
Fast alle Studis nutzen mittlerweile KI - Hochschulen oft ohne Plan
Bisher gibt es kaum hochschulweite Lösungen oder Leitlinien für den Umgang mit KI im Studium und vor allem bei Prüfungsleistungen und Hausarbeiten. Das verunsichert Lehrende wie Studierende.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass Universitäten und Hochschulen den Umgang mit KI nicht wirklich geregelt bekommen. Dabei zeigt eine kürzliche Umfrage der Hochschule Darmstadt, dass mittlerweile mehr als 90 Prozent der Studis angeben, KI im Studium und v.a. für Prüfungen und Abschlussarbeiten zu nutzen.
Dass KI mittlerweile flächendeckend im Studium angekommen, bestätigt auch Tobias Seidl von der Hochschule der Medien in Stuttgart:
"Klar ist auf jeden Fall: Studierende nutzen fast alle KI auch für die Erbringung von Prüfungsleistungen. Gleichzeitig ist klar, ein Verbot lässt sich in vielen Bereichen nicht durchsetzen, also immer wenn wir unbeaufsichtigte Kontexte haben, ist mit einer KI zu rechnen. Es gibt auch keine Detektoren oder ähnliche Systeme, die 100 Prozent feststellen, ob KI zu Einsatz kam."
Verunsicherung über Nutzung von KI im Studienalltag ist groß
Als Professor für Schlüssel- und Selbstkompetenzen Studierender hat Tobias Seidl selbst Umfragen zur KI-Nutzung von Studierenden durchgeführt und versucht KI auch sinnvoll in den Studienalltag einzubinden.
Doch insgesamt ist die Verunsicherung groß, so wünschen sich über 80 Prozent der Studierenden klare Leitlinien, wie sie KI im Studium und vor allem in Prüfungen einsetzen dürfen. Denn das ist meist nicht klar geregelt, erklärt Seidl:
"Die Nutzung von KI ist natürlich im Hinblick auf Prüfungen an Hochschulen eine Herausforderung und man muss auch sagen, dass es da noch keine abschließenden Antworten gibt, weil es ein dynamischer Prozess ist. Wir sehen, dass sich die Technik weiterentwickelt, ebenso die studentische Nutzung und Hochschulen müssen sich Gedanken machen, wie sie damit umgehen."
Hochschulen und Fachbereiche mit jeweils eigenen Regelungen
Das Centrum für Hochschulentwicklung hat den Umgang der Unis mit KI im letzten Herbst ebenfalls unter die Lupe genommen. Jannica Budde hat diese Studie als Senior Projektmanagerin geleitet und stellt fest:
"Über die Hälfte der Lehrenden lassen in Hausarbeiten in ganz unterschiedlichen Abstufungen KI zu, vielleicht eben bei der Unterstützung bei Recherchetätigkeiten oder beim letzten sprachlichen Schliff. Es gibt da ganz verschiedene Strategien, um die Nutzung in Prüfungen zu erlauben und damit umzugehen."
So hat zur Zeit offenbar jede Hochschule und teilweise auch jeder Fachbereich und jeder Hochschullehrende einen eigenen Weg, mit der KI-Nutzung umzugehen.

Jannica Budde vom Hochschulforum Digitalisierung sagt, dass ungefähr 65 Prozent der Hochschulen angeben, sie seien dabei, Leitlinien zu entwickeln. Deren genauere Ausgestaltung würden sie aber in der Regel wieder nach unten delegieren:
"Das heißt, sie sagen, grundsätzlich ist es erlaubt, aber liebe Fachbereiche: Guckt was für euer Fach am besten passt, welche Regelungen in welchem Format dann dokumentiert werden soll etc.. . Also ich glaube, dann ist das Problem, dass vielleicht die Hochschule eine bestimmte Regelung hat, aber die Fakultät selbst nicht, oder die Fakultät es dann zum Beispiel wieder verbietet."
Das hänge auch mit der unterschiedlichen Fachkultur zusammen und könne möglicherweise gar nicht so eindeutig für alle geregelt werden - meint Budde:
"Es ist halt ein Unterschied, ob ich einen Laborbericht in der Chemie schreibe oder eine kritische Auseinandersetzung mit Literatur in der Germanistik. Und ich glaube, da ist es schwierig, generell eine Leitlinie zu setzen, KI zu verbieten. Damit muss sich wirklich jede Fachkultur nochmal verstärkt auseinandersetzen."
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Auch das Nutzungsverhalten unterscheidet sich je nach Fachbereich. So nutzen Studierende in den Ingenieurwissenschaften überdurchschnittlich häufig KI im Studium, am seltensten griffen Studierende im Bereich Kunst & Kulturwissenschaften zu KI-Tools.
Besser als ein Verbot von KI ist ein sinnvoller Einsatz der Studierenden
Die KI-Nutzung insgesamt lässt sich aber nicht mehr aus dem Hochschulkontext heraushalten. Deshalb dreht sich die Diskussion nicht mehr darum, den Einsatz von KI zu verbieten oder zu verhindern. Vermittelt werden sollte nach Tobias Seidl stattdessen:
"Wie sieht ein sinnvoller Einsatz von KI aus und wie verhindern auch Studierende Skill-Skipping in ihrem Lernprozess, also wie lernen sie auch wirklich das, was sie wollen, was sie auch nachher brauchen und nutzen nicht KI, um einen Kompetenzerwerb zu verhindern."
Seidl erlaubt seinen Studierenden, KI in Prüfungen zu nutzen. Er verlangt aber, dass der Einsatz dokumentiert und reflektiert wird. So sollen die Studierenden eine kritische Haltung entwickeln, also lernen, wo eine KI unterstützen kann, aber auch, wo sie keinen Mehrwert bringt:
"Gleichzeitig ist natürlich auch klar, dass Prüfungsleistungen dann gegebenenfalls anders gestaltet werden und auch die Erwartungen und Prüfungsleistungen höher sind, weil wenn jeder Studierende mit einem KI System ein stilistisch sehr guten Text schreiben kann, ist auch klar, dass wir dann die Erwartungen in den Bereich einfach erhöhen müssen."
KI muss für Fairness an Hochschulen allen zur Verfügung stehen
Die KI-Nutzung wird also dazu führen, dass die Latte der Prüfungsleistungen deutlich höher gelegt wird. Doch fairerweise kann das erst geschehen, wenn die Hochschulen den Studierenden eine sichere KI Infrastruktur zur Verfügung stellen können, findet Tobias Seidl.
Denn schließlich müsste sichergestellt werden, dass alle Studierende den gleichen Zugriff auf sichere KI-Systeme haben.