Unklare Regeln

KI an der Uni: Mit ChatGPT zum Bachelor-Abschluss

Stand
Autor/in
Silas Schwab

An der Uni Tübingen ist seit diesem Semester in manchen Fachbereichen der Einsatz von KI erlaubt. Viele Unis ringen um den richtigen Weg. Die Regeln sind oft nicht klar festgelegt.

Die Künstliche Intelligenz (KI) als Ghostwriter der Bachelorarbeit. Das ist seit diesem Semester in manchen Fachbereichen der Universität Tübingen möglich. Sie folgen damit dem Beispiel mehrerer Hochschulen – auch aus Baden-Württemberg. Dem Betrug durch textbasierte KI will man aus dem Weg gehen und stattdessen Möglichkeiten der KI nutzen.

Vergangenes Jahr hatte die Uni Tübingen die Nutzung noch stark eingeschränkt und auch die Nutzung in Prüfungen verboten. Einen einheitlichen Weg haben die Unis im Land bisher aber noch nicht gefunden. Viele Fragen sind ungeklärt. Das verunsichert einige Studierende.  

 

Tübingen

Keine KI in schriftlichen Prüfungen Universität Tübingen beschränkt Nutzung von ChatGPT

Die Software ChatGPT kann Mathe, aber auch Texte auf Deutsch und Englisch schreiben. Die Universität Tübingen hat ihren Einsatz für Studierende und Forschende nun stark begrenzt.

SWR4 BW am Vormittag SWR4 Baden-Württemberg

Prüfende entscheiden über KI-Einsatz

Lara hat ihre Bachelorarbeit vor wenigen Tagen abgegeben. Sie hat Angst, dass auffällt, dass sie KI eingesetzt hat. Sie hat sich nur helfen lassen, trotzdem ist sie unsicher. Denn ihre Universität verbietet, dass KI die Bachelorarbeit schreibt. Inwiefern der Einsatz als Hilfsmittel illegal ist, weiß sie aber nicht.

Studierende unterschiedlicher Universitäten bestätigen dieses Problem. Die Regeln sind unklar. Die Entscheidungsgewalt liegt bei den Professoren. Die fünf größten Universitäten Baden-Württembergs bestätigen auf SWR-Anfrage allesamt: Am Ende entscheidet der und die Prüfende. Grundsätzlich sei aber denkbar, dass KI in Prüfungen erlaubt werden könnte.

Entwicklung von Handreichungen dauert an

Die Uni Tübingen befände sich gerade noch in einer Phase der Diskussion und Erprobung wie man generative KI integrieren könne, so eine Sprecherin auf SWR-Anfrage. Fast anderthalb Jahre nach der Veröffentlichung von ChatGPT. Eine Handreichung wie man in Prüfungen mit beispielsweise ChatGPT umgehen soll, ist noch nicht verabschiedet. Manche Fachbereiche haben dennoch schon ihre Prüfungen für die KI geöffnet. So beispielsweise die empirischen Kulturwissenschaften.  

Professor Christoph Bareither ist Direktor des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaftan der Uni Tübingen und Mitglied in der Arbeitsgruppe Generative KI an der Uni Tübingen. Sie wurde gegründet, um Rahmenbedingungen und Empfehlungen zu schaffen, wie die Fakultäten mit KI umgehen sollen.

Was davon umgesetzt wird, entscheiden die Fakultäten. Manche sind offen dafür, manche weniger, sagt Bareither. „Wir als Fach haben gesagt: Wir haben die Technologie. Studierende können sie einsetzen. Also warum nicht gleich das alles anpassen?“  

Fachbereich erlaubt Nutzung ohne Einschränkung

Sein Fachbereich hat die Verwendung von KI in Prüfungen „legalisiert“. Davor gab es keine Regeln. Ob und wie die Studierenden künstliche Intelligenz einsetzen dürfen, wussten weder die Studierenden noch die Professoren.

Die Eigenständigkeitserklärungen, die am Anfang der Arbeit stehen müssen, waren nicht auf die neue Situation angepasst. Jetzt lautet die grundsätzliche Ansage des Fachbereichs Empirische Kulturwissenschaften: Alles ist erlaubt. Aber die Studierenden müssen die Verantwortung für die Richtigkeit übernehmen und dokumentieren, wie sie die KI einsetzen.  

Wir wollen den Studierenden die Verantwortung und die Kompetenz zugestehen selbst zu entscheiden und zu lernen: Wo ist KI produktiv und wo führt sie mich in die Irre.

Auch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sieht in der KI ein legitimes Hilfsmittel. Der Einsatz müsse aber kenntlich gemacht werden. Bisher habe man durch KI nicht mehr Verstöße gegen die gute wissenschaftliche Praxis erkennen können, so die Universität auf SWR-Anfrage.  

KI-Detektoren sind unzuverlässig

Ob die vermeintlich transparenten Angaben der Studierenden der Wahrheit entsprechen, lässt sich aber kaum nachweisen. Anders als Plagiate, können KI-Texte nicht zuverlässig nachgewiesen werden. Es gibt zwar unterschiedliche Detektoren, die KI-Texte und menschgemachte Texte unterscheiden können wollen.

Eine Studie hat aber 14 solcher angeblichen KI-Detektoren getestet mit dem Ergebnis: Sie melden häufig fälschlicherweise, dass ein Text von der KI geschrieben wurde. Schlimmer noch - eine Studie der Stanford University zeigt, dass Texte von Nicht-Muttersprachlern besonders häufig falsch verdächtigt werden von einer KI geschrieben worden zu sein. Dennoch setzt die Universität Heidelberg weiterhin solche Software ein. Anderen Universitäten in Tübingen, Stuttgart, Freiburg oder Karlsruhe ist die Nutzung nicht bekannt. 

Studierende könnten also ohne Probleme beschönigen, wie sie die KI tatsächlich eingesetzt hätten – und es wäre unmöglich herauszufinden. Christoph Bareither von der Uni Tübingen ist sich dieses Problems bewusst: „Sagt man deshalb jetzt, man verbietet es ganz? Oder sagt man es ist grundsätzlich erlaubt, aber wenn ihr es benutzt, macht es transparent? Ich glaube, dass das wesentlich mehr dazu anregt ehrlich damit umzugehen.“  

Heidelberg und Freiburg verzichten auf Empfehlungen 

Die Universitäten Heidelberg und Freiburg verzichten auf zentrale Vorgaben oder Empfehlungen zum Umgang mit KI. Die Fächer würden eigene Regeln bestimmen. Man setze auf „Eigenverantwortung im Rahmen der guten wissenschaftlichen Praxis“, so Prof. Dr. Silke Hertel, Prorektorin für Studium und Lehre an der Universität Heidelberg.

Der Einsatz von KI könne als nicht erlaubtes Hilfsmittel und damit als Täuschungsversuch geahndet werden. Als Beispiele aus der Vergangenheit nennt sie Fälle in denen erfundene Literaturbelege in Hausarbeiten entdeckt wurden. Dies seien aber Einzelfälle. 

Solche habe es auch an der Universität Freiburg gegeben. Als Argument gegen klare Vorgaben nennt ein Sprecher der Uni, dass ohnehin die herkömmliche Regel gelte: „Studienarbeiten müssen selbstständig erstellt werden.“ Der KI-Einsatz sei erstmal grundsätzlich nicht erlaubt. Dozenten könnten den Einsatz aber explizit freigeben. 

Das Ende der Hausarbeit?

Der ehemalige Student Benjamin Mark hält schriftliche Ausarbeitungen aber ohnehin nicht mehr für zeitgemäß – unabhängig von der KI.

Ich finde es Quatsch, dass ich 100 Seiten Ausarbeitung schreiben muss für ein Projekt, dass ich in 10 Minuten verständlicher präsentieren kann.

Die Fakultät der Betriebswirtschaft der Wirtschaftsuni in Prag hat auf solche Vorwürfe bereits reagiert und Bachelorarbeiten komplett abgeschafft. Ab dem Wintersemester 2024 sollen Projekte entscheidend für die Abschlussnoten sein – keine geschriebenen Arbeiten mehr. In Baden-Württemberg scheint das bislang noch keine ernsthafte Option zu sein.

Das Prüfungswesen habe sich schon immer anpassen müssen, schreibt eine Sprecherin des KIT, aber man sehe keinen Bedarf die Studien- und Prüfungsordnung zu ändern. Die aktuellen Entwicklungen könnten aber dazu führen, dass es in Zukunft mehr mündliche Prüfungen geben werde. In Freiburg, so ein Sprecher, seien bereits unterschiedliche Prüfungsformen angepasst worden, um zu verhindern, dass KI-Tools missbraucht werden.  

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Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Chat GPT: Das Ende der Hausarbeit?

Chatbots wie ChatGPT werden immer mächtiger und finden immer weitere Verbreitung. Das bietet viele Chancen, bringt aber auch Risiken mit sich, gerade für die Textproduktion in der akademischen Forschung und Lehre. „Der klassische Schreibprozess wird ersetzt durch eine völlig neue Form der Interaktion von uns Menschen mit einer Software“, erklärt Doris Weßels, KI-Forscherin von der Fachhochschule Kiel.

Die Technologie ließe sich als Werkzeug, aber auch als Waffe benutzen. Jeder von der Software gelieferte Entwurf müsse bewertet werden, wer damit arbeite, sei noch viel stärker als Gutachter gefordert, so die Wirtschaftsinformatikerin. „Das ist eine Kompetenz, die wir in diesem Dialog zwischen Mensch und Maschine noch viel stärker sehen als zuvor.“

Allerdings wächst mit solchen Maschinen auch die Gefahr, dass Maschinentexte für Betrug genutzt werden. Die Stadt New York hat deswegen die Nutzung von ChatGPT in Schulen schon verboten. Kein guter Weg, findet Robert Lepenies, Präsident der Karlshochschule Karlsruhe. Stattdessen gehe es darum, ChatGPT in die Lehre zu integrieren und den Prozess des Schreibens, des kritischen Nachdenkens und Diskutieren in den Fokus zu nehmen. Die Betreuung an Universitäten muss sich verändern, um hier Schritt zu halten.

Habt ihr Fragen, Kritik oder Anregungen? Dann schreibt uns gern unter kulturpodcast@swr.de

Host: Christian Batzlen
Redaktion: Christian Batzlen und Max Knieriemen

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