Hält man es mit dem Verein für Bewegungsspiele von 1893, so war eigentlich das gesamte Kalenderjahr 2024 ein einziger weiß-roter Sportmoment: Der erste (und deutliche) Bundesliga-Sieg gegen Leipzig, drei Siege gegen den BVB, Heimsieg gegen Bayern München mit Sebastian Hoeneß auf dem Zaun, Vizemeisterschaft am letzten Spieltag! Für einen VfB-Fan normalerweise ausreichend Highlights für knapp zehn Jahre - nicht so in 2024.
Denn am 17. September kehrte der VfB Stuttgart nach 14 Jahren Abwesenheit wieder in Eurpoas höchste Spielklasse zurück: Champions League. Das Händchen von Losfee Cristiano Ronaldo (oder der Buzzer in Monaco) bescherte dem VfB ein Traumlos am ersten Spieltag: auswärts bei Real Madrid.
Zugegebenermaßen gibt es für "Fußball-Traditionalisten" sicher attraktivere Lose als den "Kommerz-Tempel Bernabéu", trotzdem entstand direkt nach der Auslosung ein extremer Hype um das Spiel. Denn für viele, gerade jüngere Fans, sollte es das erste Champions-League-Spiel ihrer Zeit bedeuten.
Das Gästekontigent von rund 4.000 Tickets war schnell erschöpft, doch spontane Real-Mitgliedschaften, Kontakte zu Einheimischen und anti-schwäbische Tugenden wie der Kauf von teuren VIP-Tickets sorgten dafür, dass rund 10.000 Fans den Weg nach Madrid fanden und ein rauschendes VfB-Fest feierten.
Viele Einwohner der spanischen Hauptstadt trauten ihren Augen nicht und waren sehr bemüht. das weiß-rote Treiben auf ihren Mobilgeräten festzuhalten. Überall wurde gefeiert. Überall fröhliche Gesichter. Und auch die VfB-Offiziellen mischten sich unter die Fans und feierten mit. "Ich habe auf dem Fanfest schon drei oder vier Bier getrunken. Ich musste danach erstmal drei Espresso trinken, damit ich überhaupt mit Ihnen reden kann", sagte Vorstandsvorsitzender Alexander Wehrle vor laufenden TV-Kameras.
Das teils zweifelhafte und unkommunikative Verhalten der spanischen Polizei beim Einlass sollte der Partystimmung keinen Abbruch tun. Und so hallten schon weit vor Anpfiff die lautstarken Gesänge durchs Estadio Santiago Bernabéu. Einigen der in rot gekleideten Fans im Gästebereich wurde jetzt erst klar, wie viele VfB-ler den Weg ins Stadion gefunden hatten. Überall verteilt waren mal mehr, mal weniger große Gruppen an Brustringträgern deutlich zu vernehmen.
Als die Mannschaften das Spielfeld betraten, entstand plötzlich eine elektrisierende Stille im Gästebereich. Und dann war er da, der magische Moment, auf den so viele gewartet hatten: Sämtliche Augenpaare waren gebannt auf den Rasen gerichtet. Das Champions-League-Logo im Mittelkreis begann sich zu bewegen und aus den Boxen erklang "Die Besten". Freude, Gänsehaut, Dankbarkeit können diesen einen Augenblick nur im entferntesten beschreiben.
Dass der VfB eine bärenstarke Leistung an den Tag legte, Deniz Undav sogar den zwischenzeitlichen Ausgleich markierte und die Schwaben fast etwas Zählbares mitnehmen konnten, sollte an diesem Tag Nebensache bleiben. Die Freude über die Rückkehr aufs internationale Parkett überwiegte. Bis spät in die Nacht hallten die schwäbischen Gesänge durch die Straßen und Gassen von Madrid.
Und bis heute klingt der Satz: "Der VfB hat in der Champions League im Bernabéu gespielt" immer noch wie aus einem Fußballtraum.