Flächendeckende Nutzung

Wie Hochschulen auf KI-Nutzung durch Studierende reagieren

Stand

Von Autor/in Anja Braun

Fast alle Studierenden nutzen mittlerweile Künstliche Intelligenz (KI) in Form von beispielsweise Chat GPT. Das hat eine bundesweite Umfrage der Hochschule Darmstadt unter knapp 5.000 Studierenden gezeigt. Doch wie fit sind die Universitäten und Hochschulen in Sachen KI-Nutzung durch Studierende?

Studierende nutzen flächendeckend KI an Hochschulen

Fast alle Studis nutzen mittlerweile KI - Hochschulen oft ohne Plan

Bisher gibt es kaum hochschulweite Lösungen oder Leitlinien für den Umgang mit KI im Studium und vor allem bei Prüfungsleistungen und Hausarbeiten. Das verunsichert Lehrende wie Studierende.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass Universitäten und Hochschulen den Umgang mit KI nicht wirklich geregelt bekommen. Dabei zeigt eine kürzliche Umfrage der Hochschule Darmstadt, dass mittlerweile mehr als 90 Prozent der Studis angeben, KI im Studium und v.a. für Prüfungen und Abschlussarbeiten zu nutzen.

Dass KI mittlerweile flächendeckend im Studium angekommen, bestätigt auch Tobias Seidl von der Hochschule der Medien in Stuttgart:

"Klar ist auf jeden Fall: Studierende nutzen fast alle KI auch für die Erbringung von Prüfungsleistungen. Gleichzeitig ist klar, ein Verbot lässt sich in vielen Bereichen nicht durchsetzen, also immer wenn wir unbeaufsichtigte Kontexte haben, ist mit einer KI zu rechnen. Es gibt auch keine Detektoren oder ähnliche Systeme, die 100 Prozent feststellen, ob KI zu Einsatz kam."

Verunsicherung über Nutzung von KI im Studienalltag ist groß

Als Professor für Schlüssel- und Selbstkompetenzen Studierender hat Tobias Seidl selbst Umfragen zur KI-Nutzung von Studierenden durchgeführt und versucht KI auch sinnvoll in den Studienalltag einzubinden. 

Doch insgesamt ist die Verunsicherung groß, so wünschen sich über 80 Prozent der Studierenden klare Leitlinien, wie sie KI im Studium und vor allem in Prüfungen einsetzen dürfen. Denn das ist meist nicht klar geregelt, erklärt Seidl:

"Die Nutzung von KI ist natürlich im Hinblick auf Prüfungen an Hochschulen eine Herausforderung und man muss auch sagen, dass es da noch keine abschließenden Antworten gibt, weil es ein dynamischer Prozess ist. Wir sehen, dass sich die Technik weiterentwickelt, ebenso die studentische Nutzung und Hochschulen müssen sich Gedanken machen, wie sie damit umgehen."

Hochschulen und Fachbereiche mit jeweils eigenen Regelungen

Das Centrum für Hochschulentwicklung hat den Umgang der Unis mit KI im letzten Herbst ebenfalls unter die Lupe genommen. Jannica Budde hat diese Studie als Senior Projektmanagerin geleitet und stellt fest: 

"Über die Hälfte der Lehrenden lassen in Hausarbeiten in ganz unterschiedlichen Abstufungen KI zu, vielleicht eben bei der Unterstützung bei Recherchetätigkeiten oder beim letzten sprachlichen Schliff. Es gibt da ganz verschiedene Strategien, um die Nutzung in Prüfungen zu erlauben und damit umzugehen."

So hat zur Zeit offenbar jede Hochschule und teilweise auch jeder Fachbereich und jeder Hochschullehrende einen eigenen Weg, mit der KI-Nutzung umzugehen.

Studierende arbeiten mit Laptop und Tablet, Nutzung von KI an der Hochschule
Eine bundesweite Umfrage der Hochschule Darmstadt unter knapp 5000 Studierenden zeigt: Studierende nutzen flächendeckend KI im Studium.

Jannica Budde vom Hochschulforum Digitalisierung sagt, dass ungefähr 65 Prozent der Hochschulen angeben, sie seien dabei, Leitlinien zu entwickeln. Deren genauere Ausgestaltung würden sie aber in der Regel wieder nach unten delegieren:

"Das heißt, sie sagen, grundsätzlich ist es erlaubt, aber liebe Fachbereiche: Guckt was für euer Fach am besten passt, welche Regelungen in welchem Format dann dokumentiert werden soll etc.. . Also ich glaube, dann ist das Problem, dass vielleicht die Hochschule eine bestimmte Regelung hat, aber die Fakultät selbst nicht, oder die Fakultät es dann zum Beispiel wieder verbietet."

Das hänge auch mit der unterschiedlichen Fachkultur zusammen und könne möglicherweise gar nicht so eindeutig für alle geregelt werden - meint Budde: 

"Es ist halt ein Unterschied, ob ich einen Laborbericht in der Chemie schreibe oder eine kritische Auseinandersetzung mit Literatur in der Germanistik. Und ich glaube, da ist es schwierig, generell eine Leitlinie zu setzen, KI zu verbieten. Damit muss sich wirklich jede Fachkultur nochmal verstärkt auseinandersetzen."

Auch das Nutzungsverhalten unterscheidet sich je nach Fachbereich. So nutzen Studierende in den Ingenieurwissenschaften überdurchschnittlich häufig KI im Studium, am seltensten griffen Studierende im Bereich Kunst & Kulturwissenschaften zu KI-Tools.

Besser als ein Verbot von KI ist ein sinnvoller Einsatz der Studierenden

Die KI-Nutzung insgesamt lässt sich aber nicht mehr aus dem Hochschulkontext heraushalten. Deshalb dreht sich die Diskussion nicht mehr darum, den Einsatz von KI zu verbieten oder zu verhindern. Vermittelt werden sollte nach Tobias Seidl stattdessen:

"Wie sieht ein sinnvoller Einsatz von KI aus und wie verhindern auch Studierende Skill-Skipping in ihrem Lernprozess, also wie lernen sie auch wirklich das, was sie wollen, was sie auch nachher brauchen und nutzen nicht KI, um einen Kompetenzerwerb zu verhindern."

Seidl erlaubt seinen Studierenden, KI in Prüfungen zu nutzen. Er verlangt aber, dass der Einsatz dokumentiert und reflektiert wird. So sollen die Studierenden eine kritische Haltung entwickeln, also lernen, wo eine KI unterstützen kann, aber auch, wo sie keinen Mehrwert bringt: 

"Gleichzeitig ist natürlich auch klar, dass Prüfungsleistungen dann gegebenenfalls anders gestaltet werden und auch die Erwartungen und Prüfungsleistungen höher sind, weil wenn jeder Studierende mit einem KI System ein stilistisch sehr guten Text schreiben kann, ist auch klar, dass wir dann die Erwartungen in den Bereich einfach erhöhen müssen."

KI muss für Fairness an Hochschulen allen zur Verfügung stehen

Die KI-Nutzung wird also dazu führen, dass die Latte der Prüfungsleistungen deutlich höher gelegt wird. Doch fairerweise kann das erst geschehen, wenn die Hochschulen den Studierenden eine sichere KI Infrastruktur zur Verfügung stellen können, findet Tobias Seidl.

Denn schließlich müsste sichergestellt werden, dass alle Studierende den gleichen Zugriff auf sichere KI-Systeme haben.

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Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Chat GPT: Das Ende der Hausarbeit?

Chatbots wie ChatGPT werden immer mächtiger und finden immer weitere Verbreitung. Das bietet viele Chancen, bringt aber auch Risiken mit sich, gerade für die Textproduktion in der akademischen Forschung und Lehre. „Der klassische Schreibprozess wird ersetzt durch eine völlig neue Form der Interaktion von uns Menschen mit einer Software“, erklärt Doris Weßels, KI-Forscherin von der Fachhochschule Kiel.

Die Technologie ließe sich als Werkzeug, aber auch als Waffe benutzen. Jeder von der Software gelieferte Entwurf müsse bewertet werden, wer damit arbeite, sei noch viel stärker als Gutachter gefordert, so die Wirtschaftsinformatikerin. „Das ist eine Kompetenz, die wir in diesem Dialog zwischen Mensch und Maschine noch viel stärker sehen als zuvor.“

Allerdings wächst mit solchen Maschinen auch die Gefahr, dass Maschinentexte für Betrug genutzt werden. Die Stadt New York hat deswegen die Nutzung von ChatGPT in Schulen schon verboten. Kein guter Weg, findet Robert Lepenies, Präsident der Karlshochschule Karlsruhe. Stattdessen gehe es darum, ChatGPT in die Lehre zu integrieren und den Prozess des Schreibens, des kritischen Nachdenkens und Diskutieren in den Fokus zu nehmen. Die Betreuung an Universitäten muss sich verändern, um hier Schritt zu halten.

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Host: Christian Batzlen
Redaktion: Christian Batzlen und Max Knieriemen

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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.
Onlinefassung
Leila Boucheligua