über zwölf Jahren sein (vorerst) letztes Bundesligaspiel als Trainer sein wird? Dass er zum letzten Mal seine "Jungs" über 90 Minuten in seiner unnachahmlichen Art über den Rasen peitschen wird? Aber so wie ich Christian Streich kenne, geht es in seinem Kopf vor allem um eins: Das anstehende Spiel.

Freiburg im Breisgau

Freiburger Fußballer hautnah Vincenzo Grifo über Christian Streich: "Nur er konnte mich retten!"

Vincenzo Grifo hat in Freiburg seine private und sportliche Heimat gefunden. Vor neun Jahren kam er zum ersten Mal in den Breisgau, dank eines Gesprächs mit Christian Streich.

Die letzten Momente

Das läuft gegen ihn und sein Team. In einer knappen Partie schaffte Union am Ende den Klassenerhalt - Freiburg wird "nur" Zehnter. Für die Fans gefühlt eine Nebensache. Keiner verlässt die Arena als er sich nach Spielende vor der Gästekurve noch einmal verabschiedet. Achselzuckend läuft er auf die SC-Fans zu, hebt entschuldigend die Schultern: 'Es hat nicht gereicht für Europa', will er damit sagen. Den Fans ist das in diesem Moment egal. Minutenlang rufen sie seinen Namen, beklatschen ihn, halten Banner in die Höhe. Es wirkt so, als sei ihm diese Dankbarkeit fast unangenehm. Er wollte sich doch mit einem Erfolg verabschieden, wollte, dass Mannschaft und Fans in der kommenden Saison wieder in Europa unterwegs sind.

Dass er während seiner Zeit den Verein zu nie gekannten Erfolgen geführt hat, scheint er in dem Moment vergessen zu haben. Am Ende der minutenlangen Ovationen zieht Christian Streich mehrmals seinen imaginären Hut und verbeugt sich vor den Fans. Ist dankbar für ihre Dankbarkeit. Es sind die letzten Bilder, die man von ihm als Freiburg-Trainer auf dem Platz sehen wird - das sagt viel über ihn aus. Ein große Fußballpersönlichkeit verlässt die Bühne, mein Sportmoment 2024.

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Anna Klär